„Schande für Europa“: Kritik zum EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei
Zum dritten Jahrestag des EU-Flüchtlingspakts mit der Türkei hat es scharfe Kritik an der Behandlung der Flüchtlinge auf den griechischen Ägäis-Inseln gegeben. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenze bezeichnete den EU-Türkei-Deal am Montag als „Hauptgrund“ für die „entwürdigenden, krankmachenden Bedingungen in den überfüllten Lagern“. Laut der „Welt“ bezeichnete auch die EU-Kommission die Situation in einem internen Bericht als „Schande für Europa“.
„Griechenland ist zu einem Abladeplatz für Frauen, Männer und Kinder geworden, für deren Schutz die EU nicht sorgt“, erklärte der Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen, Emmanuel Goué.
Der EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei habe „zu einem nicht entschuldbaren Ausmaß menschlichen Leids geführt“. Die Bundesregierung und die anderen Verantwortlichen müssten ihre „desaströse Abschreckungspolitik“ beenden, forderte er.
Das Abkommen funktioniert nicht
Die EU hatte am 18. März 2016 mit der Türkei vereinbart, dass das Land alle Flüchtlinge zurücknimmt, die von der Türkei auf die griechische Inseln übersetzen. Für jeden zurückgebrachten Syrer versprach die EU, einen anderen Syrer aus der Türkei aufzunehmen. Zudem sagte die EU Ankara sechs Milliarden Euro zur Versorgung der 3,5 Millionen syrischen Flüchtlingen in der Türkei zu. In der Folge ging die Zahl der Flüchtlinge auf der Ägäis-Route deutlich zurück.
Allerdings wurden seitdem aus rechtlichen Gründen nur wenige hundert Flüchtlinge pro Jahr in die Türkei zurückgebracht, so dass tausende Menschen teils über Jahre unter oft menschenunwürdigen Zuständen in völlig überfüllten Lagern auf den Inseln festsitzen. Ärzte ohne Grenzen erklärte, besonders auf der Insel Samos habe sich die Situation für die Flüchtlinge so sehr verschärft, dass sie dort wieder mit medizinischer Hilfe begonnen habe.
Die „Welt am Sonntag“ zitierte einen internen Drahtbericht der deutschen Botschaft in Athen, wonach der Vorsitzende des Lenkungsausschusses zur Umsetzung des Flüchtlingsdeals, Simon Mordue, die Situation in dem Lager auf Samos als „Schande für Europa“ bezeichnete. Demnach heißt es in dem Drahtbericht, es werde voraussichtlich „auch 2019 nicht gelingen, die Rückführungsquote erheblich zu steigern“.
Vor allem Frauen und Kinder säßen dort fest
Auch Amnesty International kritisierte am Montag die Lebensbedingungen in den Lagern. „Die Situation von tausenden Migranten und Flüchtlingen auf den Inseln ist eine Wundmal auf dem Gewissen Europas“, erklärte der Amnesty-Vertreter Fotis Filippou. Die Organisation projizierte am Sonntagabend in Athen den Schriftzug „Humanity First, Refugees Welcome“ (Menschlichkeit zuerst, Flüchtlinge willkommen) auf eine Seite der Akropolis.
Laut Amnesty sitzen derzeit mehr als 15.000 Menschen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln fest, mehr als die Hälfte davon Frauen und Kinder. Die europäischen Staatsführer müssten die „Tragödie“ beenden, die tausende Menschen auf den Inseln wegen des Flüchtlingspakts erlitten, und dafür sorgen, dass die Flüchtlinge aufs griechische Festland und weiter in die EU-Staaten gebracht würden, forderte Amnesty.
Trotz der Kritik am Flüchtlingsdeal hält die EU weiter daran fest. Bei dem EU-Assoziierungsrat mit der Türkei am vergangenen Freitag betonte die EU, dass die weitere Umsetzung der Vereinbarung im Interesse beider Seiten und entscheidend für den Stopp der illegalen Migration sei. Die EU lobte zudem die Bemühungen Ankaras zur Versorgung der vier Millionen Flüchtlinge in der Türkei. (afp)
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