Russlands nächster Schachzug gegen den Dollar und die westliche Handelsmacht

Russland plant die Gründung einer BRICS-Getreidebörse, um seinen Einfluss auf die Getreidemärkte zu stärken und die Handelsbeziehungen innerhalb des Blocks zu festigen. Dies könnte zu einer globalen Machtverschiebung führen und den Dollar als weltweite Leitwährung herausfordern.
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Eine BRICS-Getreidebörse könnte den globalen Getreidehandel verändern.Foto: VLADIMIR NIKOLAYEV/AFP via Getty Images
Von 2. Mai 2024

Russland plant die Gründung einer BRICS-Getreidebörse. Einen entsprechenden Vorstoß des russischen Verbands der Getreideexporteure aus dem letzten Dezember hatte im März der russische Präsident Wladimir Putin öffentlich unterstützt. Das schreibt die „South China Morning Post“ (SCMP), Hongkongs größte englischsprachige Tageszeitung.

Putin nannte es demnach ungerecht, dass die Preise für Getreide – 26 Prozent des weltweiten Handelsvolumens werden aus Russland geliefert – in Staaten festgesetzt werden, die gleichzeitig die Abrechnung mit russischen Banken erschwerten. Der russische Präsident erklärte weiter, dass der Vorteil einer solchen neuen Handelsplattform darin liegen würde, dass die teilnehmenden Staaten die Lieferungen in ihrer nationalen Währung bezahlen können und keinen Umweg über den Dollar oder den Euro gehen müssen. 

BRICS-Staaten: Wichtige Rolle bei Produktion und Verbrauch

Die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika spielen tatsächlich eine wichtige Rolle sowohl bei der Produktion als auch beim Verbrauch von Getreide. Laut Angaben des russischen Landwirtschaftsministeriums stellen sie etwa 42 Prozent der weltweiten Getreideernte her, während ihr Anteil am globalen Verbrauch bei ungefähr 40 Prozent liegt.

Durch den Beitritt von Saudi-Arabien, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Iran und Äthiopien in diesem Jahr steigt die geschätzte Getreideproduktion des Blocks auf über 1,24 Milliarden Tonnen, während der Verbrauch bei 1,23 Milliarden Tonnen liegt.

BRICS-Gipfel 2023 in Johannesburg. Foto: Alet Pretorius/Pool/AFP via Getty Images

Laut SCMP hat Russland großes Interesse an einer BRICS-Getreidebörse, da es damit seinen geoökonomischen Einfluss auf die teilnehmenden Länder stärken könnte. Russland ist ein weltweit wichtiger Getreide- und Düngemittellieferant. Mit so einer Börse könnte das Land sein politisches Gewicht im BRICS-Block erhöhen. 

Aber nicht nur Russland könnte von so einer Börse profitieren. Für die anderen BRICS-Länder könnten sich Unsicherheiten verringern, die mit fragilen Lieferketten verbunden sind. Eine BRICS-Getreidebörse könnte eine stabilere Getreideversorgung und Ernährungssicherheit gewährleisten. Darauf weist eine Analyse des Onlineportals „Telepolis“ hin.  

Corona war für viele Länder ein Schock mit globalen Auswirkungen. Die globalen Lieferketten wurden unterbrochen und die globale Arbeitsteilung erwies sich als fragil. Dies wurde noch deutlicher mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, der die globale Lage grundlegend verändert hat.

Die Folgen wurden nicht nur sichtbar in der europäischen Nachbarschaft, sondern wirken auch global. So gerieten zahlreiche Länder, die von Nahrungsmittelimporten aus Russland und der Ukraine abhängig waren, in Versorgungskrisen. Betroffen waren unter anderem zahlreiche Länder auf dem afrikanischen Kontinent, vor allem Ägypten, Algerien und Äthiopien. Diese Länder versuchen nun, ihre Lieferketten zu stabilisieren.

Viele BRICS-Mitglieder sind aber auch rohstoffreiche Länder. So beispielsweise der Iran oder die Vereinigten Arabischen Emirate, die hohe Ölvorkommen besitzen, sowie Brasilien mit Eisenerz, Soja und Zucker oder Äthiopien mit Kaffee und Ölsaaten. Russland stößt hier mit Getreide und Düngemitteln dazu, wovon auch China eine große Menge produzieren kann. Viele Länder, die sich dem BRICS-Block angeschlossen haben, wollen den Handel untereinander stärken.

