Slowakei: Fico außer Lebensgefahr – Innenminister warnt vor Bürgerkrieg

Der Premierminister der Slowakei, Robert Fico, wird den am Mittwoch auf ihn verübten Mordanschlag überleben. Er hat die Not-OP offenbar gut überstanden. Unterdessen wirft die schillernde Persönlichkeit des Tatverdächtigen Rätsel über die Hintergründe der Tat auf.
Titelbild
Absperrungen am F. D. Roosevelt Universitätskrankenhaus in Banska Bystrica, in dem Premierminister Robert Fico versorgt wird (15. Mai 2024).Foto: -/AFP via Getty Images
Von 16. Mai 2024

Eine Welle der Erleichterung zieht sich durch Kommentarspalten in traditionelle und sozialen Medien der Slowakei. Premierminister Robert Fico hat nach dem Mordanschlag vom Mittwoch, 15. Mai, die Notoperation in Banská Bystrica gut überstanden. Sein Vizepremier Tomáš Taraba zeigte sich gegenüber der BBC zuversichtlich, dass der Regierungschef überleben werde. Einige Medien berichten, Fico habe wieder das Bewusstsein erlangt. Details bleiben bis dato jedoch unter Verschluss.

Verteidigungsminister Robert Kaliňák zufolge wurden insgesamt fünf Schüsse auf Fico abgefeuert. Der Premierminister habe mehrere Verletzungen erlitten. Die Operation habe mehrere Stunden gedauert und noch am Mittwochabend habe sein Zustand als kritisch gegolten.

Ehemaliger Justizminister fordert nach Fico-Attentat Verbot größter Oppositionspartei

Welche Auswirkungen der Anschlag auf die Innenpolitik und die politische Stabilität des Landes haben wird, ist unterdessen noch offen. Zwar haben alle Oppositionsparteien, die scheidende Präsidentin Zuzana Čaputová, viele Medien und auch Staats- und Regierungschefs aus dem Ausland Entsetzen und Abscheu über die Tat geäußert. Dennoch machen zahlreiche Stimmen – vor allem aus dem Regierungslager – die Opposition und liberale Medien für den Anschlag mitverantwortlich.

Andrej Danko, der Chef der nationalistischen Slowakischen Nationalpartei (SNS), die Teil der Regierungskoalition ist, hat sich bereits mit den Worten an Journalisten gewandt:

„Sind Sie jetzt zufrieden? Sind Sie es?“

Er erklärte, für seine Partei habe jetzt ein „politischer Krieg“ begonnen. Für die Medien werde sich „einiges ändern“, kündigte er an. Auch Luboš Blaha, ein Abgeordneter von Ficos linkspopulistischer Smer-SD, äußerte „Ekel“ darüber, welchen Hass die Opposition und liberale Medien auf diesen verbreitet hätten. Der ehemalige Justizminister und Präsident des Obersten Gerichtshofs Štefan Harabin forderte gar ein Verbot der größten Oppositionspartei „Progressive Slowakei“. Diese, so seine Einschätzung, bestehe aus „ausländischen Auftragstätern“.

Polizei wird Schutz mehrerer Medienhäuser und öffentlicher Gebäude verstärken

Die slowakische Polizei rief die Bevölkerung zum Verzicht auf „Hasskommentare und Drohungen“ in sozialen Medien und Kommentarspalten auf. Man werde Einträge, die Straftatbestände erfüllen, ahnden. Diese würden nur zu einer weiteren Eskalation führen.

Innenminister Matúš Šutaj Eštok rief sowohl die Öffentlichkeit als auch die Medien dazu auf, keinen Hass mehr zu verbreiten. Was gesät worden sei, habe sich jetzt Bahn gebrochen. Das Land stehe „vor einem Bürgerkrieg“, zitiert ihn der BR. Die Polizei werde nun für einige Medienhäuser, öffentliche Gebäude und Politiker den Schutz verstärken.

Eštok teilte mit, dass der mutmaßliche Schütze unmittelbar nach dem Attentat festgenommen werden konnte. Es habe eine „klare politische Motivation“ für die Tat gegeben, zu der er sich bereits kurz nach der Präsidentschaftswahl im April entschieden habe.

Wirrer Auftritt des Tatverdächtigen Cintula in einem Video

Diese Einschätzung deckt sich nicht mit jener des Sohnes des 71-jährigen Tatverdächtigen Juraj Cintula. Wie die slowakische Epoch Times berichtet, habe er keinerlei Andeutungen dieser Art gemacht. Der Sohn des Verdächtigen geht eher von einem „Kurzschluss“ aus, sein Vater sei „eher impulsiv“. Die Tatwaffe hatte er bisherigen Erkenntnissen zufolge legal besessen.
Gegenüber „aktuality.sk“ äußerte er auf die Frage, ob sein Vater Hass auf Fico empfunden habe:

„Ich sage es Ihnen so: Er hat nicht für ihn gestimmt. Das ist alles, was ich sagen kann.“

