Selenskyj: China hindert andere Länder an Teilnahme an Ukraine-Friedenskonferenz
Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj hat China vorgeworfen, andere Länder an einer Teilnahme an der geplanten Ukraine-Friedenskonferenz zu hindern.
„China arbeitet derzeit leider mit Hochdruck daran, Länder von der Teilnahme am Friedensgipfel abzuhalten“, sagte Selenskyj am Sonntag am Rande der Shangri-La-Sicherheitskonferenz in Singapur vor Journalisten.
China sei „ein Werkzeug in Putins Händen“, sagte Selenskyj und beschuldigte Russland, chinesischen Einfluss und chinesische Diplomaten zu nutzen, um „alles zu tun, um den Friedensgipfel zu stören“.
China ist nicht neutral im Ukraine-Konflikt
Selenskyj äußerte zudem seine Kritik an „manchen Staats- und Regierungschefs“, die bislang keine Bereitschaft zur Teilnahme an der Konferenz signalisiert hätten. Mehr als 100 Staaten und Organisationen hätten dies hingegen bisher getan, sagte Selenskyj weiter und lud Staaten aus dem asiatisch-pazifischen Raum ein, sich ihnen anzuschließen.
China stellt sich selbst mit Blick auf den Ukraine-Krieg als neutrale Partei dar. Verbündete der Ukraine werfen Peking aber vor, den russischen Angriffskrieg nicht verurteilt zu haben. Kreml-Chef Wladimir Putin war seit Beginn des Krieges mehrfach zu Gast in China.
Eine Teilnahme Chinas an der Friedenskonferenz in der Schweiz hatte die chinesische Außenministeriumssprecherin Mao Ning am Freitag aufgrund der „Beschaffenheit des Treffens“ als „schwierig“ bezeichnet. Diese entspreche „nicht den chinesischen Anforderungen und den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft“.
Konferenz ohne Russland
Russland ist zu dem Treffen am 15. und 16. Juni in der Nähe der Schweizer Stadt Luzern nicht eingeladen. Selenskyj hatte China und auch US-Präsident Joe Biden zur Teilnahme aufgefordert.
Die Konferenz geht dem G7-Gipfel im an die Schweiz angrenzenden Italien voran, daher besteht die Hoffnung auf die persönliche Teilnahme vieler Staats- und Regierungschefs. Fraglich ist bislang unter anderem, ob US-Präsident Biden persönlich teilnimmt.
In Singapur traf Selenskyj auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zu einem persönlichen Gespräch. Dabei sei es unter anderem um die internationale Koalition zur Ausstattung der Ukraine mit F16-Kampfjets und ein bilaterales Sicherheitsabkommen gegangen, erklärte Selenskyj.
Aus dem Pentagon hieß es, Austin habe das Bekenntnis der USA zur „Koalition aus über 50 Staaten“ an der Seite der Ukraine bekräftigt.
Treffen in Bürgenstock
Das Ziel des Treffens ist, eine umfassende, gerechte und dauerhafte Friedenslösung für die Ukraine auf Basis des Völkerrechts und der UN-Charta zu diskutieren und einen Friedensprozess anzustoßen. Es soll auf der 10-Punkte-Friedensformel des ukrainischen Präsidenten Selenskyj und anderen Vorschlägen aufgebaut werden.
Alle teilnehmenden Staaten sollen ihre Ideen und Visionen für den Frieden einbringen können. Die Schweiz hat über 160 Delegationen aus aller Welt eingeladen, darunter G7, G20, BRICS, EU und internationale Organisationen. Bisher haben über 70 Staaten, meist auf Regierungschef-Ebene, ihre Teilnahme zugesagt, etwa die EU, Indien, Deutschland, Kanada und Polen.
Dem Gipfel gingen bereits vier Vorbereitungstreffen auf Beraterebene voraus, zuletzt Mitte Januar 2024 in Davos. Die Schweiz führte Vorgespräche mit Vertretern der EU, China, Indien, Südafrika, Brasilien, Äthiopien und Saudi-Arabien. Und die Schweiz hofft, mit dem Gipfel den Weg für einen Friedensprozess unter Einbeziehung Russlands ebnen zu können
Was beinhaltet Selenskyjs 10-Punkte-Friedensformel?
Die 10-Punkte-Friedensformel des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, verkündet am 11. Oktober 2022, beinhaltet folgende Punkte:
- Strahlenschutz und nukleare Sicherheit: Russland soll alle Kämpfer aus ukrainischen Atomkraftwerken abziehen und deren Kontrolle an die Ukraine übergeben.
- Ernährungssicherheit: Die Schwarzmeer-Getreide-Initiative soll wiederhergestellt werden, um Nahrungsmittelexporte der Ukraine zu ermöglichen.
- Energiesicherheit: Kritische Infrastruktur der Ukraine soll geschützt und Preisbeschränkungen für russische Energieressourcen eingeführt werden.
- Freilassung aller Häftlinge und Deportierten: Freilassung im Format „alle für alle“ sowie der illegal nach Russland deportierten Ukrainer.
- Umsetzung der UN-Charta und Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine.
- Rückzug der russischen Truppen und Beendigung der Feindseligkeiten vom Territorium der Ukraine.
- Gerechtigkeit: Einrichtung eines Sondertribunals für russische Kriegsverbrechen und Entschädigungsmechanismus.
- Unmittelbarer Schutz der Umwelt vor Schäden durch den Krieg.
- Verhinderung einer Eskalation durch angemessene Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
- Bestätigung des Kriegsendes durch ein offizielles Dokument nach Umsetzung der Punkte.
Unrealistische Forderungen
Die zehn Punkte werden in ihrer derzeitigen Form eher unrealistisch umzusetzen sein, da sie weitgehend die Forderungen der Ukraine widerspiegelt, ohne die Interessen Russlands ausreichend zu berücksichtigen.
ETH-Strategieexperte Marcel Berni analysierte im Februar 2023, dass der vollständige Abzug russischer Truppen aus allen besetzten Gebieten, inklusive der Krim, für Russland inakzeptabel sei und einer Kapitulation gleichkommen würde.
Auch die Forderung nach einem Sondertribunal für russische Kriegsverbrechen und Entschädigungszahlungen ist für Russland nicht hinnehmbar. Aus russischer Sicht sei die Wiederherstellung der vollen territorialen Integrität der Ukraine vor 2014 nicht verhandelbar.
Sicherheitsgarantien und ein NATO-Beitritt der Ukraine werden von Russland strikt abgelehnt. Die Punkte zur nuklearen Sicherheit und Ernährungssicherheit sind zwar realistischer, aber für Russland nur akzeptabel, wenn es Zugeständnisse bei anderen Punkten erhält.
Für eine realistische Friedenslösung müssten beide Seiten erhebliche Kompromisse eingehen. Die Ukraine könnte beispielsweise auf die Krim und den Donbass vorerst verzichten und dafür Sicherheitsgarantien sowie einen Wiederaufbauplan erhalten. Russland müsste im Gegenzug die besetzten Gebiete räumen und Entschädigungen zahlen.
Insgesamt spiegelt die 10-Punkte-Formel eher eine Maximalhaltung der Ukraine wider, von der in Verhandlungen abgewichen werden müsste. Eine Umsetzung im derzeitigen Wortlaut ist äußerst unwahrscheinlich, da sie einseitig die russischen Kerninteressen ignoriert. (afp/red)
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