Sheinbaum wird Mexikos erste Präsidentin – Wahlkampf von Gewalt überschattet

In Mexiko hat die als politische Ziehtochter des scheidenden Amtsinhabers Andrés Manuel López Obrador (AMLO) geltende Claudia Sheinbaum Pardo die Präsidentenwahl deutlich gewonnen. Der Wahlkampf war von ausufernder Gewalt krimineller Banden überschattet.
Die Präsidentschaftskandidatin der Regierungspartei, Claudia Sheinbaum, zeigt ihren mit Tinte verschmierten Daumen nach der Stimmabgabe bei den Parlamentswahlen in Mexiko-Stadt.
Die Präsidentschaftskandidatin der Regierungspartei, Claudia Sheinbaum, zeigt ihren mit Tinte verschmierten Daumen nach der Stimmabgabe bei den Parlamentswahlen in Mexiko-Stadt.Foto: Marco Ugarte/AP
Von 4. Juni 2024

Die Stimmen zur Präsidentenwahl in Mexiko am Sonntag, 2. Juni, sind zu etwa 90 Prozent ausgezählt. Am Ergebnis selbst wird sich nichts Signifikantes mehr ändern. Mit 59,04 Prozent der Stimmen liegt die Kandidatin der regierenden Linkskoalition, Claudia Sheinbaum Pardo, mit uneinholbarem Vorsprung vorn. Auch in der 500 Sitze umfassenden Abgeordnetenkammer und im 128 Sitze umfassenden Senat dürfte die Linke ihre Mehrheiten verteidigen.

Erste Frau und erste Jüdin im höchsten Staatsamt von Mexiko

Mit 27,96 Prozent liegt die als aussichtsreichste Gegenkandidatin geltende Xóchitl Gálvez deutlich zurück. Sie wurde von einem Bündnis aus der konservativen Partei PAN, der früheren Einheitspartei PRI und der kleineren Abspaltung PRD unterstützt. Der Kandidat der linksliberalen Bürgerbewegung, Jorge Máynez, landete mit 10,48 Prozent abgeschlagen auf Platz drei.

Sheinbaum war die frühere Gouverneurin des Bundesdistrikts Mexiko-Stadt. Mit ihr an der Staatsspitze erlebt Mexiko in doppeltem Sinne ein Novum. Sie wird zum einen die erste Frau im höchsten Staatsamt. Zudem wird sie auch die erste jüdische Präsidentin des Landes. Väterlicherseits liegen die aschkenasischen Wurzeln ihrer nicht praktizierenden Familie in Litauen, mütterlicherseits hat sie eine sephardische Geschichte, die nach Sofia zurückreicht.

In beiden Fällen waren die Familien noch vor dem Holocaust nach Nordamerika ausgewandert. Beide Elternteile und der Bruder waren als Naturwissenschaftler tätig. Claudia Sheinbaum selbst verfügt über akademische Abschlüsse in Physik und Energietechnik.

Vertrauensvorschuss für Wunschkandidatin des populären Amtsinhabers

Der deutliche Wahlsieg Sheinbaums ist zu einem nicht geringen Teil einem Vertrauensvorschuss vonseiten der mexikanischen Wähler geschuldet. Als Verwaltungschefin der Hauptstadt ist es ihr gelungen, die Mordrate zu senken, ohne den Sicherheitsapparat zu militarisieren. Zudem hat sich in ihrer Regierungszeit die Luftqualität der Hauptstadt verbessert.

Der Hauptgrund für ihren Erfolg dürfte jedoch der Umstand sein, dass sie als politische Ziehtochter des scheidenden Amtsinhabers Andrés Manuel López Obrador (AMLO) gilt. Der Linkspopulist durfte nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht wieder kandidieren. Er wird bei Popularitätswerten von etwa 80 Prozent sein Amt verlassen.

Setzt Sheinbaum den Kurs ihres Mentors AMLO fort, wird diese die von ihm ausgebauten sozialen Leistungen beibehalten. Diese betrafen vor allem die Rentner und den Bildungsbereich. Dazu würde eine gegenüber den USA eigenständige Außenpolitik treten, die jedoch nicht eine feindselige Richtung annehmen würde, wie man sie etwa von Venezuela kennt. AMLO pflegte trotz ideologischer Differenzen ein intaktes Kooperationsverhältnis mit Donald Trump. Auch gegenüber Joe Biden setzte er die Zusammenarbeit, beispielsweise bei der Bekämpfung irregulärer Migration, fort.

AMLO weist Kritik der UNO zurück: „Mexiko ist kein gewalttätiges Land“

Wie AMLO wird jedoch auch Sheinbaum mit dem Umstand leben müssen, dass die Regierung in Mexiko nicht die vollständige Autorität über alle Landesteile ausübt. In einzelnen Bereichen sind es seit mittlerweile etwa 40 Jahren mächtige Drogenkartelle, die ihren Herkunftsregionen häufig erfolgreich ihre eigenen Gesetze aufzuzwingen versuchen.

Der Wahlkampf war durch exzessive Gewalt gekennzeichnet. Das Portal „BFMTV“ spricht von mindestens 26 Politikern, die im Vorfeld des Urnengangs ermordet wurden. Wie „amerika21“ berichtet, klagte PRI-Chef Moreno Cárdenas darüber, dass man als Politiker „in praktisch 60 Prozent der Gemeinden des Landes nicht reisen“ und dadurch auch keinen Wahlkampf machen könne.

Auch Volker Türk, der Hohe Kommissar der UN für Menschenrechte, hatte die mexikanische Regierung kritisiert. Diese sei nicht in der Lage, den Wahlprozess vor Gewalt zu schützen. Durch militarisiertes Vorgehen verschärfe sie die Problematik zusätzlich. AMLO wies diese Aussagen zurück:

„Der Hohe Kommissar ist, mit allem Respekt, sehr tendenziös, er ist gegen uns und verbündet sich mit denen, die zeigen wollen, dass Mexiko ein sehr gewalttätiges Land ist.“

Kartelle setzen auf Macht in den Kommunen

Tatsächlich hatte das Kabinett López Obrador nicht ausschließlich auf Repression zur Eindämmung der Drogenkriminalität gesetzt. Es gab auch einige Amnestieprogramme und Versuche, durch soziale Verbesserungen den Kartellen Nachwuchs abzuschneiden.

Der Erfolg war wie schon bei vorhergehenden Regierungen mäßig. Aus Sicht der Banden ist die Regierung in Mexiko-Stadt weit weg. Sie stützen sich auf ihre Machtstrukturen vor Ort und setzen damit die Politik unter Druck. Der NGO Data Cívica zufolge richten sich 54,5 Prozent der Angriffe in der Wahlkampfzeit gegen Lokalpolitiker, hauptsächlich gegen Bürgermeisterkandidaten.

Sie sind für die Banden von besonderer Bedeutung, weil sie über Bauprojekte, Polizei und Zugang zur lokalen Wirtschaft verfügen. Die meisten Fälle von Gewalt und Erpressung gegenüber Politikern werden aus den westlichen und südwestlichen Bundesstaaten Guerrero, Michoacán und Chiapas gemeldet.



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