Sozialdemokraten und Grüne für „Brandmauer“ gegen neue Fraktion Patrioten für Europa

Führende Abgeordnete von Sozialdemokraten und Grünen haben angesichts der Gründung der Fraktion Patrioten für Europa eine Brandmauer gegen diese gefordert. Analysten rechnen damit, dass der Einfluss der Rechten dennoch wachsen wird – und es werde für sie leichter, Vorhaben zu blockieren.
Titelbild
EU-Parlament in Straßburg.Foto: Sebastien Bozon/AFP via Getty Images
Von 9. Juli 2024

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Die Gründung der Fraktion Patrioten für Europa und deren zeitnahes Anwachsen auf 84 Sitze hat EU-weit Aufmerksamkeit hervorgerufen. Mit dieser Mannschaftsstärke ist die Fraktion, die Abgeordnete aus 14 Parteien und zwölf Mitgliedstaaten vereinigt, auf Anhieb drittstärkste Kraft im EU-Parlament.

Vor allem aus den Reihen der Sozialdemokraten und Grünen gibt es bereits Rufe nach einer „Brandmauer“ gegen die neue Formation auf EU-Ebene. Grünen-Fraktionschefin Terry Reintke nahm Anstoß an deren reservierter Haltung bezüglich einer stärkeren EU-Integration sowie deren offener Position gegenüber Friedensverhandlungen mit Russland. Auch SPE-Politikerin Katarina Barley erklärte:

„Die Orbán-Fraktion muss im Europäischen Parlament isoliert dastehen.“

SPE und Grüne fordern Brandmauer gegen Patrioten für Europa

Die neue Fraktion soll nach dem Willen der Politikerinnen keine Ausschussvorsitzenden und keine sonstigen offiziellen Positionen zugedacht bekommen. Reintke warnt vor Möglichkeiten für die Fraktion, „Europa zu blockieren“ und beispielsweise Ukraine-Hilfen zu verzögern. Die Patrioten für Europa haben unterdessen bereits jetzt Anspruch auf die Ausschüsse für Kultur und Bildung sowie für Transport angemeldet.

Piotr Maciej Kaczyński vom Think-Tank Geremek Foundation in Warschau erwartet in einem Beitrag für „Balkan Insight“, dass zwar die linken Parteien und möglicherweise auch die EVP einen solchen „Cordon sanitaire“ gegen die Patrioten für Europa hochziehen, die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) würden dies hingegen nicht tun. Inhaltlich seien in vielen Bereichen die Grenzen zwischen beiden Fraktionen fließend.

Ursprünglich sei sogar eine mögliche Aufnahme der Fidesz in die EKR unter Führung von Giorgia Meloni im Gespräch gewesen. Als diese jedoch die stark anti-ungarisch ausgerichtete rumänische Rechtspartei AUR dort aufgenommen habe, habe Orbáns Partei die Gespräche abgebrochen. Fidesz-MdEP Máté Kocsis äußerte dazu:

Fidesz wird nie eine Fraktion mit einer solchen Partei im Europäischen Parlament teilen. Das ist nicht verhandelbar.“

Polnische PiS soll sich zumindest temporär für neue Fraktion interessiert haben

Aus Sicht der EVP sei, so deutet es Kaczyński an, die EKR die „demokratische“ Kraft unter den Rechtsfraktionen. Dort werde ein starker Wert darauf gelegt, pro-amerikanisch und pro-ukrainisch zu sein. Bei den Patrioten für Europa seien solche Fragen nebensächlich. Zudem sei die EKR mehrheitlich bereit, Ursula von der Leyen ein weiteres Mal zur EU-Kommissionspräsidentin zu wählen. Orbán und die Patrioten für Europa seien dies nicht.

Überraschend sei dennoch, dass Polens früherer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki noch vor Kurzem von einer „50:50-Chance“ gesprochen hatte, dass sich die PiS der neuen Fraktion anschließen könnte. Am Ende hätten sich die 20 Abgeordneten jedoch dafür entschieden, in der EKR zu bleiben.

Unterdessen rechnet der Analyst damit, dass sich auch die sechs Abgeordneten der polnischen Konföderationspartei (Konföderation der Freiheit und Unabhängigkeit, kurz: Konfederacja) den Patrioten für Europa zugesellen werden. Dagegen spricht der Umstand, dass mindestens einer der neu gewählten Abgeordneten dieser Partei mehrfach in Antisemitismus-Skandale verwickelt war. Auch hält Kaczyński den Status der AfD-Abgeordneten im EU-Parlament noch nicht für endgültig geklärt.

Der aus der AfD-Delegation ausgeschlossene Abgeordnete Maximilian Krah hält eine erneute Fraktionszugehörigkeit seiner Kollegen hingegen für verfrüht. Er setzt eher auf ein Zusammenwirken mit den übrigen fraktionslosen Abgeordneten aus Bulgarien, der Slowakei, Polen oder Griechenland.

„Revolutionäre Kräfte“, die einen „konservativen Radikalismus“ verkörpern

Auf „Euractivbezweifelt der Analyst Federico Reho, dass die neue Gruppe „tatsächlich hilfreich ist bei der Förderung konservativer Werte in der EU“. Die dortigen Abgeordneten strebten eine Umwälzung des bestehenden euro-atlantischen Rahmengefüges an und verkörperten konservativen Radikalismus. Obwohl sie einige konservative Elemente aufwiesen, seien sie „revolutionäre Kräfte“.

Dieser sei jedoch riskant für traditionelle Konservative in unterschiedlichen Gruppen, erklärt Reho, der für den Think-Tank Wilfried Martens Centre for European Studies tätig ist:

„Wenn konservative politische und soziale Werte fest mit nationalistischen, euroskeptischen und anti-systemischen Kräften identifiziert werden, wird es für traditionelle Konservative noch schwieriger, diese innerhalb des EU-Gefüges zu stärken.“

Traditionelle Konservative, so Reho, sollten sich stärker vernetzen. Allerdings sollten sie sich den „gefährlichen Sirenengesängen des konservativen Radikalismus widersetzen“. Von dieser Perspektive sei es bemerkenswert, dass nur die spanische Vox von der EKR zu den „Patrioten“ gewechselt sei.

Blockade von Vorhaben durch Patrioten für Europa und EKR wird einfacher

Lorenzo Castellani von der LUISS Guido Carli Universität in Rom sieht den potenziellen Einfluss der Patrioten für Europa im EU-Parlament als begrenzt an. Die Pro-EU-Mehrheit könne Entscheidungen immer noch unabhängig im EU-Parlament und im EU-Rat treffen. Gegenüber „Euractiv“ äußerte er:

„Abgesehen von Orbán und teilweise Wilders durch die niederländische Regierung, die auch durch Renew vertreten ist, scheint es nicht so, als ob sie eine bedeutende Vertretung hätten.“

Es werde weiterhin die ganz große Koalition aus EVP, Sozialdemokraten und Liberalen geben. Allerdings könnten EKR und Patrioten für Europa die Entscheidungsfindung in der EVP teilweise beeinflussen. Dies gelte vor allem für Themenbereiche wie Klima oder Migration:

„Sie könnten bestimmte Maßnahmen blockieren, dagegen stimmen und die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten und den Liberalen erschweren.“



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