Salvini zu Coronavirus und Flüchtlingskrise: „Man kann nicht an der europäischen Bürokratie sterben“
Der Chef der italienischen Lega, Matteo Salvini hat ein Interview mit der „Leading European Newspaper Alliance“ (LENA) geführt, an der unter anderem Zeitungen wie „La Repubblica“, Le Figaro“ oder der „Tages-Anzeiger“ teilnehmen. Darin äußerte er sich unter anderem zu Themen wie dem Coronavirus, der EU-Politik oder der Flüchtlingskrise an der türkisch-griechischen Grenze. In Deutschland veröffentlichte „Die Welt“ den Inhalt des Gespräches.
Obwohl sein Versuch, im Sommer des Vorjahres Neuwahlen herbeizuführen, am fliegenden Koalitionswechsel seines vorherigen Regierungspartners, der „Fünf-Sterne-Bewegung, gescheitert war, ist Salvini in Italien der jüngsten Umfrage von EMG Acqua zufolge immer noch der zweitpopulärste Politiker – knapp hinter der Chefin der ebenfalls rechtskonservativen „Fratelli d’Italia“, Giorgia Meloni. Auch seine Partei liegt mit um die 30 Prozent Stimmenanteil deutlich in Führung. Im Mai wird in sechs Provinzen des Landes gewählt.
Salvini: „Regierung hat zu spät auf Coronavirus reagiert“
Im Zusammenhang mit dem Coronavirus wirft Salvini der Regierung in Rom vor, nicht rechtzeitig auf die Warnungen, die bereits im Januar gekommen seien, gehört zu haben. Anders als in Deutschland haben in Italien die Bundesbehörden in Rom das letzte Wort bezüglich weitreichender Maßnahmen wie Schulschließungen oder Notverordnungen zum Schutz vor der Ausbreitung von Seuchen.
„Die Gouverneure der Lega haben am 3. Februar Alarm geschlagen, woraufhin uns die Regierung mitteilte, wir sollten nicht übertreiben“, erklärt Salvini. „Wenn sie sich früher in Gang gesetzt hätte, gäbe es jetzt weniger Probleme.“
Mittlerweile sind staatliche Bildungseinrichtungen geschlossen. Derzeit zählt das Land knapp 4000 Corona-Fälle. Das nunmehr in Rom beschlossene, 3,6 Milliarden Euro teure Maßnahmenpaket reiche bei weitem nicht aus, um die Krise und deren Folgen, von denen Italien in der EU am stärksten betroffen ist, zu bewältigen. Salvini hält mindestens das Zehnfache an Mitteln für erforderlich:
„Die Unternehmen gehen davon aus, dass 50 Milliarden Euro notwendig sein werden, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Jeder Punkt des Bruttoinlandsprodukts entspricht 18 Milliarden Euro. Und Schätzungen gehen von einem Rückgang von zwei Prozent aus, was bedeutet, dass wir mindestens 36 Milliarden Euro brauchen.“
Vorwand für Handelskrieg gegen Italien
Das erforderliche Geld müsse aus einem Konjunkturprogramm für staatliche Bauvorhaben umgeleitet werden, zudem müsse die EU sich flexibel zeigen, wenn es darum geht, Italien freie Hand im Umgang mit der Situation zu lassen. Es werde eine Rezession geben, und manche Bereiche würden zwei Jahre brauchen, um sich wieder zu erholen.
Salvini verteidigte zwar das Recht jedes Landes, seine Grenzen zu kontrollieren und die Gesundheit seiner Bürger zu schützen – was auch das Recht miteinschließe, italienische Staatsbürger bei der Einreise zu kontrollieren oder sogar abzuweisen. Andererseits, so Salvini, werde das Virus zum Vorwand genommen, um einen Handelskrieg gegen Italien zu führen:
„Einige haben einen Handelskrieg gegen Italien begonnen – und nutzen den Virus als Ausrede. Handelswaren sind doch mit Blick auf Corona völlig unproblematisch, auch landwirtschaftliche Produkte nicht. Wenn jemand deren Einfuhr verweigert, dann geht es ihm um wirtschaftliche Interessen.“
Ein Aussetzen von Schengen wäre aus Sicht des Lega-Chefs naheliegend, dafür sei es mittlerweile jedoch zu spät.
Solidarität mit Griechenland in der Flüchtlingskrise
Was für den Umgang mit dem Coronavirus gelte, müsse auch für Themen wie den Euro oder die Migrationspolitik gelten, erklärte Salvini. Er unterstütze länderübergreifende Bestrebungen, die EU von innen heraus zu verändern und den Apparat auf diese Weise zu mehr Flexibilität zu zwingen. Die aktuelle Krise sei ein Test:
„Wenn die EU ihre Regeln reformiert und flexibilisiert, dann wäre es sinnvoll, dabeizubleiben. Aber wenn nur immer ein Nein kommt […] man kann nicht an der europäischen Bürokratie sterben.“
Salvini solidarisierte sich angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise an der EU-Außengrenze mit Griechenland und der griechischen Polizei. Die Türkei erfülle nicht die europäischen Standards und man dürfe Athen gerade jetzt nicht allein lassen. Gleichzeitig verteidigte Salvini seine rigide Flüchtlingspolitik in der Zeit, da er als Italiens Innenminister gedient hatte.
„Frauen und Kinder konnten immer an Land gehen“, betonte Salvini. „Und mehr noch: Die aktuelle italienische Regierung hat letztendlich humanitäre Korridore verhindert, über die Menschen aus Afrika hätten kommen können, die tatsächlich vor Kriegen flüchteten. Ich habe das illegale Einschleusen von Menschen bekämpft.“
Überalterung durch bessere Familienpolitik bekämpfen
Mittlerweile hätten die NGOs, die in seiner Amtszeit reihenweise ihre Tätigkeit der privaten „Seenotrettung“ eingestellt hätten, diese wieder aufgenommen – mit dem Effekt, dass die Zahl der angelandeten Migranten vergangenes Jahr von 240 auf 2700 gestiegen sei. Dies zeige deutlich den Pull-Effekt, den die Tätigkeit der privaten „Seenotretter“ bewirke. Die Folgen der illegalen Einwanderung zeigten sich anschließend in italienischen Städten.
Salvini wies zudem auch noch einmal den Gedanken zurück, die Überalterung in Europa, die sich auch in seinem Land zeige, durch Einwanderung bekämpfen zu wollen:
„Was wir brauchen, ist eine Familienpolitik, die es den jungen Italienern ermöglicht, sich ein Haus zu kaufen und Kinder zu bekommen. Und nicht Menschen in anderen Ländern aus ihren Häusern zu werfen, um sie dann in unsere Fabriken zu holen.“
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion