Schicksalswahl: Frankreich stimmt über Parlament ab

Die entscheidende Runde der Neuwahlen steht an. Letzte Umfragen sehen keine absolute Mehrheit für den in Führung liegende RN um Marine Le Pen. Die Situation ist so verfahren wie lange nicht. 
Macrons Premierminister Attal muss um seinen Posten bangen. (Archivbild)
Macrons Premierminister Attal muss um seinen Posten bangen.Foto: Ludovic Marin/AP/dpa
Epoch Times7. Juli 2024

In Frankreich sind die Wähler am Sonntag zur entscheidenden zweiten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl aufgerufen. Diese könnte den Weg zur ersten Rassemblement National-Regierung des Landes seit der Gründung der aktuellen Republik ebnen.

Laut Umfragen ist aber auch die Bildung von drei weitgehend verfeindeten Blöcken in der Nationalversammlung möglich, die die Regierung lähmen und das Land in eine politische Krise führen könnten.

Mit ersten Hochrechnungen wird gegen 20:00 Uhr gerechnet. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte die Neuwahl nach dem Triumph der Partei Rassemblement National (RN) bei der Europawahl am 9. Juni ausgerufen.

Im Fall einer absoluten Mehrheit der RN bei der Wahl könnte er gezwungen sein, deren Parteichef Jordan Bardella zum Regierungschef zu machen.

577 Sitze sind zu vergeben

Letzte Umfragen sehen keine absolute Mehrheit für den in Führung liegende RN um Marine Le Pen. Demnach käme die Partei auf 205 bis 240 Sitze. Sie würden zwar stärkste Kraft werden, die absolute Mehrheit von 289 Sitzen in der Nationalversammlung aber verfehlen.

Auf Rang zwei käme demnach das für die vorgezogene Parlamentswahl gebildete neue Linksbündnis aus Grünen, Sozialisten, Kommunisten und Linkspartei.

Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron müsste laut den Umfrageinstituten eine Niederlage kassieren und landet auf Rang drei.

In der ersten Wahlrunde lag nun wie bei der Europawahl der RN vorne, gefolgt vom neuen Linksbündnis sowie Macrons Mitte-Lager auf Rang drei. 76 der 577 Abgeordnetenplätze wurden bereits vergeben, die meisten für das RN (39) oder das Linksbündnis (32).

Verfahrene Situation

Vor der Endrunde der Parlamentswahl zeichnet sich also keine regierungsfähige Mehrheit ab. Erwartet wird unabhängig vom Wahlausgang, dass die bestehende Regierung von Premierminister Gabriel Attal noch einige Tage geschäftsführend im Amt ist, bis über die Bildung einer künftigen Regierung Klarheit herrscht. Das könnte allerdings dauern – die Situation ist so verfahren wie lange nicht.

Sollte das RN eine absolute Mehrheit erringen, stünde Macron unter dem politischen Zwang, einen Premierminister aus den Reihen der RN – vermutlich Jordan Bardella – zu ernennen. Damit gäbe es in Frankreich erstmals seit 1997 wieder eine sogenannte Kohabitation.

Das bedeutet, dass Präsident und Premierminister unterschiedliche politische Richtungen vertreten. Dies wäre ein Einschnitt in der Geschichte des Landes und hätte auch für die europäische Politik große Auswirkungen.

Konservative könnten Königsmacher sein

Bei einer starken relativen Mehrheit für das RN wird damit gerechnet, dass dieses versucht, weitere Abgeordnete der bürgerlich-konservativen Républicains (LR) auf seine Seite zu ziehen, um Entscheidungsmacht im Parlament zu erlangen.

Die ehemalige Volkspartei hatte sich im Anlauf zur Wahl gespalten. Ihr Vorsitzender Éric Ciotti hatte unabgestimmt mit seiner Partei eine Kooperation mit dem RN vereinbart, nur eine kleinere Zahl von Abgeordneten folgte ihm. Die Frage ist nun, wie die übrigen Abgeordneten sich verhalten, die in der ersten Wahlrunde rund zehn Prozent an Wählerstimmen auf sich vereinten.

Drohender Stillstand

Offen ist im Moment, wie es in Frankreich weitergeht, wenn der Schulterschluss gegen das RN tatsächlich funktioniert.

Da die Abgeordnetenplätze nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben werden, haben sich in über 200 Wahlkreisen die in der ersten Runde jeweils drittplatzierten Kandidaten der übrigen Parteien zurückgezogen, damit die Chance steigt, dass der verbliebene Kandidat einer bürgerlichen Partei den Bewerber der Rechtsnationalen schlägt. Ein solcher Schutzwall gegen die Rechte wird in Frankreich nicht zum ersten Mal praktiziert. Ob er zu einer tragfähigen Regierung führen wird, ist offen.

Denn die übrigen Lager – einschließlich der wiedererstarkten Sozialisten – haben bereits klargemacht, dass sie nicht in einer Art nationaler Koalition miteinander regieren wollen. Dann könnte die aktuelle Regierung als Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expertenregierung eingesetzt werden.

Das Macron-Bündnis könnte nach dem Poker des Präsidenten um mehr Macht mit der vorgezogenen Parlamentswahl vor einem Scherbenhaufen stehen und im Parlament nur noch in stark reduzierter Zahl vertreten sein. Neue Vorhaben könnte eine Regierung ohne Mehrheit nicht auf den Weg bringen. Frankreich droht damit politischer Stillstand. (dpa/red)



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