Spitzen der EU warnen: „Europa ist momentan sehr zerbrechlich“ – Hohe Erwartungen an deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Am 1. Juli übernimmt Deutschland erstmals seit 13 Jahren wieder die EU-Ratspräsidentschaft.
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EU-Flaggen am Berlaymont-Gebäude, dem Hauptsitz der Europäischen Kommission in Brüssel.Foto: Zhang Cheng/XinHua/dpa/dpa
Epoch Times9. Mai 2020

In der Coronavirus-Krise haben die Spitzen der EU-Institutionen vor einer Schwächung der Europäischen Union gewarnt. „Europa ist momentan sehr zerbrechlich“, schreiben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Parlamentspräsident David Sassoli in einem Gastbeitrag für das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben). „Nur eine starke Europäische Union kann unser gemeinsames Erbe und die Wirtschaft unserer Mitgliedsstaaten beschützen“, betonen sie.

Von der Leyen, Michel und Sassoli fordern größere Anstrengungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen. „Wir werden mehr tun müssen, um das Leben der Ärmsten und Schwächsten in unserer Gesellschaft zu verbessern“, so die drei Präsidenten der wichtigsten EU-Institutionen: „Zu viele Menschen in Europa hatten es schon vor dieser Krise schwer, über die Runden zu kommen. Jetzt stehen weitere Millionen vor einer ungewissen Zukunft, nachdem sie ihren Arbeitsplatz oder ihr Unternehmen verloren haben.“ Besonders betroffen seien junge Menschen und Frauen. „Europa muss mutig sein und alles tun, was nötig ist, um Leben und Lebensgrundlagen zu schützen“, schreiben von der Leyen, Michel und Sassoli.

Die von der EU organisierte Geberkonferenz zur globalen Reaktion auf das Coronavirus, bei der 7,4 Milliarden Euro zur Entwicklung von Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostik eingesammelt wurden, sei ein Erfolg gewesen. „Dieser Erfolg zeigt, was wir erreichen können, wenn sich die Welt für eine gemeinsame Sache einsetzt. Wir müssen diese Mobilisierung aufrechterhalten.“ Europa könne dabei „eine entscheidende Rolle spielen“.

Nun müsse auch „Europas Wirtschaftsmotor wieder in Gang“ gebracht werden. Ein Ausweg aus der Krise erfordere neues politisches Denken und den Bruch mit der Vergangenheit. „Wir müssen anerkennen, dass wir neue Ideen und Werkzeuge für den Wiederaufbau brauchen werden.“ Der Wiederaufbau müsse sich an den Ratschlägen der Wissenschaft orientieren, damit die EU gesund und nachhaltig werde.

„Wir können den Kampf gegen den Klimawandel nicht aufschieben und müssen unsere wirtschaftliche Erholung auf den europäischen Green Deal aufbauen“, heißt es in dem Beitrag weiter. Die Spitzen der EU-Institutionen erinnern auch an die Nachkriegsgeneration: „Diese Menschen glaubten, dass aus den Trümmern des Krieges ein besseres Europa und eine bessere Welt entstehen könnten. Wenn wir unsere Lektionen lernen und solidarisch und geschlossen hinter unseren Werten stehen, dann wird Europa auch diesmal gestärkt aus der Krise hervorgehen.“

Verbraucherzentralen setzen Hoffnung in deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Die Bundesregierung soll nach dem Willen der Verbraucherzentralen die am 1. Juli beginnende deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um Verbraucher in der Coronakrise besser zu schützen. Eine „starke Verbraucherschutz-Agenda“ würde dem europäischen Projekt wieder neuen Schwung verleihen, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Als Lehre aus der Coronakrise fordern wir den Aufbau einer europäischen Medikamente- und Schutzgüterindustrie sowie massive Investitionen in digitale Infrastruktur und Innovationen.“

Verbraucherrechte dürften „auch in Krisenzeiten nicht geschliffen und geopfert werden“, so Müller und stellte der Bundesregierung in dieser Frage „ein eher gemischtes Zeugnis“ aus. Den von der Regierung geplanten Zwangsgutscheinen bei ausgefallenen Reisen habe die EU-Kommission zum Glück einen Riegel vorgeschoben. Die Verbraucherzentralen beobachteten mit Sorge, dass manche Wirtschaftsvertreter „in einen dreisten Wünsch-Dir-Was-Modus gewechselt sind, auf Kosten von Verbrauchern und der Allgemeinheit“, sagte Müller. Insbesondere die Reisebranche versuche, die Kosten der Krise „voll auf die Verbraucher abzuwälzen, indem sie Vorkasseleistungen ihrer Kunden bei ausgefallenen Reisen in Zwangskredite umwandeln möchte“.

Zu hohe Erwartungen

Michael Roth (SPD), Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, hat die Erwartungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte gedämpft. „Die Erwartungen sind natürlich viel zu hoch. Wir können in sechs Monaten nicht alles lösen, was teilweise seit Jahren ungelöst auf dem Tisch liegt“, sagte der SPD-Politiker dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben) in einem Video-Interview.

Roth betonte: „Aber alle können sich drauf verlassen: Wir strengen uns wirklich an, den Laden zusammenzuhalten.“

Die Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen binde derzeit viele Ressourcen in der EU. „Wir müssen ganz realistisch schauen: Die derzeitigen Arbeitskapazitäten der EU-Institutionen, vor allem auch des Rates, sind sehr beschränkt“, sagte Roth.

Die Bundesregierung wolle jedoch Impulse setzen, „damit die Europäische Union wirklich auch vorankommt“, versicherte er. Dies gelte für die Bereiche Klimaschutz, Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sowie des sozialen Zusammenhalts, aber auch für die Digitalisierung und eine bessere außenpolitische Abstimmung unter den EU-Mitgliedstaaten.

„Das alles ist nicht weniger wichtig geworden durch die Corona-Pandemie – im Gegenteil“, so Roth. Deutschland sei bereit, sich in dieser schwierigen Lage mit großem Einsatz einzubringen: „Wir helfen, wo wir können. Wir tun, was wir können“, sagte der SPD-Außenpolitiker dem RND.

Am 1. Juli übernimmt Deutschland erstmals seit 13 Jahren wieder die EU-Ratspräsidentschaft. Im Mittelpunkt der Präsidentschaft dürfte die mittelfristige Finanzplanung der EU unter dem Eindruck der Coronakrise stehen. (dpa/dts/sua)

 



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