Scholz will Indien-Beziehungen stärken und Indiens Russland-Bindung schwächen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist zu einem zweitägigen Besuch in Indien eingetroffen. In der Hauptstadt Neu Delhi will er sich mit Premierminister Narendra Modi treffen, der in diesem Jahr den Vorsitz in der G20 führender Wirtschaftsmächte hat.
Zu den Hauptthemen des Kanzler-Besuchs wird der russische Krieg gegen die Ukraine zählen, zu dem Indien eine neutrale Haltung einnimmt. Der Resolution, mit der die UN-Vollversammlung am Donnerstag einen Rückzug Russlands aus der Ukraine forderte, stimmte Indien nicht zu, sondern enthielt sich.
Keine Belehrungen wegen Russland-Kurs
Scholz will die wirtschaftlichen und strategischen Beziehungen zu Indien ausbauen – um eigene Abhängigkeiten von China zu verringern, aber auch um Indien aus seiner engen Bindung an Russland zu lösen. Er will bei seinem ersten Besuch auf dem Subkontinent als Kanzler aber auch nicht belehrend daherkommen.
Seine Reise bereitete Scholz vergangenes Wochenende in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit einem Zitat des indischen Außenministers Subrahmanyam Jaishankar vor, das er sich zu eigen machte: „Europa muss aus der Mentalität herauswachsen, dass die Probleme Europas die Probleme der Welt sind, aber die Probleme der Welt nicht die Probleme Europas sind.“
Auch in einem Interview der „Times of India“ kurz vor seiner Reise vermied Scholz Kritik am Russland-Kurs Indiens und betonte die Gemeinsamkeiten. „Gemeinsam stehen wir für die Souveränität von Staaten und die friedliche Beilegung von Konflikten weltweit ein. Wir stehen fest hinter der Botschaft, dass der Neo-Imperialismus nicht siegen wird – die Geschichte hat dies schon mehrfach bewiesen“, sagte er.
Russland rüstet Großteil indischer Streitkräfte aus
Indien arbeitet nicht nur wirtschaftlich eng mit Russland zusammen. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat es seine Importe von relativ günstigem russischen Öl ausgeweitet. Kritiker werfen dem Land vor, so die Sanktionen des Westens auszuhebeln.
Die Bundesregierung will das nicht problematisieren. „Es wäre falsch, wenn wir das als Provokation begreifen würden“, heißt es aus Regierungskreisen. Angesichts der Größe Indiens mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern und der Herausforderungen, vor denen das Land stehe, sei es „rein marktwirtschaftlich kein unvernünftiges Verhalten“ Indiens.
Auch militärisch steht Indien Russland sehr nahe. Ein Großteil der Ausrüstung der indischen Streitkräfte stammt von dort. „Dass das so bleibt, kann nicht in unserem Interesse sein“, heißt es aus deutschen Regierungskreisen. Die Kooperation im Rüstungsbereich werde bei der Reise daher „eine wichtige Rolle“ spielen. Es gebe da auch schon „einige interessante Projekte“, vor allem im maritimen Bereich.
Indien will neue U-Boote – vielleicht mit deutscher Hilfe
Indischen Medienberichten zufolge sucht die Regierung in Neu-Delhi einen Kooperationspartner für die Produktion von sechs U-Booten. Aus Deutschland käme dafür ThyssenKrupp Marine Systems infrage, aber auch Südkorea soll im Rennen sein. Ein solches Geschäft wäre mehrere Milliarden Euro wert.
Derzeit verfügt Indien über 16 konventionelle und ein nukleares U-Boot. Das Land zählt zu den mutmaßlich insgesamt neun Ländern, die über Atomwaffen verfügen und steht seit Jahrzehnten in einem Konflikt mit dem ebenfalls nuklear bewaffneten Nachbarland Pakistan. Waffenexporte nach Indien sind daher umstritten.
Ein Dutzend Wirtschaftsvertreter dabei
Scholz wird auf der Reise von einem Dutzend Wirtschaftsvertretern begleitet. In Indien sind bereits 1.800 deutsche Unternehmen tätig, unter anderem wird Scholz am Sonntag in der Hightech-Metropole Bengaluru – dem südindischen Silicon Valley – einen Standort des Softwarekonzerns SAP besuchen.
Scholz sieht Potenzial für eine verstärkte Zusammenarbeit vor allem bei erneuerbaren Energien, Wasserstoff, Mobilität, der Pharmaindustrie und der Digitalwirtschaft. (dpa)
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