Russland: Putin vor deutlicher Wiederwahl – Kreml peilt eine hohe Wahlbeteiligung an

Am Sonntag gehen die Präsidentschaftswahlen in Russland zu Ende. Für Präsident Putin erwarten Umfragen ein Ergebnis von 80 Prozent oder mehr. Die Wahl in ostukrainischen Gebieten ist von mehreren Sabotageakten und Drohnenangriffen überschattet. Der Flugverkehr an Moskauer Flughäfen wurde eingeschränkt, nachdem fünf ukrainische Drohnen vor Moskau abgeschossen wurden.
Wladimir Putin beherrscht die russische Politik seit fast einem Vierteljahrhundert.
Wladimir Putin beherrscht die russische Politik seit fast einem Vierteljahrhundert.Foto: Mikhail Metzel/Kremlin Pool/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa
Von 17. März 2024

In der Russischen Föderation endet am Sonntag, 17. März, die Präsidentenwahl. Erstmals in der Geschichte erstreckte sich der Wahlprozess über drei Tage. Außerdem hatten erstmals die Bürger in den von Russland kontrollierten Gebieten der Ostukraine die Gelegenheit, sich an russischen Wahlen zu beteiligen.

Nach Angaben der russischen Wahlkommission hatten bis Samstagabend 58,1 Prozent der stimmberechtigten Bürger der Russischen Föderation ihre Stimme abgegeben. Dies macht es höchst wahrscheinlich, dass am Sonntag der bisherige Rekord der Wahlbeteiligung von 74,67 Prozent aus dem Jahr 1991 fallen könnte.

Dass die Wahlbeteiligung hoch ist, obwohl es an einem deutlichen Sieg von Amtsinhaber Wladimir Putin keine Zweifel gibt, werten russische Medien als Trotzreaktion auf Sanktionen und Anfeindungen durch den Westen. Neben der Stimmabgabe im Wahllokal ist es den Wahlberechtigten auf russischem Territorium inklusive der Halbinsel Krim auch möglich, ihre Stimme online abzugeben.

Die Wahl endet mit der Schließung der Wahllokale in Kaliningrad um 19:00 Uhr MEZ. Kurz darauf werden erste Nachwahlbefragungen erwartet.

Ein Mitglied der örtlichen Wahlkommission am 16. März 2024 in einem Wahllokal in Sergijew Possad, etwa 75 Kilometer (47 Meilen) nordöstlich von Moskau. Neben ihm eine Informationstafel mit den Kandidaten der russischen Präsidentschaftswahl. Foto: ALEXANDER NEMENOV/AFP über Getty Images

In den russisch kontrollierten Gebieten der Ostukraine ist lediglich eine Stimmabgabe im Wahllokal möglich. Es gibt Berichte von Sabotageakten, Bombenanschlägen und Drohnenangriffen auf solche – schwerpunktmäßig in den Gebieten von Cherson und Saporischschja.

In Cherson soll es bei einem Angriff auf ein Wahllokal einen Toten gegeben haben

In jenen Gebieten war seit Februar auch eine vorgezogene Stimmabgabe möglich. Am 27. Februar explodierten Bomben in einem örtlichen Büro der russischen Regierungspartei „Einiges Russland“ und in der Nähe eines Wahllokals in Nowa Kachowka.

In Berdjansk wurde ein örtlicher Beamter der Wahlkommission durch eine Autobombe getötet. Offizielle ukrainische Stellen bekannten sich zu dem Terrorakt.

Während der offiziellen Wahltage soll es zu einem Sprengstoffanschlag in der Nähe eines Wahllokals in Skadowsk im Gebiet Cherson – mit fünf verletzten Soldaten – und einem Drohnenangriff in Kachowka gekommen sein.

Bei diesem soll es einen Toten und vier Verletzte gegeben haben. Die russische Nachrichtenagentur TASS berichtet über einen Drohnenangriff auf ein Wahllokal im Gebiet Saporischschja.

