Afghanistan: Roth warnt vor Flüchtlingsdruck auf Deutschland – Röttgen fordert Bundeswehreinsatz

Angesichts der Gebietsgewinne der militant-islamistischen Taliban verschlechtert sich die Sicherheitslage in Afghanistan zusehends. Deutschland sieht sich mit einem weiteren Flüchtlingsdruck konfrontiert.
Epoch Times14. August 2021

Der Vormarsch der Taliban in Afghanistan wird nach Ansicht des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), die Europäische Union und Deutschland mit einer stark steigenden Flüchtlingszahl konfrontieren. „Die Zahl der Geflüchteten hat bereits dramatisch zugenommen“, sagte Roth der in  Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Samstagsausgabe).

Roth führte aus, derzeit gebe es am Hindukusch 3,5 Millionen Binnenflüchtlinge, 400.000 allein in diesem Jahr. Der Druck werde nicht nur weiter „massiv“ auf die Türkei, Iran und Pakistan wachsen. „Ich bin mir sicher, dass der Migrationsdruck auf die EU und Deutschland aber auch zunehmen wird“, sage der Staatsminister.

Umso wichtiger sei es, dass das EU-Abkommen mit der Türkei zur Unterstützung der Flüchtlinge vor Ort schnell umgesetzt werde. So habe es bereits im Juni eine Überarbeitung des Abkommens gegeben.

Zugleich sagte Roth den Schutz deutscher Staatsbürger in Afghanistan zu. „Wir werden bis zum Ende des Monats ein bis zwei Charterflüge organisieren, um noch einmal eine größere Anzahl an Menschen nach Deutschland zu bringen“, sagte er der „Rheinischen Post“.

Grünen-Außenexperte Omid Nouripour warnte derweil davor, dass Afghanistan unter den Taliban wieder zu einem Rückzugsraum für  Terroristen wird. „Die einzige Bedingung, die die USA an ihren Abzug gestellt haben, war, dass die Taliban ihre Verbindungen mit dem Terror-Netzwerk Al-Kaida abbrechen“, sagte Nouripour der „Passauer Neuen Presse“ (Samstagsausgabe). „Das ist aber nicht passiert.“

Sollten die Taliban die Macht in Afghanistan übernehmen, stehe ihnen erst einmal ein Krieg mit dem Islamischen Staat (IS) bevor, ist der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion überzeugt. „Beide Gruppen haben sich bislang heftig bekämpft. Das Land wird jedenfalls nicht zur Ruhe kommen.“

Nouripour warnte, nach einer Machtübernahme der Taliban in Afghanistan bekomme auch das Terror-Netzwerk al-Kaida „wieder Oberwasser“. Dies hätte „Folgen für unsere Sicherheitslage“.

Röttgen: Bundeswehr und der Westen müssen einschreiten

Unterdessen fordert der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), ein Einschreiten des Westens und der Bundeswehr gegen die Taliban. „Man darf nicht dabei zuschauen, wie Menschen, die uns lange verbunden waren, von den Taliban abgeschlachtet werden, wie Mädchen und Frauen alle hart erkämpften Rechte wieder verlieren“, sagte Röttgen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Samstagsausgaben).

Tatenlosigkeit angesichts des Taliban-Vormarschs „wäre eine massive Selbstbeschädigung unserer Glaubwürdigkeit“, warnte Röttgen. „Nach 20 Jahren Einsatz zu sagen, das sei eine afghanische Angelegenheit, ist wirklich absurd und beschämend“, fügte der CDU-Politiker hinzu. Es gehe nicht darum, aus Afghanistan eine moderne Demokratie zu machen.

Röttgen betonte, dass er nicht dafür sei, den Truppenabzug aus Afghanistan rückgängig zu machen. „Trotzdem muss man der Offensive der Taliban jetzt etwas entgegensetzen, aus der Verantwortung nach 20 Jahren Einsatz heraus und aufgrund unserer eigenen Sicherheitsinteressen“, sagte er dem RND. „Es reicht nicht, dass wir immer nur amerikanische Entscheidungen abnicken.“

„Der einseitige und übereilte Abzug aus Afghanistan war ein Fehler“, urteilte Röttgen. Deutschland müsse dies „offen gegenüber den USA kommunizieren und darauf drängen, dass sie ihre bereits stattfindende Luftunterstützung der afghanischen Streitkräfte intensivieren“. „Das können wir aber nur dann fordern, wenn wir auch selbst bereit sind, etwas zu leisten“, mahnte der Außenpolitiker.

Habeck fordert verstärkten Einsatz der Bundesregierung

Grünen-Co-Chef Robert Habeck forderte mehr Einsatz der Bundesregierung für Menschen, die als Ortskräfte die Bundeswehr oder deutsche Ministerien in Afghanistan unterstützt haben. „Es braucht jetzt eine Luftbrücke, um diese Menschen aus Lebensgefahr zu bringen“, sagte Habeck der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstagsausgabe).

„Es ist unsere Pflicht, die Menschen vor den Taliban zu retten, die ihr Leben riskiert haben, um unseren Soldatinnen und Soldaten zu helfen“, hob der Grünen-Politiker hervor. „Das ist eine Frage von Treue. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen, die Zeit läuft.“

Habeck forderte, bei den Ortskräften auch solche Menschen mit einzubeziehen, die über Firmen, also nicht direkt für die Bundeswehr oder andere deutsche Institutionen gearbeitet haben. Schließlich interessierten sich die radikalislamischen Taliban für solche Vertragsverhältnisse „herzlich wenig“. Die Visa sollten Habecks Meinung nach bei der Ankunft erteilt und die Verfahren vereinfacht werden.

Seit Beginn des vollständigen Abzugs der Nato-Truppen aus Afghanistan haben die Taliban weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. In den vergangenen Tagen nahmen die Islamisten rund die Hälfte der 34 afghanischen Provinzhauptstädte ein, darunter zuletzt auch die zweitgrößte Stadt Kandahar. Am Freitag standen sie nach Eroberung der Provinzhauptstadt Pul-i-Alam nur noch 50 Kilometer vor Kabul. (afp/dts/oz)



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