Schweden streicht CO2-Steuer für Flieger, damit die Luftfahrtindustrie durchstarten kann

Die Regierung um Ministerpräsident Kristersson will im Herbst die CO₂-Abgabe im Zuge der Haushaltsberatungen zum 1. Mai 2025 abschaffen. Mangels Treibstoffalternativen bleibt die Befreiung von der Kerosinsteuer wahrscheinlich 20 weitere Jahre unangetastet.
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Die schwedische Regierung will die Luftfverkehrssteuer wieder abschaffen, damit ihre Fluggesellschaft SAS wieder durchstarten kann.Foto: Johan Nilsson/SCANPIX SWEDEN/dpa
Von 10. September 2024

Die schwedische Minderheitsregierung um Ministerpräsident Ulf Kristersson (Moderaterna, Die Moderaten) will der Luftfahrtindustrie des Landes zum Aufschwung verhelfen und verabschiedet sich von der Luftverkehrssteuer, berichtet „Dagens Industri“. Den Beschluss will das schwedische Parlament im Zusammenhang mit dem Staatshaushalt im Herbst 2024 fassen. Er soll dann ab 1. Juli 2025 in Kraft treten.

Steuer für Schweden ein „sehr harter Wettbewerbsnachteil“

Zunächst hatten die Parteien den Weg für eine Halbierung der Luftverkehrssteuer pro Passagier freigemacht, sich dann aber für eine komplette Abschaffung der umstrittenen Steuer entschieden, teilt „Tidningen Näringslivet“ mit. „Wir tun dies, um den Flugverkehr zu fördern und damit die Erreichbarkeit im ganzen Land zu verbessern. Es wird einfach reduzierte Ticketpreise geben“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Schwedendemokraten, Linda Lindberg, im Verlauf einer Pressekonferenz. Die Luftverkehrssteuer wurde 2018 eingeführt und hat zu Steuereinnahmen von rund 1,8 Milliarden schwedischen Kronen (162 Millionen Euro) pro Jahr geführt.

Gleichzeitig betont die stellvertretende schwedische Ministerpräsidentin und Energie- und Unternehmensministerin Ebba Busch (Kristdemokraterna, KD), dass die Abschaffung für die schwedische Wirtschaft essenziell ist. „Das ist für viele Unternehmen und große Teile der Wirtschaft sehr wichtig, dass wir die Flugrouten aufrechterhalten können.“ Weil nur eine Minderheit der EU-Länder eine Luftverkehrssteuer erheben, sei das für Schweden „ein sehr harter Wettbewerbsnachteil“, begründet die Christdemokratin.

Flughäfen und Verkehrswirtschaft begrüßen die Entscheidung der Regierung: „Die Luftverkehrssteuer hat das Ziel völlig verfehlt und hätte gar nicht erst eingeführt werden dürfen. Es war eine Steuer auf die Reise, nicht auf die Emissionen. Wir werden Flüge verschieben, nicht stornieren“, sagt etwa Marcus Dahlsten, CEO des schwedischen Verkehrsverbands.

Abgabe nur ein Zeichen für Symbolpolitik

„Stockholm muss seine Position als natürlicher Wachstumsmotor in Schweden behaupten und die wichtigste Drehscheibe für internationale Unternehmen in der nordischen Region sein. Das ist eine gute Nachricht für die schwedische Wettbewerbsfähigkeit“, kommentiert Daniella Waldfogel, Geschäftsführerin der Stockholmer Handelskammer, den Beschluss.

Die Abgabe sei ein Zeichen für Symbolpolitik, heißt es in einem Leitartikel der „Smålandsposten“. Sie treffe den individuellen Flugverkehr, anstatt auf die Emissionen der Unternehmen abzuzielen. So sei der Ruf der Luftfahrt schlecht, obwohl er nur zu etwa zwei Prozent an der Gesamtproduktion von Kohlendioxid beteiligt sei. Zum Vergleich: In der Textilindustrie betrage der Anteil mit zehn Prozent ein Vielfaches. Das Versäumnis, Maßnahmen zur Verschärfung dieser Industrien Priorität einzuräumen, sei ein Zeichen dafür, dass die Politik rein symbolisch ist und einer tatsächlichen Emissionsreduzierung im Wege stehen könne, schreibt die Zeitung.

