Rüstungswettlauf in Europa: Nur noch acht Mitglieder der NATO verfehlen Zwei-Prozent-Ziel
Die Rüstungsausgaben der NATO-Länder sind in den vergangenen zehn Jahren drastisch angestiegen. Mittlerweile sind es nur noch acht von 31 Mitgliedstaaten, die das Zwei-Prozent-Ziel nicht erfüllen. Deutschland hat seine Militärausgaben in diesem Zeitraum von etwa 1,19 auf nunmehr 2,12 Prozent des Bruttosozialprodukts hochgeschraubt.
Unterhalb von zwei Prozent liegen derzeit nur noch Kroatien, Portugal, Italien, Belgien, Luxemburg, Slowenien und Spanien – sowie Kanada auf dem amerikanischen Kontinent. Das im Jahr 2014 in Wales formulierte Ziel erfuhr im Juli 2023 in Vilnius eine Erweiterung. Auf dem Gipfel beschlossen die Mitgliedstaaten ein Kommuniqué, das zusätzlich noch klarstellte:
„Wir verpflichten uns, mindestens 20 Prozent unserer Verteidigungshaushalte in Großgerät zu investieren, einschließlich der damit verbundenen Forschung und Entwicklung.“
Welche Posten in das Erreichen des NATO-Ziels einflossen
Für Deutschland könnte das eine zusätzliche Herausforderung bedeuten. Zwar hat die Regierung in Berlin im Juni 2024 die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels gemeldet. Allerdings wurden schon bald Stimmen laut, die monierten, dies sei in erster Linie durch „Rechentricks“ zustande gekommen.
Nur 72 der 86 erforderlichen Milliarden Euro, die erforderlich waren, errechnen sich demnach aus dem regulären Verteidigungshaushalt (52 Milliarden Euro) und den Ausgaben aus dem Bundeswehr-Sondervermögen (etwa 20 Milliarden Euro). Der Rest setze sich, so berichtete die ARD-„Tagesschau“ aus Posten zusammen, deren aktueller verteidigungspolitischer Wert sich nicht sofort erschließe.
Zinszahlungen für Anschaffungen von Militärgerät aus einer Zeit vor dem Jahr 2014 gehörten ebenso dazu wie Rentenzahlungen oder „Ertüchtigungsleistungen“ im Bereich der Entwicklungshilfe. Der Wiederaufbau in Krisengebieten fließe demnach ebenso in die 2 Prozent ein wie Versorgungsleistungen früherer NVA-Angehöriger und Ausgaben zur Krisenprävention. Sogar die Mitgliedsbeiträge Deutschlands an die UN rechnete der Bund mit ein.
USA geben prozentual weniger für Rüstung aus als 2014
Diese Form der Kosmetik sollen auch andere Mitgliedstaaten praktiziert haben, etwa Spanien, das einmal die Kosten der Feuerwehr von Madrid mitveranschlagt hatte. Griechenland führte Pensionskosten für Militärs aus der Zeit der Junta auf. Athen hat jedoch traditionell einen hohen Prozentsatz seines Budgets für militärische Belange reserviert. Grund dafür sind die seit Jahrzehnten bestehenden Spannungen mit der Türkei. Seit 2014 stieg der Anteil in Griechenland von 2,2 auf 3,08 Prozent.
Die Türkei hatte 2014 noch etwa 1,45 Prozent ihres BIP in den Rüstungsetat gesteckt. Mittlerweile sind es 2,09. Dazwischen lagen die Eskalation der Bürgerkriege in Syrien und im Irak, Operationen gegen die PKK und im Norden Syriens sowie der Aufstieg zur Drohnen-Weltmacht.
Der einzige NATO-Mitgliedstaat, dessen Wehretat seit 2014 prozentual im Verhältnis zum BIP geschrumpft ist, sind die USA. Dass dieser nur noch 3,38 statt 3,73 Prozent betrug, ist jedoch auf ein entsprechend gewachsenes Bruttoinlandsprodukt zurückzuführen. In absoluten Zahlen stiegen die Ausgaben jedoch auch von 654 auf aktuell 824 Milliarden US-Dollar.
In Deutschland ein 3,5-Prozent-Ziel mehrheitsfähig?
