Selbstbestimmung mit allem Mitteln verhindern: Spanisches Verfassungsgericht stoppt Referendums-Gesetz
Die spanische Zentralregierung will das Referendum über die Unabhängigkeit der Region Katalonien mit allen juristischen und politischen Mitteln verhindern. Spaniens Generalstaatsanwalt kündigte am Donnerstag Strafanzeigen gegen katalanische Regionalpolitiker und Abgeordnete an, nachdem das Parlament in Barcelona die Volksabstimmung für den 1. Oktober angesetzt hatte. Ministerpräsident Mariano Rajoy schlug eine harte Linie ein: „Es wird kein Referendum zur Selbstbestimmung geben.“
Das Votum des katalanischen Regionalparlaments am Mittwochabend für die Volksabstimmung hat den Streit mit der spanischen Zentralregierung rhetorisch eskalieren lassen. Rajoy hielt den Katalanen einen „intolerablen Akt des Ungehorsams“ vor. Der katalanische Regierungssprecher Jordi Turull warf der Zentralregierung im Gegenzug vor, sie halte Katalonien in einem „latenten Belagerungszustand“.
Spaniens Generalstaatsanwalt José Manuel Maza kündigte in Madrid Strafverfahren gegen die katalanische Parlamentsführung und die Mitglieder der Regionalregierung an. Er legte ihnen Missachtung gerichtlicher Anordnungen, Machtmissbrauch und Unterschlagung zur Last.
Zudem ordnete Maza die Beschlagnahmung aller Unterlagen in Zusammenhang mit dem Referendum an. Er wies die Staatsanwaltschaften in der Region an, gemeinsam mit der Polizei Ermittlungen über die Vorbereitung des Referendums einzuleiten.
Ministerpräsident Rajoy rief das Parlament in Madrid zu einer Krisensitzung zusammen und kündigte an, „alle nötigen Schritte“ zu unternehmen, um das Referendum zu verhindern. Das Kabinett beschloss die Anrufung des spanischen Verfassungsgerichts, um das Referendum für illegal erklären zu lassen. Rajoy mahnte die Lokalbehörden in Katalonien, es sei „ihre Pflicht, jede Initiative zur Organisation des Referendums zu unterbinden“.
Das von Unabhängigkeitsbefürwortern dominierte katalanische Parlament und die Regionalregierung zeigten sich unbeeindruckt von den Drohungen aus Madrid. Das Referendum am 1. Oktober werde trotz allen Gegenwinds abgehalten, beteuerte Regierungssprecher Turull. „Wir fühlen uns verpflichtet, unsere fundamentalen Rechte zu verteidigen.“ Regionalpräsident Carles Puigdemont rief für kommenden Montag zu einer Großkundgebung in Barcelona auf.
Die katalanische Parlamentspräsidentin Carme Forcadell reichte einen Antrag ein, um die zwölf Richter des Madrider Verfassungsgerichts für befangen zu erklären. Die Richter seien „ein Instrument des Staates, der jede Legitimität verloren hat“, argumentierte sie. Das Verfassungsgericht wies den Antrag am Donnerstag ab.
In der Nacht zu Donnerstag hatte das katalanische Parlament ungeachtet aller Warnungen aus Madrid eine Vorlage verabschiedet, die für den 1. Oktober ein Votum über die Loslösung von Spanien vorsieht. Bereits am Donnerstag wollte es zudem Beratungen über ein „Übergangsgesetz“ aufnehmen, das die Schritte Kataloniens in die Unabhängigkeit regeln soll.
Die spanische Zentralregierung betrachtet das Referendum und eine mögliche Abspaltung Kataloniens als verfassungswidrig. Bereits 2014 hatte das spanische Verfassungsgericht ein rechtlich bindendes Referendum über Kataloniens Unabhängigkeit untersagt.
Wenige Wochen nach den Anschlägen von Barcelona und Cambrils steckt Spanien nunmehr in einer schweren politischen Krise. In der wohlhabenden Region Katalonien mit rund 7,5 Millionen Einwohnern gibt es seit Jahren Bestrebungen, sich von Spanien loszulösen. Laut Umfragen haben die Befürworter der Unabhängigkeit derzeit mit rund 41 Prozent allerdings keine Mehrheit in der Bevölkerung. (afp)
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