Scholz und Morawiecki betonen Freundschaft trotz offener Streitfragen

In dem von Spannungen geprägten Verhältnis zwischen Deutschland und Polen hat sich der neue Bundeskanzler Scholz für eine weitere Vertiefung der Beziehungen ausgesprochen.
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Olaf Scholz und Mateusz Morawiecki in Warschau.Foto: JANEK SKARZYNSKI/AFP via Getty Images
Epoch Times13. Dezember 2021

Beim Antrittsbesuch des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) in Polen sind deutliche Meinungsunterschiede der beiden Regierungen sichtbar geworden. Scholz und Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki legten nach ihrem Gespräch am Sonntagabend in Warschau dennoch beide ein nachdrückliches Bekenntnis zur deutsch-polnischen Freundschaft ab. „Es geht darum, dass wir diese Beziehung immer weiter vertiefen“, sagte Scholz. Morawiecki sprach angesichts des Regierungswechsels in Berlin von einem „neuen Kapitel“ in den bilateralen Beziehungen.

Morawiecki brachte in der gemeinsamen Pressekonferenz eine ganze Reihe von Streitpunkten zur Sprache. Zur umstrittenen deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 sagte er: „Das Beste wäre, eine Eröffnung von Nord Stream 2 gar nicht zuzulassen.“ Eine Inbetriebnahme würde insbesondere die Ukraine, aber auch den Rest Europas anfällig für „Gaserpressung“ durch Russland machen.

Scholz sagte zu, dass sich die Bundesregierung auch unter seiner Führung mit aller Kraft dafür einsetzen werde, dass die Ukraine Transitland für russisches Gas bleibt.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bekräftigte derweil ihre Bedenken bezüglich einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2. Sie sehe derzeit keine Grundlage für eine abschließende Genehmigung der Gaspipeline, sagte Baerbock am Sonntag im ZDF-„heute journal“. Die Pipeline erfülle die Vorgaben des europäischen Energierechts nicht. Zudem sei klar, „dass bei weiteren Eskalationen diese Pipeline so nicht weiter ans Netz gehen könnte“, fügte sie mit Blick auf den Ukraine-Konflikt hinzu.

Scholz sagte in Warschau, die Bundesregierung beobachte die russischen Truppenbewegungen entlang der ukrainischen Grenze „mit großer Sorge, und wir machen sehr klar, dass es nicht sein kann, dass die Grenzen in Europa verletzt werden“. Der Kanzler betonte: „Niemand sollte denken, dass man sie einfach verletzen könnte, ohne dass dies harte Konsequenzen hätte.“

Polen gegen EU als „föderalen Bundesstaat“

Morawiecki übte bei dem Treffen mit Scholz auch Kritik an dem im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vereinbarten Ziel, die EU zu einem „föderalen Bundesstaat“ weiterzuentwickeln: In polnischen Ohren klinge diese Vision nach „bürokratischem Zentralismus – das ist eine Utopie und gefährlich“.

Scholz sagte seinen Gastgebern unterdessen weitere Unterstützung in der Krise an der Grenze zu Belarus zu, wo tausende Migranten auf eine Möglichkeit zur Einreise in die EU warten. Hinter der Krise stehe eine „menschenverachtende Politik“ des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko. „Wir werden weiter solidarisch mit Polen gegen diesen unangemessenen Weg einer hybriden Kriegsführung vorgehen“, sagte Scholz. Morawiecki sagte: „Wir verteidigen die Ostgrenze der EU. Wir verteidigen damit auch die deutsche Grenze.“

Scholz sprach nach der Unterredung mit Morawiecki auch den Streit zwischen der EU-Kommission und Polen über die polnischen Justizreformen an. Seine Regierung würde es begrüßen, wenn die Gespräche zwischen Warschau und Brüssel „bald zu einer guten und pragmatischen Lösung führen könnten“, sagte der SPD-Politiker.

Scholz mit militärischen Ehren empfangen

Der Umbau der polnischen Justiz durch die Regierung bereitet auch der neuen Bundesregierung große Sorge. Offene Kritik beim Streitthema Rechtsstaatlichkeit vermied Scholz aber. Er verwies auf gemeinsame europäische Werte und plädierte für eine gemeinschaftliche Verhandlungslösung in der EU.

Der polnische Ministerpräsident erwähnte bei dem Treffen mit Scholz auch die Debatte über deutsche Reparationen. Seine Regierung will, dass Deutschland in Gespräche mit Polen über eine Wiedergutmachung für Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg eintrete.

Die Bundesregierung sieht keine rechtliche Grundlage für Nachforderungen aus Polen. Sie argumentiert unter anderem damit, dass die kommunistische polnische Führung 1953 ihren Verzicht auf deutsche Reparationen erklärt hatte. Dieses Argument griff Scholz auch in Warschau auf. Er fügte hinzu, die deutsche Geschichte sei „ein Grund mehr, dass Deutschland bereit und gewillt ist, sehr hohe Beiträge zur Finanzierung des europäischen Haushalts zu leisten“.

Polens Ministerpräsident hatte den Gast aus Berlin zuvor mit militärischen Ehren empfangen. Daran schloss sich ein Gespräch unter vier Augen an, zu dem später die Delegationen hinzustießen. Vor dem Rückflug nach Berlin legte Scholz einen Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten nieder. (afp/oz)



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