„Spaltung, Hetze, Diskriminierung – das sind die Regierungsgebote der Stunde“
Österreichs Skisport-Legende Felix Gottwald gibt aus Enttäuschung über die Coronapolitik Österreichs seinen Vorsitz in der Breitensportkommission der Bundes-Sport GmbH ab. In einem offenen Brief an das Sportministerium geht der Gesundheitswissenschaftler auf die Gründe seines Rücktritts ein.
Rücktritt zu Beginn des Lockdowns
Felix Gottwald ist der erfolgreichste Olympiasportler in Österreichs Geschichte. In seiner 2011 beendeten Sportlerkarriere holte der Nordische Kombinierer sieben Olympia-Medaillen (3 Gold) und elf bei Weltmeisterschaften (3 Gold). Zudem siegte er 23 Mal beim Weltcup.
Im Frühjahr 2021 wurde er zum neuen Vorsitzenden der Breitensportkommission in der Bundes-Sport GmbH ernannt. Doch diesen Posten gab Gottwald überraschend am Montag auf – dem Tag, an dem in Österreich der Lockdown für Ungeimpfte begann.
Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte die Skisport-Legende einen offenen Brief an Sportminister und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), in dem er den Minister von seinem sofortigen Rücktritt unterrichtete.
Gottwald betonte, er sei angetreten, um einen Beitrag für eine echte Bewegungskultur im Land zu leisten. Ihm ging es darum, Bewusstsein dafür zu schaffen, „durch Bewegung und Sport die Welt, in der wir leben, besser zu meistern“.
Nach neun Monaten in seiner Funktion habe er nun festgestellt, dass es in Österreich gerade um vieles gehe, aber nicht um die Gesundheit der in Österreich lebenden Menschen – „und das inmitten der größten Gesundheitskrise“.
„Spaltung, Hetze, Diskriminierung“
„Spaltung, Hetze, Diskriminierung – das sind die Regierungsgebote der Stunde“, erklärte Gottwald – und dass er sich zutiefst schäme für sein Land und als Österreicher sei er „zornig, traurig und (ver-)fassungslos zugleich“, so der ehemalige Spitzensportler. Er habe jegliches Vertrauen in die Politik verloren.
Er kritisiert zudem die „Art des Diskurses in der Politik, die Wortwahl, die Inkongruenz, die Geringschätzung, die mich als mündigen Bürger und Steuerzahler erreicht“. Das alles irritiere ihn zutiefst. Sich selbst bezeichnete die Sport-Ikone als „nachweislich Gesunden, der mit vernünftigen und sinnvollen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sehr verantwortungsvoll umgeht“. Aber jetzt werde er wie Millionen andere vom sozialen und damit auch vom sportlich bewegten Leben ausgegrenzt.
Kritik am „untätigen Sportminister“
Auch als Sportler habe er immer Verantwortung übernommen und auch übernehmen müssen. Er sei studierter Gesundheitswissenschaftler und habe sich auch zeit seines Lebens damit beschäftigt, wie Gesundheit entstehe – und nicht Krankheit. Sport und Bewegung seien dafür ein wesentlicher Teil der Lösung.
Sportminister Kogler kritisiert er für seine Untätigkeit in der Krise.
„Gerade Sie als Sportminister hätten es in der Hand, Hebel in Bewegung zu setzen, die Bewegung und (Breiten-)Sport in der wohl größten Gesundheitskrise unserer Zeit fördern und nicht verhindern“, so Gottwald. Er fragt, wie weit Kogler und die Regierung wohl bereit seien zu gehen?
„Als erfolgreichster Olympiasportler Österreichs habe ich ganz oft verloren und nur ganz selten gewonnen“, so Gottwald weiter. Als Sportler habe er gelernt, mit Niederlagen und Scheitern umzugehen – und etwas daraus zu lernen, sich weiterzuentwickeln und sich selbst und anderen mit Respekt und Würde zu begegnen. Doch diese Tugenden vermisse er in der Politik derzeit zur Gänze.
Er sei überzeugt gewesen, dass Österreich aus der Geschichte gelernt habe, so Gottwald. Er sei erschüttert, dass die „Gesellschaft anmaßender, skrupelloser und diskriminierender geworden“ sei, als er es je zuvor erlebt habe.
Der Traum von einer schönen Gesellschaft
Er möchte wieder in einem Land leben, auf das man stolz sein könne, „in einem Land, in dem wir als Gesellschaft eine Kultur des Füreinanderdaseins pflegen“.
Er wünsche sich von Herzen Entscheidungen und Handlungen, die von Verstand, Verständnis und Vertrauen geprägt sind. Gottwald glaubt, dass es unabhängig der äußeren Umstände dafür nie zu spät ist „und dass heute immer der beste Zeitpunkt bleibt, damit wieder zu beginnen“.
Felix Gottwald dankte in seinem Brief allen Mitgliedern und dem Team der Bundes-Sport GmbH für ihre Art, wie er aufgenommen wurde. Auch für ihr Bemühen, eine echte Bewegungskultur in Österreich zu etablieren.
Auch sagte er allen Danke, die für Zusammenhalt und Verständnis eintreten – und es nicht zuließen, dass die Gesellschaft sich von dieser Art der Politik weiter auseinanderdividieren lasse. Man werde diese Krise „gemeinsam und mit unterschiedlichen persönlichen Entscheidungen und Überzeugungen meistern“. Er selbst sei gescheitert. Aber: „Weiterzumachen, als ob ich die unsportlichen und ungesunden Entwicklungen rund um diese Pandemie nicht mitbekommen würde, ist für mich keine Option.“
Sportminister Koglers Reaktion
In einer Stellungnahme erklärte Grünen-Vizekanzler Kogler nach Angaben der „Kleinen Zeitung“: „Der Rücktritt von Felix Gottwald ist bedauerlich, aber zur Kenntnis zu nehmen.“ Er habe als Mitglied der Kommission für den Breitensport versucht, zur Entwicklung einer echten Bewegungskultur in Österreich beizutragen. „Sein Engagement in diesem Bereich schätze ich sehr.“
Zu den Aussagen von Gottwald über die Regierungsmaßnahmen sagte Kogler: „Unser Auftrag als Politik ist der Schutz der Bevölkerung. Die vor allem bei ungeimpften Personen dramatisch gestiegenen Fallzahlen und Inzidenzen sowie die stark belasteten Spitalskapazitäten haben die Bundesregierung am Wochenende gemeinsam mit den Landeshauptleuten veranlasst, weitreichende Maßnahmen zur Pandemiebewältigung zu beschließen.“
Die Maßnahmen würden einem Großteil der österreichischen Bevölkerung jedoch ermöglichen, weiterhin Sport im Sportverein betreiben zu können, was Kinder, Jugendliche bis zum Ende der Schulpflicht und alle betreffe, „die sich für eine Schutzimpfung entschieden haben oder genesen sind“.
„All jene, die sich nicht impfen lassen wollen, dürfen und können natürlich auch Sport betreiben“, so Kogler, der einschränkte, dass sich dies bis auf Weiteres auf die eigenen vier Wände beschränke oder auf den öffentlichen Raum mit Abstand zu anderen, „sodass die Ansteckungsgefahr für sie selbst und andere minimiert wird“.
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