Steigender Energiehunger: Amazon kauft Atomkraftwerk für 650 Millionen Dollar
Die Techindustrie in den USA investiert zunehmend in eigene Kernkraftwerke, um den wachsenden Energiebedarf von Rechenzentren zu decken, wo riesige Datenmengen bewegt werden. Dafür bedarf es nicht nur einer vermehrten, sondern auch einer stabilen Stromversorgung.
Dr. Ralph Hintemann vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit prognostizierte bereits 2019:
KI-Anwendungen wie Deep Learning, Simulationen und Prognosen haben teilweise enorme Anforderungen an Rechenleistungen. Daher benötigen sie große Mengen an Energie und Ressourcen. Wie Forscherinnen und Forscher der University of Massachusetts ermittelt haben, kann das Training einer einzelnen KI-Anwendung zur Spracherkennung fünfmal so viel CO₂ erzeugen wie ein Auto während seiner gesamten Lebensdauer.“
KI als Treiber für Energiebedarf
KI-Anwendungen seien ein wesentlicher Treiber dafür, dass immer mehr Rechenleistung benötigt wird und der Energiebedarf der Rechenzentren ansteigt. Prognosen gingen davon aus, so Hintemann, dass sich der Energiebedarf der Rechenzentren weltweit in den nächsten zehn Jahren extrem erhöhen wird und im Jahr 2030 dann bis zu acht Prozent des weltweiten Stromverbrauchs ausmachen kann.
Schon 2022 war die energieintensive Rechenzentrumsbranche für rund vier Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich. Die Betreiber von IT-Infrastrukturen stehen vor der Herausforderung, sich an das stetige Wachstum digitaler Transaktionen anpassen zu müssen. Allein das Volumen der gespeicherten Daten wird im Jahr 2025 voraussichtlich 5,3-mal so groß sein wie im Jahr 2018.
Besonders auch das Training von KI-Modellen benötigt zunehmende Rechenleistung und damit Strom. Viele dieser energieintensiven KI-Trainings finden in Ländern wie Island statt, wo Geothermie und Wasserkraft günstige Strompreise gewährleisten und die kühlende Witterung der Nordatlantikinsel zusätzlich für günstige Bedingungen sorgt. Doch die meisten KI-Trainings und Rechenzentren befinden sich in den Vereinigten Staaten. Laut dem australischen Telekom-Anbieter Cloudscene stehen in den USA derzeit 5.381 große Rechenzentren.
Mehr Daten, mehr Rechenzentren, mehr Strombedarf
In den USA planen Microsoft und OpenAI (die Firma hinter dem Sprachbot ChatGPT) ein Superrechenzentrum für 100 Milliarden US-Dollar. Noch mehr möchte Konkurrent Amazon ausgeben. Der E-Commerce-Riese möchte in den kommenden 15 Jahren 150 Milliarden US-Dollar in neue Rechenzentren investieren, um den Bedarf an KI-Anwendungen der hauseigenen Cloud-Tochter AWS und anderen Diensten stemmen zu können.
Das Unternehmen will damit seinen Vorsprung im Cloud Computing gegenüber Microsoft und Google halten, berichtete „Bloomberg“ Ende März 2024. Momentan hat Amazon einen doppelt so hohen Marktanteil wie die Nummer zwei, Microsoft. Darum möchte Amazon jetzt den Strom für seine Rechenzentren absichern. Dazu gehört auch das Investment in ein kernkraftbetriebenes Rechenzentrum. Dieses hat Amazon Web Services in einem 650-Millionen-Deal inklusive Infrastruktur von Talen Energy erworben.
Es handelt sich um das sechstgrößte Kernkraftwerk in den USA. Die Susquehanna Steam Electric Station befindet sich im Nordosten von Pennsylvania, ist seit 1983 in Betrieb und produziert 63 Millionen Kilowattstunden pro Tag. Seine beiden Siedewasserreaktoren sind bis 2042 und 2044 genehmigt.
Der Amazon-Deal half Talen Energy aus einem seit 2022 laufenden Konkursverfahren heraus. Nach Abzug von Schulden, Zinsen und anderen Kosten hat Talen aus dem Geschäft mit Amazon einen Nettoerlös von 361 Millionen US-Dollar zu erwarten.
Aufwind für Kernenergie in den USA
Aber auch die Techkonkurrenz schläft nicht, wenn es darum geht, die Energieversorgung für das eigene Unternehmen zu sichern:
Bill Gates hat im Juni den Spatenstich für den Bau des ersten Kernreaktors der nächsten Generation in den Vereinigten Staaten getätigt. Das gemeinsame Projekt von TerraPower und dem Energieministerium sieht den Bau eines Natrium-Testreaktors in Kemmerer, Wyoming, bis 2030 vor. Bei dem Kernreaktorprojekt der vierten Generation wird flüssiges Salz als Kühlmittel und Brennstoffträger benutzt, was höhere Betriebstemperaturen zur Folge hat und zu höherer Sicherheit führen soll.
Die Silicon-Valley-Stars arbeiten aber nicht nur daran, durch die Sicherung ihrer eigenen Energiebedarfe die Nase vor der Konkurrenz zu behalten. Sie schließen sich auch zusammen, um das Thema Kernkraft in den USA gemeinsam voranzutreiben.
Duke Energy, dessen Portfolio elf Kernreaktoren in sechs Kraftwerken in Carolina umfasst, hat unter anderem mit Amazon, Google und Microsoft Vereinbarungen über eigene Tarife unterzeichnet, mit denen die Kosten für Investitionen in sogenannte saubere Energietechnologien wie neue Kernkraftwerke gesenkt werden sollen.
Der erhöhte Energiebedarf durch benötigte Rechenleistung für die Digitalisierung scheint die seit Jahren in den USA brachliegende Atomindustrie in den Fokus zu rücken. Obwohl die Vereinigten Staaten zu den Pionierländern bei der Entwicklung der kommerziellen Kernenergie gehören, wurde seit 1978 lediglich mit dem Bau von zwei Anlagen begonnen. Das war 2013.
In Europa sieht es anders aus: Während in Deutschland aktuell keine Kernkraftwerke mehr in Betrieb sind, schießen sie in den umliegenden Ländern wie Pilze aus dem Boden:
Frankreich setzt stark auf Kernenergie und hat Pläne zur Modernisierung und Erweiterung seiner bestehenden Kraftwerke. Derzeit sind 56 Reaktoren in Betrieb und ein weiterer ist im Bau. Auch Polen plant, in die Nutzung der Atomenergie einzusteigen. 2033 soll das erste Kernkraftwerk in Betrieb genommen werden. Bis 2043 sollen an zwei Standorten insgesamt sechs Blöcke mit einer Gesamtkapazität von sechs bis neun Gigawatt (GW) entstehen.
Die Niederlande haben ebenfalls Pläne, ihre Atomkraftkapazitäten zu erweitern. Auch Tschechien plant, den Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung zu erhöhen, und will damit seine Energieunabhängigkeit sicherstellen.
In Deutschland wurden am 15. April 2023 die letzten drei Kernkraftwerke abgeschaltet: Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Damit endete die Ära der Kernkraftnutzung zur Stromerzeugung in Deutschland.
In Europa werden mehr als 150 Atomreaktoren in 27 EU-Mitgliedstaaten betrieben.
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