Russischer Gulag-Forscher zu 13 Jahren Strafkolonie-Haft verurteilt
Der für seine Forschungen zu den Verbrechen während der Stalin-Zeit bekannte russische Historiker Juri Dmitrijew ist in einem umstrittenen Prozess wegen sexuellen Missbrauchs zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt worden. „Dmitrijew ist für schuldig befunden worden“, erklärte das zuständige Berufungsgericht am Dienstag in der Teilrepublik Karelien. Die Strafe seien „13 Jahre Haft in einer Strafkolonie“. Unterstützer des Gulag-Forschers bezeichneten den Prozess als politisch motiviert.
Zuerst Freispruch – dann Haftstrafe
Der 64-Jährige war bereits 2016 festgenommen worden. Ermittler hatten nach eigenen Angaben in der Wohnung des Historikers Nacktbilder seiner behinderten Tochter gefunden, die er selber pflegt. Er begründete dies mit der Dokumentation ihres Wachstums. Im April 2018 wurde er in einem ersten Prozess vom Vorwurf der Kinderpornografie freigesprochen. Zwei Monate später hob ein Berufungsgericht den Freispruch jedoch wieder auf und ordnete einen neuen Prozess an, diesmal wegen sexueller Gewalt.
Im Juli dieses Jahres wurde Dmitrijew zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Sowohl der Verurteilte als auch die Staatsanwaltschaft gingen dagegen in Berufung – nun fällte das dafür zuständige Gericht ein deutlich härteres Urteil.
13 Jahre Strafkolonie für „Gulag“-Forscher ein Versuch ihn mundtot zu machen?
Menschenrechtsaktivisten bezeichneten den Prozess als einen Versuch der russischen Behörden, den Gulag-Forscher mundtot zu machen. Der 64-Jährige hat mit seiner Arbeit die Aufmerksamkeit auf eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte des Landes gelenkt, indem er sich über Jahre der historischen Aufarbeitung der Repression in der Sowjetzeit widmete. Seine Untersuchungen führten auch zur Entdeckung eines Massengrabes mit den Überresten von rund 9.000 Menschen, die zur Sowjetzeit erschossen worden waren.
Dmitrijew war besonders für die Nichtregierungsorganisation Memorial tätig. Nach dem Urteil sagte Memorial-Mitglied Oleg Orlow im Radio: „Es ist offensichtlich, dass dieses Urteil nicht auf Gesetzen basiert, sondern politisch motiviert ist.“ Memorial werde dagegen vorgehen. (afp/er)
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