Spannungen an der polnisch-belarussischen Grenze nehmen zu

Polens Regierung verschärft seinen Grenzschutz. Die Armee mobilisiert 10.000 Soldaten. Ein Teil der Bevölkerung ist auch besorgt über die Anwesenheit der Wagner-Gruppe in der Nähe des Landes.
Titelbild
Die belarussische Armee hat kürzlich eine Militärübung mit den Wagner-Söldnern entlang der polnischen Grenze abgehalten. Das Bild zeigt eine Einheit der belarussischen Armee in Slonim July 3, 2022.Foto: iStock
Von 11. August 2023

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Die polnische Regierung sieht sich mit angrenzenden Militärübungen in Belarus konfrontiert. Gleichzeitig steigt der Druck wegen zunehmender Migration aus Osten. In den vergangenen Wochen sind zudem noch Soldaten der Wagner-Söldnergruppe in der Nähe der Grenze aufgetaucht. All dies wird als eine Entwicklung gesehen, die für Premierminister Mateusz Morawiecki darauf abzielt, die Lage an der Ostflanke der NATO zu destabilisieren.

Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak hat deswegen am 10. August beschlossen, die Zahl der polnischen Soldaten an der Grenze mehrfach zu erhöhen. Seiner Entscheidung nach soll die polnisch-belarussische Grenze so weit wie möglich verstärkt werden. Eine ständige Präsenz von 4.000 Soldaten und 6.000 Ersatztruppen wird die Verteidigung unterstützen.

Die Lage sei jedoch für die polnische Regierung nicht neu, erklärte der Minister. Bereits 2021 wurde eine Attacke auf die Grenze erwartet, und im November 2021 gab es tatsächlich einen Angriff auf die polnische Staatsgrenze. „Es ist uns gelungen, die Außengrenze zu halten“, sagte Błaszczak gegenüber Nachrichtenagentur PAP.

Auch deshalb meint die Staatsführung, dass die aktuellen Vorbereitungen zügig verwirklicht werden sollten. „Aus diesem Grund haben wir bereits im Sommer mit dem Bau einer temporären Barriere begonnen“, so der Minister.

Belarus habe einen „Schmuggeldienst anstelle eines Grenzschutzes“

Bei der derzeitigen Migrationskrise in Polen wird aus polnischer Seite vor allem die Nachlässigkeit der belarussischen Grenzpolizei kritisiert. An einer Pressekonferenz am 9. August verwies der stellvertretende Innenminister Maciej Wąsik auf die Gründe der Krise. Ihm zufolge sei es „eine Tatsache, dass alle Versuche, die Grenze zu überqueren, derzeit von den belarussischen Diensten organisiert werden“.

Wąsik sagt:

Wenn es auf der anderen Seite der Grenze einen echten Grenzschutz gäbe und nicht einen Schmuggeldienst, würden die Grenzübertritte gar nicht stattfinden.“

Schmuggler und belarussische uniformierte Dienste schleusen Polens Regierung zufolge Menschen aus bis zu 40 Ländern ein. „Dann helfen sie ihnen, die Grenze illegal zu überqueren“, so der Politiker.

Konkret wirft die polnische Regierung den belarussischen Beamten vor, dass sie direkt mitwirken, die Grenzsperren zu beschädigen. „Sie versuchen, die vertikalen Elemente mit Elektrowerkzeugen zu zerschneiden“, sagte der Sprecher. Außerdem seien die polnischen Beamten oft Opfer von Aggressionen:

Manchmal werfen sie Flaschen, Steine und Äste auf unsere Beamten.“

Wagner-Söldner an der Grenze

Ende Juli hielten die belarussische Armee und die russische Söldnerorganisation Wagner eine viertägige gemeinsame Übung in Brest (nahe der polnischen Grenze) ab. Den Übungen ging die Ankunft von mehr als hundert Fahrzeugen mit russischen Flaggen und Wagner-Abzeichen in Belarus voraus. Die Wagner-Truppen sind in der jüngsten Zeit verstärkt im Belarus eingetroffen und weckten das Misstrauen der polnischen Führung.

