Slowakei will öffentlich-rechtlichen Rundfunk auflösen: Jede Nacht Nationalhymne
Am Donnerstag, 25. April, haben Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Senders RTVS in der Slowakei Schwarz getragen. Sie wollten damit gegen die Pläne der Regierung unter Premierminister Robert Fico protestieren, den Sender neu aufzusetzen – inklusive eines neuen Namens und einer neuen Struktur.
Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) wirft dem linkspopulistischen Regierungschef vor, er wolle diesen „unter seine Kontrolle bringen“. Das Kabinett hält die Maßnahmen hingegen für einen Akt der Objektivierung und der Rückbindung an die Beitragszahler.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Slowakei finanziert sich teilweise durch Werbung sowie Haushaltszuschüsse und teilweise durch Pflichtbeiträge von Elektrizitätskunden und Unternehmen mit mindestens drei Mitarbeitern.
„Slowakei zu bloßer Region degradiert“
Im Juni soll das Parlament darüber entscheiden, ob aus dem „Radio und Fernsehen der Slowakei“ (RTVS) das „Slowakische Fernsehen und Radio“ (STVR) werden soll.
Kulturministerin Martina Šimkovičová von der rechtsnationalen SNS meint, der derzeitige Name „degradiert die Nation zu einer Region“. Zu den Merkmalen des neuen Senders soll es gehören, jede Nacht im Radio und Fernsehen die Nationalhymne zu spielen.
Fico erklärte, eine Reform sei erforderlich, da der Sender politisch gegen die Parteien der derzeitigen Regierungskoalition voreingenommen sei. Neben seiner Partei Smer („Richtung“) und der SNS gehört dieser noch die Hlas („Stimme“) an. Sowohl bei Smer als auch bei Hlas handelt es sich um sozialdemokratische Parteien.
In der Slowakei hatte sich jedoch schon in der Ära des Premiers Vladimír Mečiar in den 1990er-Jahren eine in westeuropäischen Ländern weitgehend unbekannte populistische Note der Sozialdemokratie herauskristallisiert. Diese lässt sich am ehesten mit einer politischen Linie vergleichen, wie sie in Deutschland Oskar Lafontaine und in Frankreich Jean-Luc Mélenchon vertreten oder wie sie die Linke in vielen lateinamerikanischen Ländern vertritt.
Fico im Visier der Werte-Europäer
Neben der Führung des derzeitigen Generaldirektors Ľuboš Machaj und der scheidenden Staatspräsidentin Zuzana Čaputová gehört auch die Europäische Rundfunkunion (EBU) zu den Kritikern des Vorhabens. Machaj hätte noch einen bis 2027 laufenden Vertrag – die Auflösung des bestehenden Senders plus anschließender Neugründung hebelt diesen aus.
Der EBU gehören auch ARD und ZDF an. In dem Dachverband wie auch in Brüssel bei Werte-Kommissarin Věra Jourová wittert man bereits einen Angriff auf die Unabhängigkeit des Rundfunks. In Bratislava ist man bereits auf Gegenwind aus Brüssel vorbereitet. Dem Kabinett kommt es dabei entgegen, dass auch die seit Oktober 2023 amtierende Mitte-links-Regierung in Polen den bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk komplett umstrukturiert. Besorgte Reaktionen aus Brüssel gibt es diesbezüglich noch nicht.
Die Regierung Fico ebenso wie der jüngst gewählte Präsident Peter Pellegrini von Hlas gehören für mächtige Akteure in der EU schon jetzt zu den Feindbildern. So auch in Deutschland, wo CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen die Slowakei aufgefordert hatte, die EU zu verlassen. Grünen-Politiker Anton Hofreiter will EU-Mittel streichen. Grund dafür ist, dass Pellegrini und Fico zu den Kritikern einer Kriegsverlängerung durch Waffenlieferungen in der Ukraine gehören.
Bürger in der Slowakei von Konservativen enttäuscht
Wie er bereits im Wahlkampf versprochen hatte, will Fico auch die Justiz reformieren. Unter anderem will er die Sonderstaatsanwaltschaft für Korruption auflösen, die im Zusammenhang mit dem Mord an dem Journalisten Ján Kuciak gebildet wurde. Im Jahr 2018 zerbrach das damalige Kabinett Fico daran. Kuciak hatte einige Verbindungen in der Slowakei operierender italienischer Mafiabanden zu Politikern aus dem Regierungsumfeld offengelegt.
Fico wurde abgelöst durch eine von den Konservativen unter Igor Matovič geführte Fünfparteienkoalition. Angetreten mit dem Anspruch, den „Anstand“ in die Politik zurückzubringen, war sie selbst schon bald in Skandale verwickelt – beispielsweise Plagiatsvorwürfe gegen den Regierungschef selbst. Die Corona-Politik des Kabinetts war ebenso höchst unpopulär. Auch das trug dazu bei, dass mehrere radikal nationalistische Parteien zu teils erheblichen Wahlerfolgen kamen.
Selbst Experten, die nicht den Sozialdemokraten nahestanden, wie Eduard Burda von der Comenius-Universität in Bratislava, werfen den Konservativen Machtmissbrauch vor. Sie setzten einen deklarierten Fico-Gegner an die Spitze der Sonderstaatsanwaltschaft.
In weiterer Folge kam es zu Anklagen und teils drakonischen Strafen gegen einige seiner Gefolgsleute – die den Eindruck einer politischen Justiz nährten. Am Ende verhalf auch das der Smer zum Wiederaufstieg.
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