Darüber hinaus hatte die von der Ukraine aus operierende, neonazistische „Legion Freiheit Russlands“ einen erneuten Angriff auf das Gebiet Belgorod gestartet. Das „Sibirische Bataillon“ veröffentlichte dazu ein Video, das die Wahlen verurteilte und den Angriff als „Wahlmethode“ bezeichnete. Am Samstag gab es zudem Medienberichten zufolge auch Versuche, den Wahlprozess durch Cyberattacken zu stören.

An den Moskauer Flughäfen Domodedowo, Wnukowo und Schukowski wurde aus Sicherheitsgrünen die Anzahl der Flüge eingeschränkt. Die russische Luftfahrtbehörde teilte mit, dass fünf ukrainische Drohnen in der Nähe von Moskau abgeschossen wurden.

Medien in Russland berichten von Behinderungen und Einschüchterungsversuchen im Westen

1,9 Millionen Russen im Ausland sind ebenfalls wahlberechtigt. Die Bedingungen, unter denen sie zur Urne gehen können, sind unterschiedlich. Keine Probleme werden beispielsweise aus Ländern wie Thailand oder der Türkei gemeldet, wo Bürger der Russischen Föderation bei den diplomatischen Vertretungen ihre Stimmen abgeben können.

Russische Medien berichten zudem von Einschüchterungsversuchen gegenüber Auslandsrussen in westlichen Staaten.

In Deutschland finden an den Wahltagen Demonstrationen im Umfeld der Botschaft statt. In Estland werden russische Staatsangehörige, die in die Russische Föderation einreisen wollen, über den Zweck ihres Aufenthalts befragt. Die Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, Tatjana Moskalkowa, hat darob eine Beschwerde bei den Vereinten Nationen eingereicht.

Verhaftungen nach Sabotageakten mit Farbstoff an Wahlurnen

Auch in Russland selbst soll es in einzelnen Wahllokalen zu Sabotageakten gekommen sein. Wie die „Moscow Times“ berichtet, sollen in etwa einem Dutzend Fälle Personen grünen antiseptischen Farbstoff in die Wahlurnen geschüttet haben. Auf diese Weise sollen die bereits abgegebenen Stimmen ungültig gemacht werden.

In einem Wahllokal in Moskau, 16. März 2024. Foto: NATALIA KOLESNIKOVA/AFP via Getty Images

Die nicht systemische Opposition hatte eine solche Taktik bereits in den 2010er-Jahren mehrfach zur Anwendung gebracht. Zwischenfälle dieser Art wurden aus der Region Rostow, aus der Republik Karatschajewo-Tscherkessien, aus Woronesch und von der Krim gemeldet. Auch in Moskau sei eine Frau wegen eines ähnlichen Vorfalls festgenommen worden.

Die Leiterin der Zentralen Wahlkommission (CEC), Ella Pamfilowa, äußerte, einige der Festgenommen hätten angegeben, dafür Geld erhalten zu haben. Ihnen sei auch erklärt worden, sie würden nicht strafrechtlich verfolgt.

Genau dies dürfte jedoch nun stattfinden. Die Beteiligten wurden verhaftet und müssen mit einer Anklage wegen Behinderung des Wahlrechts rechnen. Die Staatsanwaltschaft könnte jedoch auch eine Untersuchung wegen möglicher landesverräterischer Verbindungen einleiten.

Die Wahlkommission will zum Ende des Wahlvorgangs entscheiden, ob auch die mittels der Farbe beschädigten Stimmzettel ausgezählt werden sollen. Es ist davon auszugehen, dass dies der Fall sein wird, sollte der Wählerwille noch erkennbar sein.

Ein auf Reddit gepostetes Video soll angebliche Anhänger von Präsident Putin zeigen. Sie sollen am Freitag gegen 20 Uhr nach Schließung im Wahllokal Nr. 912 in Dserschinsk, Gebiet Nischni Nowgorod, die Stimmzettel manipuliert haben. Eine Verifizierung, wo und wann das Video aufgenommen wurde und was es tatsächlich zeigt, ist jedoch nicht möglich.