Das belarussische Verteidigungsministerium hingegen behaupte, dass die Übungen rein für taktische Trainingszwecke seien. Dabei seien „die Erfahrungen der Wagners unschätzbar wertvoll“ für die Soldaten in Belarus. Der Zweck dieser Übung sei „die Kampferfahrung der Wagner-Soldaten zu überliefern“, dazu gehören „das Zusammenspiel verschiedener Waffentypen während eines Angriffs, der Einsatz von Drohnen, Tarnung und Spähen“.

Polen hat jedoch erklärt, dass es von den Wagner-Soldaten dauerhafte Provokationen an seiner Ostgrenze befürchtet. Das Warschauer Verteidigungsministerium erklärte, die Situation „genau zu beobachten und auf verschiedene Szenarien vorbereitet zu sein“.

Mehrere Führungskräfte der NATO haben als Reaktion auf die erneute Stationierung der privaten Militärgruppe eine Verstärkung der Ostflanke des Bündnisses gefordert, so „euronews“. Als Reaktion auf eine vorausgesehene Bedrohung durch die Wagner-Söldner in Belarus plant auch der litauische staatliche Grenzschutz, mehr Beamte an die Grenze zu Belarus zu entsenden.

Belarus auf der politischen Weltkarte, mitteleuropäische Region. Foto: iStock

Die Angst der polnischen Bevölkerung

Es wurde eine Umfrage unter den Polen durchgeführt, ob sie ihre Sicherheit durch die Nähe der Wagner-Gruppe bedroht sehen. Der Auftrag für die Umfrage kam von der polnischen Nachrichtenseite IBRiS Rzeczpospolita. Laut den Ergebnissen ist die Öffentlichkeit in dieser Frage eher gespalten.

Mehr als die Hälfte der Befragten sind der Meinung, dass „die Wagners in Belarus eine Bedrohung für die Sicherheit Polens darstellen“: 50,6 Prozent. Davon stimmen 28,2 Prozent von ihnen voll und ganz zu und 22,4 Prozent mit „eher ja“. Insgesamt 36,1 Prozent sehen keine Bedrohung. Darunter 22,1 Prozent „eher nicht“ und 14 Prozent „definitiv nicht“.

Bei der Umfrage wurden 1.100 Menschen befragt und auf der polnischen IBRiS Rzeczpospolita wird nichts zur Repräsentativität gesagt.

Eine ähnliche Befragung wurde vom investigativen Dienst von „Al Jazeera“ in Polen durchgeführt. Unter den zufällig befragten Menschen wurden nur wenige Befürchtungen festgestellt. „Vor allem in städtischen Gebieten reagierten die meisten Menschen mit scheinbarer Gleichgültigkeit auf Wagners Anwesenheit“, schreiben sie. Einige sagten Al Jazeera, dass sie „trotz der Erklärungen der polnischen Führung das Gefühl haben, dass die Gruppe kaum eine realistische Bedrohung für Polens Sicherheit darstellt“, schreiben die Korrespondenten.

Michal Piekarski, Assistenzprofessor in der Abteilung für Sicherheitsstudien am Institut für Internationale Studien an der Universität Breslau, sagte im Interview mit der Nachrichtenagentur: „Ich würde sie nicht als ernsthafte Bedrohung bezeichnen“. Und weiter: „Sie sind ein Problem, sie sind eine Bedrohung, aber sie sind nicht die größte potenzielle Bedrohung, wenn es um unsere Sicherheit geht. Russland als Staat ist ein größeres Problem für uns.“

Gleichzeitig erklärte Piekarski, dass es eine reale Möglichkeit gibt, dass Wagner im Zusammenhang mit der Migrationskrise Provokationen in Grenznähe oder sogar auf polnischem Gebiet durchführen könnte. Dennoch schloss er die Möglichkeit eines offenen Konflikts aus.



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