In einem Video äußerte sich Cintula zu seinem Tatmotiv. Der selbsternannte Schriftsteller, der hauptberuflich als Wachmann in Einkaufszentren arbeitete, machte in der kurzen Sequenz einen verwirrten Eindruck. Er deutete Unzufriedenheit mit der Umstrukturierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Slowakei als Motiv für seine Tat an:

„Ich bin mit der Politik der Regierung nicht einverstanden … Die Massenmedien werden liquidiert. Warum wird RTVS angegriffen? Warum sind Menschen … Schmiermittel … Warum wird er [der noch amtierende Rundfunkchef Ľuboš Machaj; d. Red.] gefeuert?“

Einige Kommentatoren in sozialen Medien stellten Vergleiche zum mutmaßlichen Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald an.

Zweifel an liberaler Motivation für den Anschlag auf Fico

Der Sohn von Juraj Cintula stellte unterdessen in Abrede, dass dieser als psychisch krank angesehen werden konnte oder in Behandlung stand. Seine bisherigen Äußerungen in Schriften und sozialen Medien offenbaren unterdessen eine rätselhaft und nicht selten widersprüchlich anmutende Persönlichkeit. Einige Medien präsentieren ihn als Sympathisanten der liberalen Opposition, der in sozialen Medien der scheidenden Präsidentin Čaputová seine Solidarität ausgesprochen habe.

Auch der bekannte US-Kommentator Andrew Napolitano sieht in Cintulas Tat einen Ausdruck der „Verzweiflung des Westens“, der andere Länder bezüglich der „Dämonisierung alles Russischen“ auf Linie bringen wolle. So einfach stellt sich die Angelegenheit jedoch nicht dar.

Auf der einen Seite gründete Cintula 2016 eine „Anti-Gewalt-Bewegung“. Deren erklärtes Ziel sei es, „die Ausbreitung von Gewalt in der Gesellschaft zu verhindern, Krieg in Europa zu verhindern und keinen Hass zu verbreiten“. Auslöser dafür soll ein rassistisch motivierter tödlicher Angriff auf einen philippinischen Einwanderer gewesen sein. Cintula soll sich zudem abfällig über den früheren US-Präsidenten Donald Trump geäußert haben – und über Amerikaner, die ihn gewählt hatten.

Gleichzeitig brachte Cintula bereits 2015 ein Buch mit rassistischem Inhalt heraus, das sich gegen die Roma-Community in der Slowakei gerichtet hat. Mehrfach soll Cintula auch Sympathien für den neonationalsozialistischen Politiker Marian Kotleba und dessen Bewegung geäußert haben. Apologetische Texte soll er auch über den slowakischen Massenmörder L’ubomír Harman gepostet haben.

Von Fico-Attentäter gegründeter Verein Regenbogen hatte nichts mit LGBTQ* zu tun

Im Jahr 2005 hat Cintula in seinem Heimatort Levice den „Literaturverein Regenbogen“ gegründet. Allerdings war dieser als Symbol für die LGBTQ*-Bewegung in der slowakischen Provinz zum damaligen Zeitpunkt noch kaum bekannt. In diesem Verein, der 23 Mitglieder aufweist, soll Cintula als „rebellisch, als er noch jünger war, aber nicht gewalttätig“ beschrieben worden sein.

Im Jahr 2022 kandidierte Oliver Štaudner, ein weiteres Mitglied des Klubs, in Nitra für den Posten des Landrats. Er trat für die Slowakische Volkspartei an, die sich an der profaschistischen Miliz von Andrej Hlinka in den 1930er-Jahren orientiert.

Ein ungarischer Journalist fand zudem noch heraus, dass Cintula mit dem Verband Slovenský Branci („Slowakische Freiwillige“) zusammengewirkt haben soll. Im Jahr 2016 soll er vor Uniformierten sogar gesprochen haben. Der Verband erklärte es zu seinem Selbstverständnis, „als Patrioten“ angesichts von hunderttausenden Migranten, die nach Europa kämen, „notfalls ohne staatliche Autorität agieren“ zu können.

Temporäre Verbindungen zu pro-russischem Freiwilligenverband

In einem Facebook-Post soll Cintula geäußert haben, dass der Staat „nichts unternimmt, um die Bürger vor kriminellen Elementen zu schützen“. Deshalb müssten diese dies selbst übernehmen. Einige Milizionäre der Slovenský Branci sollen sich pro-russisch geäußert haben. Cintula soll auch temporär versucht haben, Hilfsaktionen für den von ukrainischen Truppen angegriffenen Donbass zu organisieren. Allerdings datieren Hinweise auf eine mögliche pro-russische Sympathie auf das Jahr 2016 zurück.

Robert Fico gilt als russlandfreundlichster Regierungschef der EU neben Ungarns Viktor Orbán. Er hatte sich deutlich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen und eine diplomatische Beendigung des Krieges gefordert.



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