An der Spitze bezüglich der Rüstungsausgaben in der NATO steht Polen, dessen Wehretat seit 2014 von 1,86 auf 4,12 Prozent des BIP gestiegen ist. Auf Platz 2 noch vor den USA liegt Estland mit 3,43 Prozent – von 1,92 Prozent im Jahr 2014. Bei beiden Staaten, in denen sich antirussische Ressentiments nach dem Ende des Kalten Krieges als Teil eines Opfernarrativs entfalten haben, hat der Anteil schon vor 2014 nahe der Zwei-Prozent-Marke gelegen.
In den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten, die der NATO beigetreten sind, stieg mit Beginn und Eskalation der Ukrainekrise die gesellschaftliche Akzeptanz für die Aufrüstung. Bei Nachzüglern wie Kanada soll bis zum Jahr 2032 das Zwei-Prozent-Ziel erreicht werden. Unterdessen diskutiert man in zahlreichen europäischen Ländern bereits über eine Anhebung des Bündnisziels.
In Deutschland erklärte in einer Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung rund die Hälfte der Befragten, es angemessen zu finden, zwischen 3 und 3,5 Prozent des BIP für Rüstung auszugeben. 31 Prozent fänden dies zu hoch. 65 Prozent der Befragten sprachen sich jedoch gegen eine militärische Führungsrolle Deutschlands in Europa aus. Auch wurde nicht gefragt, wo die Befürworter die erforderlichen Mittel für die Aufrüstung einsparen wollten.
Tendenziell sank seit den 1950ern der Militärausgaben-Anteil am BIP
Während des Kalten Krieges waren die Militärausgaben westlicher Staaten gemessen am BIP regelmäßig höher. Tendenziell gingen sie jedoch im Laufe der Jahre zurück, wie der polnisch-litauische Historiker Jarosław Wołkonowski in einer Studie herausarbeitete.
Demnach erreichte der Anteil der Rüstungsausgaben in den USA in den Jahren 1952 bis 1954 einen zweistelligen Anteil am BIP bis zu 13,28 Prozent, in Kanada waren es bis zu 7,37. In jene Zeit fiel unter anderem der Koreakrieg. Die Kolonialmacht Frankreich gab im Jahr 1953 noch 9,01 Prozent für das Militär aus Deutschland im ersten Jahr seiner NATO-Mitgliedschaft 4,21 Prozent.
Bis 1981 sank der Anteil in den USA, der sich in den 1960ern zwischen 6,97 und 8,76 Prozent gehalten hatte, auf 5,29 Prozent. In Kanada betrug er in jenem Jahr nur noch 1,68 Prozent. Mit 4,46 Prozent war er in Großbritannien noch verhältnismäßig hoch – auch bedingt durch die Spannungen in Nordirland.
Russische Rüstungsausgaben betragen einen Bruchteil jener der NATO
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ging der Anteil noch weiter zurück. Im Jahr 1992 gaben nur noch die USA, Großbritannien, Frankreich, Griechenland und die Türkei mehr als drei Prozent für die Rüstung aus. Im Jahr 2006 waren es in der gesamten – damals bereits erweiterten – NATO nur 2,68 Prozent. Nur in den USA waren es noch mehr als drei Prozent. Noch bis 2017 sank der Anteil tendenziell – ihren absoluten weltweiten Tiefpunkt hatten die Militärausgaben jedoch im Jahr 1996 erreicht. Die NATO-Länder gaben damals 468,2 Milliarden US-Dollar aus.
Im Jahr 2003 waren die absoluten Rüstungsausgaben der NATO bereits wieder auf 642,5 Milliarden US-Dollar gestiegen, bis 2010 sogar auf 1.018 Milliarden. Russlands Militärausgaben in den Jahren 2008 bis 2021 bewegen sich zwischen 56,18 und 88,35 Milliarden US-Dollar. Die Anteile am BIP bewegten sich in einem Korridor zwischen 3,15 und 5,43 Prozent. Im Jahr vor dem Ukrainekrieg waren es 3,61 Prozent. Erst seit Beginn der Militäroperation im Jahr 2022 haben die absoluten Militärausgaben eine dreistellige Milliardenhöhe erreicht.
(Mit Material von theepochtimes.com)
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