Mittelfristige Stärkung des interregionalen Handels

SCMP spekuliert weiter, dass eine Getreidebörse ein notwendiger Schritt in Richtung Unabhängigkeit von der Dominanz des Dollars sein könnte. Mittelfristig könnte so der interregionale Handel zwischen den BRICS-Ländern noch mehr gestärkt werden. Sogar ein umfassender Rohstoffaustausch innerhalb des BRICS-Blocks könnte so entstehen. 

Wie die Zeitung schreibt, habe Ägypten schon vorgeschlagen, dass es ein globales Getreidelagerzentrum errichten könnte. Das sei auf Interesse bei den BRICS-Staaten gestoßen. 

Eine BRICS-Getreidebörse könnte laut SCMP die geopolitische und geostrategische Ausrichtung der teilnehmenden Nationen durch verstärkte Agrar- und Handelsbeziehungen mit Russland stärken. Somit würden sich die globalen Machtverhältnisse verschieben.

Die USA und Kanada gehören heute neben China und Russland zu den Ländern, die große Mengen an Düngemitteln exportieren. Australien, die USA und Kanada sind zudem große Getreideexporteure. Wenn sie nun mit dem momentan billigeren russischen Getreide konkurrieren müssen, könnte es diesen Ländern schwerer fallen, ihre Marktanteile auf dem Weltmarkt zu halten.

Ein Arbeiter verlädt Säcke mit chemischem Dünger zur Ausfuhr in einem Hafen in Nantong, Provinz Jiangsu, China, am 31. Januar 2020. Foto: STR/AFP via Getty Images

Wie „Telepolis“ schreibt, wird Russland in diesem Jahr voraussichtlich 56 Prozent seiner Weizenernte exportieren, was ein Rekordwert wäre. Die USA hingegen werden laut SCMP in diesem Jahr nur 39 Prozent ihrer Weizenernte exportieren. Das wäre ein Rückgang, da das Land bisher im Schnitt 50 Prozent der Ernte exportiert hat. 

Schon längere Zeit spielt Weizen in den USA nicht mehr die dominante Rolle wie früher. „Die Zahl der Weizenfarmen ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark zurückgegangen, weil viele US-Landwirte auf profitablere Produkte wie Sojabohnen und Mais umsteigen. Die Zahl der Weizenfarmen in den USA ist laut Volkszählungsdaten seit 2002 um mehr als 40 Prozent zurückgegangen“, rechnet Nathan Owens in einer Analyse für das Fachmagazin „Agriculture Dive“ vor.

Weiter hatte auch die lang anhaltende Trockenheit in den USA laut Owens Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von rotem Winterweizen. Dieser Weizen gehört üblicherweise zu den von den USA am meisten exportierten Getreidesorten. Aufgrund der Knappheit von Winterweizen in den USA stiegen dort die Preise für die Einkäufer. Diese schauten sich auf dem Markt um und kauften bei anderen Ländern.

Am 8. März sollten 240.000 Tonnen Weizen, am 15. März sogar 264.000 Tonnen, von den USA nach China geliefert werden, wie die „Agrarzeitung“ berichtete. Allerdings wurden, wie geschrieben, die Verträge für den US-Winterweizen von chinesischer Seite aufgelöst. US-Exporteure blieben nun entweder auf 504.000 Tonnen Weizen sitzen oder mussten sich nach anderen Käufern umsehen. Laut den Daten des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA), die bis ins Jahr 1999 zurückreichen, war das die bisher größte stornierte Menge. Den Weizenpreis trieb das weiter in den Keller.

Auch Lieferungen von australischem Weizen waren im März von dieser Entwicklung betroffen. Chinesische Importeure von Weizen stornierten etwa eine Million Tonnen australischer Weizenlieferungen oder verschoben sie ins zweite Quartal.

Ernte auf einer Farm, westlich von Melbourne. Symbolbild. Foto: William West/AFP via Getty Images

Dollar als Leitwährung könnte geschwächt werden

Noch ist eine BRICS-Getreidebörse Zukunftsmusik. Viele Fragen sind nach wie vor ungeklärt. Auch wenn eine Zahlungsmöglichkeit in der jeweiligen nationalen Währung angedeutet wurde, ist nicht ausgeschlossen, dass am Ende der Rubel oder der Yuan die Leitwährung auf der neuen Handelsplattform werden könnte. Sowohl Russland als auch China könnten hier Interesse haben, dass ihre Währung zum Clearing genutzt wird und damit faktisch Leitwährung wird. 

