Scholz, Macron und die deutsch-französische Beziehungskrise
Knapp ein Jahr ist es her, dass Olaf Scholz sich im Pariser Elyséepalast beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron als der neue Bundeskanzler vorstellte. Damals lief es alles in allem noch ganz gut im deutsch-französischen Verhältnis.
Scholz versicherte, dass er mit Macron für ein starkes Europa an einem Strang ziehen wolle. Und Macron wünschte sich ein ähnlich gutes Zusammenspiel mit Scholz wie mit dessen Vorgängerin Angela Merkel. „Wir haben den Willen manifestiert, zusammenzuarbeiten“, fasste der französische Präsident das Ergebnis des ersten Treffens mit dem Neuen aus Berlin zusammen.
Von diesem Willen ist heute nicht mehr viel zu spüren. Anfang vergangener Woche wurde ein Treffen beider Regierungen in Fontainebleau bei Paris kurzfristig auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben – ein sehr ungewöhnlicher Schritt bei so engen Partnern. Zu groß waren die Differenzen auf wichtigen Feldern wie Energie und Verteidigung. Die deutsche Seite machte zudem Terminprobleme geltend, was die Sache nicht verbesserte. Medien berichteten, das Treffen sei bei mehreren deutschen Kabinettsmitgliedern mit der Urlaubsplanung für die Herbstferien kollidiert.
Macron warnt vor deutscher Isolation in Europa
Dann sorgte Macron beim EU-Gipfel in Brüssel auch noch mit seiner Warnung vor einer deutschen Isolation in Europa für Furore. Gemeint war der deutsche Widerstand gegen einen europäischen Gaspreisdeckel in Kombination mit dem „Doppelwumms“ des Kanzlers zur Abfederung der hohen Energiekosten. Einige EU-Ländern – inklusive Frankreich – sehen darin die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung. Scholz meint dagegen, Frankreich und viele andere Länder handelten auch nicht anders.
Nun reist der Kanzler heute zunächst einmal alleine nach Paris – ohne seine Minister. Macron empfängt ihn dort zu einem Essen, bei dem die Wogen zumindest etwas geglättet werden sollen. Neben dem Zwist um die Bewältigung der Energiekrise gibt es weitere Streitthemen.
Probleme mit gemeinsamen Rüstungsprojekten
Vor allem in der Verteidigungspolitik hakt es. Angesichts des Kriegs in der Ukraine wollen beide Länder die europäische Verteidigung stärken, doch bei den gemeinsamen Rüstungsprojekten wie der Entwicklung des neuartigen Kampfflugzeugs FCAS geht es nicht so richtig voran.
Und während Deutschland mit 14 anderen Staaten ein besseres europäisches Luftverteidigungssystems aufbauen will, hält Frankreich sich raus, sorgt sich Berichten zufolge um ein mögliches Wettrüsten. Grund für die französische Zurückhaltung könnte aber auch sein, dass das Abwehrsystem aus Israel oder den USA kommen könnte – und das französisch-italienische System Mamba außen vor bleibt.
Dem Elyséepalast dürfte auch nicht verborgen geblieben sein, dass Scholz die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen für Europa vor wenigen Wochen in seiner Prager Grundsatzrede nicht besonders hervorgehoben hat. In seiner jüngsten europapolitischen Rede auf dem Kongress der europäischen Sozialdemokraten in Berlin erwähnte er Frankreich gar nicht mehr.
Aber auch Macron nimmt es mit der deutsch-französischen Abstimmung nicht immer so genau. Nach dem Abgang Merkels kann er sich nun als der Erfahrenere neben dem Neuling Scholz an der Spitze Europas profilieren. Und das europäische Parkett bot dem im Inland geschwächten Liberalen trotz aller Streitigkeiten eine eher dankbare Bühne. So preschte er etwa mit der Idee der Europäischen Politischen Gemeinschaft alleine voran, anstatt den Vorschlag, den Berlin später unterstütze, gemeinsam mit Scholz zu präsentieren.
Merz sieht Verantwortung bei Scholz
CDU-Chef Friedrich Merz sieht die Schuld für die deutsch-französische Beziehungskrise dennoch klar bei der Bundesregierung. „Der Bundeskanzler muss diese Reise dazu nutzen, den deutsch-französischen Motor wieder zum Laufen zu bringen“, forderte der Oppositionsführer in der „Augsburger Allgemeinen“.
Scholz sieht das naturgemäß anders. Die deutsch-französische Zusammenarbeit bezeichnete er auch nach dem denkwürdigen EU-Gipfel in Brüssel in der vergangenen Woche als „sehr intensiv“. Und auch der Elyseépalast versuchte, die Wogen nach der Terminverschiebung für den deutsch-französischen Ministerrat zu glätten. „All das sagt nichts über den Stand der deutsch-französischen Beziehungen aus“, hieß es. Der deutsch-französische Ministerrat soll nun möglichst im Januar nachgeholt werden. (dpa)
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