Misstrauensvotum am 1. Juni gegen die spanische Regierung – Regierungschef schließt Rücktritt aus
„Ich habe ein Mandat der Bürger“, sagte Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy und schließt angesichts der Korruptionsaffäre um seine regierende Volkspartei (PP) einen Rücktritt aus. Dies sagte er am Mittwoch im spanischen Parlament in Madrid – zwei Tage vor einem geplanten Misstrauensvotum gegen seine Regierung. Er habe die Absicht, diesen Auftrag bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2020 zu erfüllen, erklärte Rajoy.
Spaniens Parlament soll am Freitag über einen Misstrauensantrag der oppositionellen Sozialdemokraten abstimmen. Die PSOE hatte am Freitag nach Gerichtsurteilen in der Bestechungsaffäre um die regierende Volkspartei (PP) den Antrag auf das Misstrauensvotum ins Parlament eingebracht.
29 Angeklagte, darunter ehemalige Führungskader der PP wurden wegen Korruption, Unterschlagung, Geldwäsche und illegaler Bereicherung zu insgesamt 351 Jahren Gefängnis verurteilt.
Das Urteil richte sich weder gegen die spanische Regierung, noch gegen die PP, erklärte Rajoy. Der PSOE warf er „Erpressung“ vor. „Wir werden sehen, wer sich auf Erpressung einlässt“, sagte er am Mittwoch an die Parlamentsabgeordneten gerichtet.
Die Sozialdemokraten können für das Misstrauensvotum mit den Stimmen der Linkspartei Podemos rechnen. Für die notwendige Mehrheit im 350 Abgeordnete umfassenden Parlament müssen sie aber auch die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter und die baskischen Nationalisten überzeugen.
Druck bekommt der Regierungschef allerdings auch von seinen Verbündeten. Die liberale Oppositionspartei Ciudadanos, welche die Regierung Rajoy bisher unterstützte, will den Misstrauensantrag zwar nicht unterstützen, drängt den Ministerpräsidenten aber zum Rücktritt. Ciudadanos spekuliert auf Neuwahlen. In einigen Umfragen liegt die Partei inzwischen vor der PP.
Drei mögliche Szenarien in Spanien
MISSTRAUENSVOTUM
Die oppositionelle sozialdemokratische Partei PSOE hat ein Misstrauensvotum gegen Rajoy beantragt, über welches das Parlament ab Donnerstag beraten will. Für ein erfolgreiches Votum ist eine absolute Mehrheit von 176 Stimmen notwendig, die schwer zu erreichen sein dürfte.
Die PSOE hat nur 84 der 350 Sitze im Parlament. Bislang kann PSOE-Chef Pedro Sánchez, der Rajoy ablösen will, zusätzlich nur auf die 67 Stimmen der Linkspartei zählen. Die liberale Partei Ciudadanos, die bislang Rajoys konservative Minderheitsregierung unterstützte, hat kein Interesse, den Sozialdemokraten an die Macht zu verhelfen.
Sánchez ist deshalb auf die kleinen Regionalparteien angewiesen, allen voran die baskischen Nationalisten und die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter – also genau jene, gegen welche die PSOE gemeinsam mit Rajoys PP Front gemacht hat.
Der neue katalanische Regionalpräsident Quim Torra hat bereits einen Preis für die Unterstützung seines Lagers gefordert: Die Freilassung inhaftierter Unabhängigkeitsbefürworter, was allerdings nicht in der Hand der Politik, sondern der Justiz liegt.
Scheitert die Misstrauensabstimmung, kann Rajoy weiter regieren. „Aber seine Regierung wird dann nicht mehr in der Lage sein, Gesetze durchzubringen und in der zweiten Jahreshälfte wird es weitere Versuche geben, ihn zu stürzen“, sagt Antiono Barroso von der Beratungsfirma Teneo Intelligence. Die Initiative der Sozialdemokraten ist der vierte Misstrauensantrag seit der Rückkehr Spaniens zur Demokratie 1977. Keiner war bisher erfolgreich.
INSTABILE REGIERUNG SANCHEZ
Sollte es der PSOE gelingen, eine Mehrheit gegen Rajoy zusammenzubekommen, werde sie mit dieser nicht regieren können, warnt der Kolumnist Ignacio Varela. Nach „einigen Monaten“ im Amt werde Sánchez Neuwahlen ausrufen, sagte Parteisprecherin Carmen Calvo.
Diese Zeit wolle die PSOE nutzen, um die Gehälter und Renten zu erhöhen und das Bildungsangebot zu verbessern. Auf diese Weise will die Partei bei Neuwahlen Stimmen gewinnen. Bei der Wahl 2016 hatte sie ihr bislang schlechtestes Ergebnis eingefahren.
SOFORTIGE NEUWAHLEN
Die Partei Ciudadanos fordert sofortige Neuwahlen und hat Rajoy die bisherige Unterstützung aufgekündigt. Parteichef Albert Rivera möchte einen „geordneten Abgang“ des Regierungschefs aushandeln und die Wahl bis zum Herbst organisieren. Sollte Rajoy dazu nicht bereit sein, komme „Plan B“ zum Einsatz: ein neues Misstrauensvotum, bei dem sich ein „unabhängiger Kandidat“ als Alternative anbietet. In einigen Umfragen liegt Ciudadanos inzwischen vor der PP. (afp)
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