Für Nettoagrarimporteure wie die Staaten im Nahen Osten wäre das keine Verbesserung: Sie müssten ihre Petrodollars dann eben in die neue Leitwährung umtauschen, um Handel auf der neuen Plattform zu betreiben. Bisher können sie ihre Petro- oder Agrardollars problemlos sofort in den USA recyceln. Daher wären es die USA, die eine BRICS-Getreidebörse sofort spüren würden – die Rolle des Dollars als internationale Leitwährung wäre geschwächt.

Agrar- und Petrodollar generieren heute eine ständige Nachfrage nach der US-Währung und stützen sie dadurch. Das wäre dann nicht mehr in diesem Ausmaß wie heute der Fall. Russland könnte bei seinem Vorschlag der Gründung einer BRICS-Getreidebörse einkalkuliert haben, dass damit Druck auf den Dollar entstehen könnte. 

Russland bleibt im Moment auf Getreide sitzen

Der russische Vorschlag einer BRICS-Getreidebörse kann aber auch noch einen weiteren Hintergrund haben. Sowohl 2022 als auch 2023 hat Russland eine ausgezeichnete Ernte gehabt. Russland sitzt nun auf hohen Beständen und der entstandene Exportdruck lässt die Preise für Getreide in den Keller rauschen. Unter anderem berichtete das Onlineportal „Mundus Agri“ über dieses Phänomen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Getreidepreise auf dem Weltmarkt seit einiger Zeit gefallen sind, da die Ukraine ihr Getreide zu Dumpingpreisen auf den Markt wirft. Im Rahmen der Handelserleichterungen wurde von der EU im Juni 2022 ein sogenanntes Zollmoratorium für ukrainische Agrarerzeugnisse beschlossen.

Mähdrescher ernten Weizen auf einem Feld in der sibirischen Region Nowosibirsk am 19. September 2023. Foto: Vladimir Nikolayev/AFP via Getty Images

Laut einigen EU-Staaten mit geografischer Nähe zur Ukraine stieg im vorigen Jahr durch gestiegene Einfuhren auch bei Getreide und Ölsaaten der Druck auf die dortigen regionalen Agrarmärkte, zum Beispiel in Polen oder Ungarn. „Negativ wirkte sich im Sommer zudem das Ende des Istanbuler Getreideabkommens aus, das von Russland nicht verlängert wurde. Dieses Abkommen hatte den Absatz von Getreide in Drittstaaten über das Schwarze Meer erleichtert“, schreibt das Onlineportal „proplanta“.

Das Ende Juli 2022 auf Vermittlung der Türkei ausgehandelte Abkommen zwischen der Ukraine und Russland garantierte den sicheren Export, unter anderem von Getreide, von Häfen im Süden der Ukraine über das Schwarze Meer. Mit dem Abkommen sollte Hungersnot auf der Welt verhindert werden.

Ausnahmen für westliche Sanktionen

Seit Unterzeichnung des Abkommens 2022 drohte Moskau wiederholt mit einer Kündigung und verlängerte das Abkommen schließlich in letzter Minute, zunächst um vier, zuletzt nur noch um zwei Monate. Russland besteht auf der Umsetzung eines Teils der Vereinbarung, die einen weitgehend ungehinderten Zugang von Nahrungsmitteln und Düngemitteln aus Russland zum Weltmarkt vorsieht.

Der Kreml argumentiert jedoch, dass dieser Zugang weiterhin durch die vom Westen verhängten Sanktionen aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine eingeschränkt wird. Am 17. Juli letzten Jahres hätte das Abkommen verlängert werden müssen. Russland ließ es allerdings auslaufen.

Bis Juli profitierte auch Russland vom „Getreidedeal“. Für Teile des russischen Agrarsektors wurden, aus dem Vertrag heraus, Ausnahmen von den westlichen Sanktionen gemacht. Das ist seit Juli letzten Jahres vorbei.

Schaut man auf alle diese Punkte, dann kann Russland ein Motiv haben, ihre Überkapazitäten den Nettoimporteuren aus dem BRICS-Block anzudienen. Gelänge es nicht, dürfte das Land auf einer großen Menge an Getreide sitzen bleiben.



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