„Siegesplan“: Was will Selenskyj erreichen?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirbt bei Gesprächen in den USA für den von ihm erdachten „Siegesplan“ im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg.
Der Plan solle eine Brücke schlagen zu einem zweiten Friedensgipfel, zu dem auch Russland eingeladen werden soll, sagte Selenskyj vor einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden. Er hatte sich für Gespräche mit Russland ausgesprochen.
Das bisher nicht veröffentlichte Dokument ist aber auch Gegenstand von Kritik.
„Siegesplan“ mit NATO-Beitritt
Nach Medienberichten geht es um ein Papier aus vier bis fünf Punkten, die sich weniger als ein Plan, als vielmehr wie eine weitere der regelmäßig von Kiew im Westen vorgelegten Wunschlisten lesen.
Der Chef von Selenskyjs Büro, Andrij Jermak, bestätigte in New York, dass eine Einladung der Ukraine in die NATO ein wichtiger Punkt für das Land sei. Kiew erhofft sich die Ausweitung der Beistandsgarantien des westlichen Militärbündnisses auf die Ukraine. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sich der Westen darauf einlässt.
Dazu soll Kiew den unbestätigten Berichten nach auf Lieferung von „spezifischen“ Waffen bestehen. Selenskyj hat in den vergangenen Wochen regelmäßig auf eine Freigabe für den Einsatz von weitreichenden Raketen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet gedrängt – bisher ohne Erfolg.
Mehr Geld, mehr Waffen, mehr Angriffe
Zudem soll die Liste auch eine Ausweitung der westlichen Finanzhilfen beinhalten. Selenskyj hat immer wieder erklärt, dass das Land den Krieg ohne westliche Unterstützung nicht gewinnen könne.
Und Kiew will dem Vernehmen nach nicht zuletzt den westlichen Segen für weitere Bodenoperationen im russischen Grenzgebiet Kursk. Dort halten ukrainische Truppen Dutzende Ortschaften besetzt. Selenskyj wollte so den Verhandlungsdruck auf Russland erhöhen.
Allerdings erklärte Moskau, dass die ukrainische Invasion Verhandlungen eher unwahrscheinlich machen und die Region bald komplett befreit werde von der russischen Armee.
Kritik vom früheren Innenminister
In der Ukraine entbrannten teilweise wilde Spekulationen über den eigentlichen Zweck der bisher vor allem medial geführten Kampagne Selenskyjs. Und es halten sich Zweifel am Vorhandensein eines echten „Siegesplans“.
Der gegenüber Ex-Präsident Petro Poroschenko loyale Ex-Generalstaatsanwalt und frühere Innenminister Jurij Luzenko bezeichnete den Plan als „unrealistisch“.
Selenskyj könnte demnach einfach hoch pokern, um am Ende dem Westen eine Schuld an der Niederlage des Landes zu geben.
Bei Facebook schrieb Luzenko: „Es sieht so aus, als ob der maximalistische Siegesplan nur dafür geschrieben wurde, um die bekanntermaßen unmögliche Unterstützung nicht zu erhalten, die Verbündeten des Verrats zu bezichtigen und zu Verhandlungen mit Russland überzugehen.“
Warum kennt das ukrainische Volk diesen Plan nicht?
Der wegen des Vorwurfs des Hochverrats in Untersuchungshaft sitzende Parlamentsabgeordnete Olexander Dubinskyj verglich Selenskyj mit einem Zauberkünstler, der ständig dem Publikum verspreche, einen weißen Hasen aus dem Zylinder zu ziehen, den Trick aber schuldig bleibe.
Ebenso warf er dem Präsidenten vor, seinen „Siegesplan“ dem Hauptbetroffenen, dem ukrainischen Volk, vorzuenthalten.
Auch Kanzler Olaf Scholz, der wichtigste Verbündete in der EU, habe Selenskyj beim Treffen in New York den Plan nicht vorgestellt, kritisierte der aus der Präsidentenpartei ausgeschlossene Politiker.
Selenskyj will nur seinem Plan folgen
Bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung pochte Selenskyj einmal mehr auf Umsetzung seines bereits seit Ende 2022 diskutierten Friedensplans. Initiativen anderer Länder wie China und Brasilien hatte er zurückgewiesen.
Ein Kernpunkt seines Friedensplans ist der Abzug russischer Truppen aus allen besetzten Gebieten der Ukraine, einschließlich der bereits 2014 von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
Der Plan bildete auch die Grundlage für den Friedensgipfel in der Schweiz im Juni, zu dem Russland nicht eingeladen war. Die Kriegsparteien bezichtigen sich immer wieder gegenseitig, nicht an Verhandlungen interessiert zu sein und den Kampf lieber auf dem Schlachtfeld auszutragen.
Zu einem zweiten Gipfel soll Russland eingeladen werden, wie Kiew erklärte. Allerdings machte Moskau bereits mehrfach deutlich, dass sich Russland von einem solchen Treffen der Verbündeten der Ukraine keine Bedingungen für ein Kriegsende diktieren lasse.
Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte auch im Zuge von Selenskyjs Auftritten und Äußerungen in den USA, dass sich Russland nicht zu einem Frieden zwingen lasse, sondern vielmehr an seinen Kriegszielen festhalte. Ein zentrales Ziel der Invasion ist für Moskau, einen NATO-Beitritt Kiews zu verhindern. (dpa/red)
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