Romina Pourmokhtari (Liberalerna, Die Liberalen), Ministerin für Klima und Umwelt, lehnt die Abschaffung der Luftverkehrssteuer ab. Sie spricht sich dafür aus, dass Schweden sich den Klimabeschlüssen der Europäischen Union (EU) anschließt. „Wir brauchen eine stärker vernetzte Klimapolitik mit den anderen EU-Ländern, damit sie richtig greifen kann. Nur dann wird sich die Luftfahrt wirklich auszahlen“, zitiert sie „SVT Nyheter“.

Zum Stopfen von Haushaltslöchern: Deutschland hat Steuer um 20 Prozent angehoben

Die Tidö-Parteien (ein Zusammenschluss von Schwedendemokraten, Moderate Partei, Christdemokraten und Liberale, der im schwedischen Reichstag über eine knappe Mehrheit verfügt) gehen davon aus, dass durch die Abschaffung der Steuer der Flugverkehr zunehmen wird – und damit die Gefahr eines Anstiegs der Emissionen besteht. „Es liegt auf der Hand, dass sie sich auf diese Weise auf die Umwelt und die Klimaemissionen auswirken wird, aber das ist etwas, das wir uns in Zukunft ansehen müssen“, sagt Linda Lindberg, Fraktionsvorsitzende der Schwedendemokraten.

In dem skandinavischen Land variiert die Luftverkehrssteuer je nach Zielort. Für einen Flug innerhalb Europas beträgt sie 76 Kronen (6,84 Euro) pro Passagier, für eine mittellange Reise außerhalb Europas, zum Beispiel nach Ägypten oder Algerien, 315 Kronen (28,35 Euro). Für längere Reisen, etwa nach Thailand, kommen 504 Kronen (45,36 Euro) zum Ticketpreis hinzu.

In Deutschland gibt es eine gesetzlich geregelte Luftverkehrsabgabe bereits seit dem 1. Januar 2011. Zum 1. Mai wurde sie um 20 Prozent angehoben. Die Höhe der Abgabe ist in die sogenannten Distanzklassen Kurzstrecke, Mittel- und Langstrecke unterteilt. Zu zahlen sind 15,53 Euro, 38,72 Euro oder 70,83 Euro pro Ticket. Grund für die Erhöhung war nicht etwa der besondere Blick auf den Umweltschutz. Vielmehr dient die drastische Anhebung dem Stopfen des Haushaltsloches, berichtete das ZDF auf seiner Internetseite. So verspreche sich der Bund zusätzliche Einnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr betrugen die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer 1,5 Milliarden Euro bei rund 74,9 Millionen Fluggästen.

Laut „Dagens Industri“ erheben nur einige der EU-Mitgliedsländer die Steuer. So sind das neben Schweden und Deutschland derzeit Italien, Frankreich, Österreich, Portugal, Belgien und die Niederlande. In Dänemark ist eine Einführung zum 1. Januar beschlossen. Die Höhe der Abgabe variiert in den Ländern.

Steuer auf Kerosin eine nationale Angelegenheit

Unangetastet bleibt möglicherweise für weitere 20 Jahre die Steuerbefreiung von Kerosin und Schiffstreibstoffen. Zur Begründung sagt die Europäische Union, „dass es derzeit nicht genügend nachhaltige alternative Kraftstoffe (SAF) auf dem Markt gibt“. Daher führe eine Besteuerung von Treibstoffen zu Preiserhöhungen bei Flugtickets, „und nicht zu einer allgemeinen Umstellung von fossilen Brennstoffen auf SAF“, berichtet „Der Standard“. Die Europäische Kommission hatte schon für 2021 klimafreundlichere Vorschriften für die Energiesteuer angeregt. Dazu gehört auch die Kerosinsteuer. Doch da sich die 27 Mitgliedstaaten nicht auf einen Mindeststeuersatz ab 2028 einig wurden, soll nun alles für weitere zwei Jahrzehnte beim Alten bleiben.

Lediglich für kleinere Flieger (maximal 19 Sitzplätze) und privat genutzte Boote werde eine Mindestabgabe innerhalb der EU kassiert. Es bleibt jedoch im Ermessen der jeweiligen Länder, nationale Abgaben einzuführen, verpflichtet dazu seien sie nicht.



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