Schweden: Kein Impfangebot für Kinder und Aufhebung fast aller Maßnahmen

Schweden bleibt seinem viel kritisierten Sonderweg treu: Ende September werden fast alle der wenigen verbliebenen Corona-Einschränkungen aufgehoben. Zudem gibt es keine Empfehlung für die Impfung von gesunden Kindern zwischen 12 und 15 Jahren.
Von 9. September 2021

Kindern und Jugendlichen dringend zur Corona-Impfung zu raten, ist mittlerweile fester Bestandteil der Impfkampagne in fast allen Staaten. In einigen Ländern, allen voran den USA, läuft die Impfung dieser Altersgruppe bereits auf Hochtouren.

Schweden hält dagegen und zeigt sich unbeeindruckt – wie so oft, wenn es um den Umgang mit dem Coronavirus geht. „Unsere ethische Plattform zeigt, dass wir zum Wohle der Einzelnen impfen und nicht um der Gesellschaft willen – und bisher haben wir keine Daten gesehen, die darauf hindeuten, dass der Nutzen die Risiken des Impfstoffs für Kinder überwiegt“, betont die stellvertretende Staatsepidemiologin der schwedischen Volksgesundheitsbehörde, Karin Tegmark Wisell.

Die Freiheit ist greifbar nahe

Schwedens Regierung hatte von Anfang an darauf gesetzt, dass sich die Menschen freiwillig an die Restriktionen halten und weitestgehend auf gesetzliche Einschränkungen wie Lockdowns verzichtet. Einschränkungen für private Kontakte gab es in Schweden nie.

„Unser Ziel war es immer, die Beschränkungen so bald wie möglich aufzuheben, dank einer erfolgreichen Impfkampagne sind wir im Umgang mit der Pandemie weit gekommen“, erklärt Gesundheits- und Sozialministerin Lena Hallengren. Die schwedische Gesellschaft befinde sich in einer besseren epidemiologischen Lage.

In wenigen Wochen sollen nun fast alle der ohnehin nur wenigen Corona-Einschränkungen fallen. Personenbegrenzungen bei öffentlichen Veranstaltungen wie Konzerten, Fußballspielen und bei privaten Feiern sollen am 29. September aufgehoben werden. Auch die Empfehlung, von zu Hause aus zu arbeiten, soll zurückgenommen werden.

Ab Ende September gelten nur noch wenige Empfehlungen, etwa für Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln im öffentlichen Raum. Für Großereignisse überlegt die Regierung, einen Gesundheitspass einzuführen. Mittlerweile sind 82 Prozent der Bevölkerung über 16 Jahre mit einer Impfdosis und 70 Prozent mit zwei Dosen geimpft.

Schule ohne Impfung

Der Schulbetrieb wird weiterhin ohne Impfung möglich sein. Schon im vergangenen Schuljahr durften die Jahrgangsstufen eins bis neun Unterricht ohne Masken, Schulschließungen, Abstandsregeln oder Stoßlüften erleben. Allein das regelmäßige Waschen der Hände gemahnte an das Virus.

Für die staatliche Gesundheitsbehörde Folkhälsomyndigheten, kurz FOHM, deutete schon im vergangenen Jahr der Wissensstand darauf hin, „dass das schulische Umfeld kein Risikoumfeld für Kinder und Jugendliche darstellt, sondern dass die Ansteckungen eher in der Freizeit geschehen.“

Schulen, die in der 8. und 9. Klasse der Oberstufe auf Distanzunterricht setzten, wurden vom FOHM aufgefordert, dies rückgängig zu machen – da die Nachteile überwiegen würden.

Seit dem Ende der zehnwöchigen Sommerferien Mitte August dürfen auch die Jugendlichen ab der zehnten Klasse wieder zum Präsenzunterricht in ihren Klassen zurückkehren, nach mehreren Monaten im Distanz- oder Wechselunterricht.

Das FOHM erklärte auch deutlich, dass die Berufsgruppen, die in größerem Umfang Kinder in der Schule treffen, Grundschullehrer, Kindergärtner und Kinderpfleger, im Vergleich zu anderen Berufsgruppen kein relativ erhöhtes Risiko haben, Covid-19 diagnostiziert zu bekommen.

Endlosschleife?

Ein ganz anderes Problem hat Israel, das Musterland der Impfstrategie gegen COVID-19. Vor den Massenimpfungen lagen die täglichen COVID-Fälle bei rund 10.000 Menschen pro Tag. Bis Mai 2021 war die Bevölkerung weitgehend geimpft und die Infektionszahl sank in den einstelligen Bereich.

Aktuell ist jedoch die Anzahl von täglich 10.000 Neuinfektionen erneut erreicht und beschert Israel eine der höchsten Infektionsraten der Welt. Die Rate der Krankenhausaufenthalte ist doppelt so hoch wie in Italien, fünfmal so hoch wie in Kanada und siebenmal so hoch wie in Schweden. Auch die Zahl der COVID-Patienten auf den Intensivstationen ist erstaunlich – dreimal so hoch wie in Italien, zweimal so hoch wie in Kanada und siebenmal so hoch wie in Schweden.

Die Antwort der Gesundheitsbehörden darauf besteht darin, immer mehr und immer jüngere Menschen in immer schnellerem Tempo zu impfen. Die Impfstoffe hätten ja hervorragend funktioniert, jedoch nicht lange.

Israel ist derzeit dabei, alle über 12-Jährigen mit einer dritten Auffrischungsimpfung zu versehen. Versucht wird, die dritte Impfung zu verabreichen, bevor die zweite nachlässt. Etwa 60 Prozent der hospitalisierten COVID-19-Patienten ist vollständig, meist mit dem Impfstoff von Pfizer-BioNTech, geimpft.

Die israelischen Behörden räumen ein, dass die dritte Impfung ebenfalls nachlassen könnte. Wie dieses Problem gelöst werden kann, ist ungewiss.

Schweden reagierte zügig: mit Einreiseverboten für Menschen aus Israel.



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