Verfassungsänderung machte neuerliche Kandidatur von Putin möglich

Umfragen gehen bei der Präsidentenwahl von einem deutlichen Sieg für Amtsinhaber Wladimir Putin aus, der als unabhängiger Bewerber ins Rennen geht. Die erneute Kandidatur hat dem 71-Jährigen eine Verfassungsänderung ermöglicht, die 2020 verabschiedet wurde.

Dieser zufolge wird das bisherige System, wonach ein Präsident das Amt nur für zwei aufeinanderfolgende Perioden innehaben, aber nach einer Pause erneut kandidieren darf, durch eine „harte“ Zwei-Perioden-Beschränkung ersetzt. Allerdings werden vor der Änderung absolvierte Amtsperioden nicht eingerechnet.

Gegen Putin kandidieren wird für die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) der 75-jährige Duma-Abgeordnete Nikolai Charitonow. Er hatte bereits 2004 für die Präsidentschaft kandidiert und 13,8 Prozent der Stimmen bekommen.

Im Wahlkampf forderte er eine weitreichende Verstaatlichung des gesamten Rohstoffsektors – und die Wiedererrichtung des Denkmals für NKWD-Gründer Felix Dzierżyński vor dem Lubjanka-Gebäude.

Kaum reelle Chancen für andere Kandidaten – Nadeschdin nicht zugelassen

Für die rechtsnationalistische Liberal-Demokratische Partei Russlands (LDPR) kandidiert der Ökonom und Duma-Abgeordnete Leonid Sluzki. Er vertrat Russland auch im Europarat und gilt als Schlüsselfigur bezüglich der Auslandskontakte des Kreml mit russlandfreundlichen Rechtsparteien in der EU.

Im Wahlkampf forderte er unter anderem eine deutliche Ermäßigung der Studiengebühren für Kinder aus kinderreichen Familien und eine bessere Transparenz bei der Preisauszeichnung.

Anstehen für die Wahl in St. Petersburg am 17. März 2024. Foto: OLGA MALTSEVA/AFP via Getty Images

Die Partei „Neues Volk“ schickt den Unternehmer und Duma-Abgeordneten Wladimir Dawankow ins Rennen. Er gilt als eher wirtschaftsliberal orientiert. Auch hatte er sich vor dem Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine gegen eine Angliederung der Donbass-Regionen ausgesprochen. Nach Beginn des Krieges hatte er jedoch die entsprechenden Schritte der Russischen Föderation mitgetragen, weshalb auch er auf westlichen Sanktionslisten steht.

Nicht zugelassen zu den Wahlen wurden Sergei Malinkowitsch von den „Kommunisten Russlands“, der als Hardliner gilt, und Boris Nadeschdin, der im Westen als einziger Kandidat der nicht systemischen – und nach westlicher Lesart damit „echten“ – Opposition gilt.

Bürger in Russland hoffen auf Ende des Krieges

Nadeschdin, der zuvor in der liberalen „Union der rechten Kräfte“ und später in der sozialdemokratischen Partei „Gerechtes Russland“ Funktionen ausgeübt hatte, bezeichnete die Militäroperation in der Ukraine als „Fehler“.

Er trat für eine Wiederannäherung an den Westen ein und forderte einen Frieden in der Ukraine ohne Vorbedingungen. Auch die übrigen Kandidaten haben damit geworben, den Krieg zu beenden – allerdings zu den Bedingungen Russlands.

Die Wahlkommission schloss ihn von der Wahl aus, weil mehr als fünf Prozent der von ihm vorgelegten 105.000 Unterstützungsunterschriften fehlerhaft gewesen sein sollen. Bei der Duma-Wahl 2021 erhielt er im Wahlkreis Dmitrow in der Oblast Moskau 17,1 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Umfragen, die in den russischen Medien zitiert wurden, gehen von einem Ergebnis von 80 Prozent oder mehr für Präsident Putin aus. Die übrigen Kandidaten könnten mit Ergebnissen zwischen fünf und sechs Prozent rechnen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion