Slowakei: Mordanschlag auf Premier Fico – Zustand „lebensbedrohlich“

In der Slowakei ist Premierminister Robert Fico nach einer Regierungssitzung in der Provinz angeschossen worden. Er befindet sich in einem Krankenhaus, sein Zustand ist kritisch. Als Tatverdächtiger verhaftet wurde ein 71-jähriger Schriftsteller, der durch wirre politische Aussagen auffiel.
Der slowakische Regierungschef Robert Fico ist angeschossen worden (Archivbild).
Der slowakische Regierungschef Robert Fico ist angeschossen worden (Archivbild).Foto: Jaroslav Novák/TASR/dpa
Von 15. Mai 2024

Der slowakische Premierminister Robert Fico ist am Mittwoch, 15. Mai, zum Opfer eines Mordanschlags geworden. Im Anschluss an eine Regierungssitzung in Handlová in der Region Trenčín wurde der Regierungschef der Slowakei von mehreren Schüssen aus einer kurzen Schrotpistole getroffen. Die Schüsse sollen Fico in Arme, Beine und Bauch getroffen haben. Ein Hubschrauber brachte ihn in ein Krankenhaus in Banská Bystrica. Der Premier befindet sich in einem lebensbedrohlichen Zustand.

Schütze hatte sich in Fico zujubelnde Menge gemischt

Wie der „Slovak Spectator“ schreibt, hatte sich eine Menge von Anhängern außerhalb des Gebäudes versammelt. Diese jubelte Fico zu, einige davon wollten seine Hand schütteln oder Selfies mit ihm anfertigen.

Nach mehreren Schüssen aus der Menge heraus, Tatzeugen sprechen von drei bis vier, stürzte der Premierminister zu Boden. In einer Mitteilung auf seiner Facebook-Seite hieß es:

„Heute wurde Robert Fico zum Opfer eines Mordanschlags. Er wurde mehrfach verwundet und befindet sich in einem lebensbedrohlichen Zustand.“

Kurz nach den Schüssen gelang es Sicherheitskräften, den mutmaßlichen Schützen festzunehmen.

Progressiver, Rechtsextremer oder Wirrkopf?

Als Tatverdächtiger wurde der 71-jährige Schriftsteller Juraj Cintula verhaftet. Wie „Plus 7 Dni“ berichtet, soll er die Waffe legal besessen haben. Cintula habe Fico „Robo, komm her“ zugerufen und den Eindruck erweckt, er wolle ihm die Hand schütteln. Wenig später ertönten die Schüsse.

Der 71-Jährige hatte im 80 Kilometer vom Tatort entfernten Levice zu den Gründern des „Literaturvereins Regenbogen“ („Literárny klub DÚHA“) gehört und Gedichte unter anderem über den Tod geschrieben. Der Verein hat 23 Mitglieder. Im Jahr 2016 soll er als Wachmann in einer Kaufhalle angegriffen worden sein. Im selben Jahr habe er auf einer Petitionsplattform zur Gründung einer Partei „Gegen Gewalt“ aufgerufen.

Die Plattform „pink.rs“ schreibt, bei Cintula handele es sich um einen Anhänger der oppositionellen „Progressiven Slowakei“. Die linksliberale Partei hatte bei den Parlamentswahlen mit 18 Prozent der Stimmen den zweiten Platz belegt. Weniger progressiv muten hingegen seine eigenen Schriften an – worauf Mitglieder des Kulturvereins hinweisen, die auf ihrer Facebook-Seite bereits als „liberale Faschisten“ bezeichnet werden.

Im Jahr 2015 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel „Efata“. Im Einleitungstext werden Roma, die in der Slowakei mit 520.000 Angehörigen zehn Prozent der Bevölkerung stellen, als „dreiste Zigeuner“ bezeichnet. Diese „wissen, wie man die Sozialsysteme der Länder nutzt“. Sie stünden „in der Gunst der Weißen, aber sie werden es uns nicht sagen“, heißt es dort weiter – und: „Seien wir streng und fair mit ihnen“. In einer kurzen Äußerung nach seiner Festnahme vor Kameras erklärte er, er sei „nicht zufrieden mit der Regierungspolitik“ und nannte explizit die geplante Medienreform.

Smer-Abgeordneter zur Opposition: „Ihr seid verantwortlich“

Im Parlament wurde in Anbetracht des Attentats die Sitzung unterbrochen. Am Mittwoch sollte über die geplante Rundfunkreform in der Slowakei debattiert werden. Der Abgeordnete von Ficos regierender Partei Smer-SD richtete an die Opposition die Anschuldigung: „Das habt ihr zu verantworten.“

Die scheidende Präsidentin Zuzana Čaputová sprach von einem „brutalen und rücksichtslosen Angriff“. Sie erklärte:

„Ich bin schockiert. Ich wünsche Robert Fico in diesem kritischen Moment alle Kraft, um sich von dem Angriff zu erholen.“

Der gewählte Präsident Peter Pellegrini zeigte sich „entsetzt“ darüber, was „aus Hass auf eine politische Meinung“ entstehen könne. Das Attentat bedrohe alles, was die Slowakei sich in 31 Jahren der Souveränität gemeinsam aufgebaut habe.

Generalstaatsanwalt der Slowakei: Angriff auf Fico ist „Angriff auf Staatlichkeit“

Der Vorsitzende der Progressiven Slowakei, Michal Šimečka, äußerte sich „schockiert und entsetzt“ über die Schießerei. Er fügte hinzu:

„Wir verurteilen unmissverständlich und aufs Schärfste jede Gewalt. Wir sind zuversichtlich, dass es Ministerpräsident Fico gut gehen wird und diese schreckliche Tat so schnell wie möglich aufgeklärt wird.“

Generalstaatsanwalt Maroš Žilina kündigte an, dass die Strafverfolgungsbehörden alle Schritte unternehmen würden, um sicherzustellen, dass der Täter kompromisslos und fair bestraft werde. Der Anschlag sei „ein Ausdruck des Hasses, ein Ausdruck eines Angriffs nicht nur auf eine Person, sondern auch auf einen Premierminister, auch auf das Wesen der Staatlichkeit“.

Der Mordanschlag löste auch international Bestürzung aus. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich auf X „erschüttert“ über den „feigen Anschlag“ auf Fico und erklärt:

„Gewalt darf keinen Platz in der europäischen Politik haben. In diesen Stunden sind meine Gedanken bei Robert Fico, den Angehörigen und den Bürgerinnen und Bürgern der Slowakei.“

Von der Leyen: „Abscheulicher Angriff“ – Habeck: „Verbal abrüsten“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von Leyen hat den Angriff als „abscheulich“ verurteilt. Sie erklärte auf X, Gewalttaten dieser Art „haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und untergraben die Demokratie, unser höchstes gemeinsames Gut“.

Vizekanzler Robert Habeck wünschte Fico in einer Rede im Bundestag am Mittwoch „gute Besserung“. Er mahnte zur verbalen Abrüstung und äußerte, diejenigen, die sich „dem demokratischen Spektrum zugehörig“ fühlten, sollten ihre Worte „sorgsam wägen“.

Nach der Wahl Ficos zum Premierminister und Peter Pellegrinis zum Präsidenten der Slowakei hatte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen das Land zum Verlassen der EU aufgefordert. Grünen-Politiker Anton Hofreiter forderte, der Slowakei als Reaktion auf die Wahl EU-Mittel vorzuenthalten. Der Sozialdemokrat Fico hatte sich unter anderem gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine und für eine diplomatische Konfliktlösung ausgesprochen.



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