Spionageverdacht: Vertrauensanwalt der deutschen Botschaft in Ankara festgenommen
Die Festnahme des Vertrauensanwalts der deutschen Botschaft in Ankara rückt einen alten Streit neu in den Fokus. Die Türkei ist schon lange erbost, dass Deutschland zahlreiche Anhänger der kurdischen PKK-Guerilla und der islamischen Gülen-Bewegung nicht ausliefert, die sie für den versuchten Militärputsch von Juli 2016 verantwortlich macht. Sie wirft ihrem Nato-Partner vor, „Terroristen“ und „Putschisten“ Zuflucht zu gewähren.
Die Verhaftung des Anwalts Yilmaz S. erfolgte vor diesem Hintergrund. Der Jurist hatte im Auftrag der Bundesregierung in der Türkei zu den Fällen türkischer Asylbewerber in Deutschland recherchiert. Seine Aufgabe war es zu überprüfen, ob sie in der Türkei verfolgt werden. Dafür hat er auch bei der Staatsanwaltschaft Einsicht in Akten genommen, um zu sehen, ob gegen die Antragsteller Strafverfahren anhängig sind.
Die türkischen Behörden werfen Yilmaz S. nun Spionage vor. Das Auswärtige Amt erklärt hingegen, seine Tätigkeit sei „europaweit eine gängige Praxis“. Er habe lediglich „international übliche“ und „unstrittig zulässige Unterstützung“ geleistet, hieß es. Allerdings ist umstritten, ob der Anwalt nach türkischem Recht tatsächlich im Auftrag eines anderen Staates Einsicht in Akten der Staatsanwaltschaft nehmen durfte.
Asylbewerber in Deutschland gewarnt
Es wird befürchtet, dass durch die Festnahme des Anwalts die Dossiers von 200 Asylbewerbern in die Hände der türkischen Behörden geraten sind. Die Asylbewerber werden nun von den deutschen Sicherheitsbehörden vor einer möglichen Gefährdung durch den türkischen Geheimdienst MIT gewarnt. Türkische Migranten in Deutschland klagen schon lange über Bespitzelung und Verfolgung durch türkische Behörden.
Infolge der verschärften Repression in der Türkei seit dem Putschversuch sind tausende Türken nach Deutschland geflohen. Unter ihnen sind Intellektuelle wie Asli Erdogan, Journalisten wie Can Dündar und andere verfolgte Oppositionelle, Wissenschaftler und Aktivisten. Nicht nur sie werfen der islamisch-konservativen Regierung von Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor, mit aller Härte gegen Kritiker des Staatschefs vorzugehen und Regierungsgegner willkürlich zu inhaftieren.
Gülen-Bewegung in Deutschland
Die Regierung in Ankara wiederum erhebt gegenüber vielen Asylbewerbern in Deutschland den Vorwurf, Verbindungen zur islamischen Gülen-Bewegung zu haben, die seit dem Zerwürfnis mit Erdogan in der Türkei als „Terrororganisation“ eingestuft ist. Nach Angaben der Gülen-Bewegung in Deutschland haben seit 2016 knapp 20.000 ihrer Anhänger in der Bundesrepublik Zuflucht gesucht.
Die türkische Seite vermutet, dass sich darunter auch die ehemaligen Staatsanwälte Zekeriya Öz und Calal Kara befinden, die eine umstrittene Rolle bei Ermittlungen gegen das Umfeld Erdogans spielten. Auch den mutmaßlichen Putschistenführer Adil Öksüz vermutet Ankara in Deutschland.
Sein Name ist unter dutzenden Verdächtigen, deren Auslieferung die Türkei von der Bundesregierung fordert. Ebenfalls gesucht werden türkische Offiziere bei der Nato, die nach dem Putschversuch Asyl beantragten, sowie mutmaßliche Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Türkei wirft Berlin schon lange vor, nicht hart genug gegen die Gruppe vorzugehen, die auch in Deutschland verboten ist.
Laut Verfassungsschutz ist die PKK weiterhin die „schlagkräftigste“ ausländische Extremistengruppe in Deutschland. Demnach nutzt die PKK Deutschland vor allem für Propaganda, zum Einwerben von Spenden und zur Rekrutierung neuer Mitglieder. Erdogan behauptet seit Jahren, er habe Berlin die Dossiers von 4500 gesuchten PKK-Mitgliedern ausgehändigt. Die Bundesregierung versichert, nie eine solche Zahl von Akten erhalten zu haben. (afp)
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