Sir Colin Davis gestorben – ein Gentleman unter den großen Dirigenten

Colin Davis verhalf dem Klangkörper der bayerischen Metropole zu weltweiter Anerkennung und verstand, alle Instrumentalisten wie ein Vater einer großen Familie zu behandeln und zu führen.
Titelbild
Sir Colin Davis erhielt 2008 den Classical Brit Award in der Royal Albert Hall.Foto: Dan Kitwood/Getty Images
Von 15. April 2013

Sir Colin Rex Davis ist nach längerer Krankheit im Alter von 85 Jahren am 14. April 2013 in London gestorben. Ein Dirigent und Künstler von einer Noblesse, die heute zunehmend verloren gegangen ist. Einige persönliche Begegnungen mit ihm bleiben mir unvergesslich.

Mit der Stadt München war er sehr verbunden, wo er von 1983 – 1992 das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks geleitet und dessen Klangqualität nachhaltig geprägt hatte. Auf seine für den Herbst 2013 geplanten Konzerte in München hatten sich bereits viele gefreut. Das BR-Symphonieorchester widmet seine Konzerte vom 18. und 19. April seinem Gedenken; Colin Davis verhalf dem Klangkörper der bayerischen Metropole zu weltweiter Anerkennung und verstand, alle Instrumentalisten wie ein Vater einer großen Familie zu behandeln und zu führen.

Im Mai 2012 erlitt Colin Davis bei einem Dirigat in der Dresdner Semperoper einen Schwächeanfall und hat sich seither nicht wieder erholen können. Die Sächsische Staatskapelle in Dresden, an deren Pult Colin Davis oft stand, hatte ihn 1990 zu ihrem Ehrenmitglied ernannt. Franz Liszt hat in seinem „Brief über das Dirigieren“ aus dem Jahre 1853 den bemerkenswerten Satz formuliert: „Die wirkliche Aufgabe eines Dirigenten besteht darin, sich augenscheinlich überflüssig zu machen und mit seiner Funktion möglichst zu verschwinden“.

Am 25. September 1927 wurde Colin Davis in Weybridge/England geboren, studierte am Royal College of Music in London Klarinette; da er aber keine Kenntnisse im Klavierspielen hatte, war ihm der Zugang in die Dirigentenklasse versperrt. Er war als Dirigent ein Autodidakt und hatte das Glück, im Alter von 22 Jahren für den erkrankten Otto Klemperer für eine konzertante Aufführung von Mozarts „Don Giovanni“ einzuspringen, und direkt ein Jahr später als ein erneuter Ersatz für Sir Thomas Beecham in Glyndebourne zu dirigieren.

1967 wurde er dann Chef des BBC Symphony Orchestras und im Jahr 1971 wurde er Chef des Royal Opera Houses in Covent Garden, London als Nachfolger von Sir Georg Solti. 1977 – er war fast 50 Jahre alt – dirigierte Colin Davis als erster Engländer in der Geschichte Richard Wagners „Tannhäuser“ bei den Bayreuther Festspielen, in der Inszenierung von Götz Friedrich.

Colin Davis war u.a. ein wunderbarer Mozart-Dirigent. Er lehnte es strikt ab, moderne und abscheuliche Operninszenierungen von völlig fragwürdigen Regisseuren zu dirigieren, die oft mehr im Rampenlicht standen und stehen als die großen Künstler.

Selten habe ich Beethovens Violinkonzert so schön erlebt wie mit Anne-Sophie Mutter unter Sir Colin Davis am 10. Mai 1997 in München. Am 25. Januar 2003 dirigierte er in Covent Garden London die Premiere einer großartigen Neuinszenierung von Mozarts „Die Zauberflöte“, in der Diana Damrau die Partie der „Königin der Nacht“ sang. Hiervon gibt es eine DVD, die für jeden Musikliebhaber mehr als nur seh- und hörenswert ist. Musikalisch und künstlerisch geradezu überwältigend gelungen.

Nahezu überwindlich war für Colin Davis der Tod seiner persischen zweiten Ehefrau Ashraf Naini (1964 – 2010); mit ihr und den Kindern hatte er so leidenschaftlich gekocht und so viel Freude gehabt.

Mit Sir Colin Davis verliert die internationale Musikwelt eine herausragende Persönlichkeit, ein großes liebevolles Künstlerherz.



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