Regierungsbildung in Österreich: Deutsche Politiker warnen vor FPÖ-Beteiligung

Drei Tage nach der Nationalratswahl in Österreich gibt es noch keine konkreten Sondierungsgespräche. Deutsche Politiker verschiedener Parteien stellen im Fall einer FPÖ-Regierungsbeteiligung allerdings die Zusammenarbeit der Geheimdienste infrage.
Für die ÖVP unter Kanzler Karl Nehammer ist die Wahlschlappe zwar bitter, aber ohne die ÖVP ist keine Regierung denkbar.
Für die ÖVP unter Kanzler Karl Nehammer ist die Wahlschlappe zwar bitter, aber ohne die ÖVP ist keine Regierung denkbar.Foto: Hans Klaus Techt/APA/dpa
Von 2. Oktober 2024

Drei Tage nach den Nationalratswahlen in Österreich haben noch keine Sondierungsgespräche begonnen. Immerhin sind aber bereits die ersten Ratschläge zur Regierungsbildung aus Deutschland eingetroffen. Politiker von CDU, SPD, FDP und Grünen stellen die Zusammenarbeit mit Österreichs Geheimdienst infrage, sollte es zu einer Regierungsbeteiligung der rechten FPÖ kommen.

FPÖ als „ein erhebliches Sicherheitsproblem“ für Österreich und seine Partner

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle, der auch Mitglied im Kontrollgremium für Geheimdienste des Bundestages ist, sprach mit dem „Handelsblatt“. Dabei erklärte er, dass eine Regierungsbeteiligung der FPÖ bedeuten würde, dass „auch Deutschland seine nachrichtendienstliche Kooperation mit Österreich auf den Prüfstand stellen“ müsse.

Die FPÖ sei „Teil eines europaweiten Netzwerks russlandfreundlicher Parteien“. Angesichts der „massiven Gefahr aus Russland für Frieden und Stabilität in Europa“ könne man es sich „nicht erlauben, dass relevante Informationen direkt nach Russland weitergegeben werden“.

Auch der Vorsitzende des Gremiums, Konstantin von Notz (Grüne), erklärte, in Zeiten eines „völkerrechtswidrigen Angriffskrieges in Europa“ und „massiver Einflussnahme- und Desinformationskampagnen“ wäre die FPÖ in der Regierung „durchaus ein erhebliches Sicherheitsproblem für österreichische Behörden, aber auch ihrer Partner“. In ähnlicher Weise äußerten sich auch die Bundespolitiker Roderich Kiesewetter (CDU) und Ralf Stegner (SPD).

Vertrauenskrise beim „Berner Club“ nach Razzia beim BVT

Tatsächlich hatte es in den vergangenen Jahren Irritationen rund um österreichische Geheimdienststrukturen gegeben. Im Jahr 2018 stellte der sogenannte Berner Club dem damaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusabwehr (BVT) aus Österreich ein Ende der Kooperation in Aussicht. Der Berner Club ist ein informelles Gremium, in dem europäische und israelische Geheimdienstvertreter regelmäßig relevante Erkenntnisse miteinander austauschen.

Erst durch „vertrauensbildende Maßnahmen“ konnte dieser Schritt in letzter Minute abgewendet werden. Anlass für die Irritationen war eine groß angelegte Razzia in Dienst- und Privaträumlichkeiten von BVT-Beamten im Februar 2018. Diese wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angeordnet.

Kickl damals Innenminister

Damals war der heutige FPÖ-Chef Herbert Kickl Innenminister. Seine Anhänger verteidigten das Vorgehen als Schritt gegen korrupte Seilschaften im Staatsapparat, Gegner witterten einen gezielten Einschüchterungsversuch. Anklagen gibt es bis heute weder gegen Beteiligte an der Durchsuchungsaktion noch gegen deren Adressaten.

Die nach wie vor andauernden Ermittlungen gegen einen langjährigen BVT-Mitarbeiter, der jüngst aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, hatten Medienberichten zufolge Hinweise auf eine Inszenierung zutage gefördert. In diese könnte der ehemalige Mitarbeiter involviert sein, der auch verdächtigt wird, über Jahre hinweg Unterlagen an den nach Russland geflohenen früheren Wirecard-Manager Jan Marsalek weitergeleitet zu haben.

Geheimdienststruktur in Österreich 2021 neu konzipiert

Weitere Skandale, die das BVT betrafen, beinhalteten mutmaßliche Tipps an Marsalek. Diese sollen dem Manager eine rechtzeitige Flucht in Anbetracht der Wirecard-Ermittlungen in Deutschland ermöglicht haben. Zuvor sollen BVT-Mitarbeiter gegen eine Zahlung von Schmiergeldern für Wirecard die Zahlungsfähigkeit möglicher Kunden überprüft haben. Neben der Razzia im BVT hatte der Berner Club dem österreichischen Dienst auch unzureichende Vorkehrungen gegen Datenabfluss vorgeworfen.

Die Probleme des Geheimdienstes dauerten auch nach dem Ende der türkis-blauen Koalition unter Sebastian Kurz an. Im Vorfeld des Terroranschlags von Wien am 2. November 2020 habe man den Hinweis slowakischer Kollegen auf einen geplanten Waffenkauf nicht rechtzeitig weitergereicht. Der spätere Attentäter Kujitim F. soll sich im Nachbarland konkret über die Anschaffung von Angriffswaffen erkundigt haben.

Eine Woche nach dem Anschlag richtete sich hingegen eine Großrazzia gegen 70 muslimische Geistliche und Akademiker ohne Bezug zu dschihadistischen Gruppen. Dabei sollen auch Frauen und Kinder der Betroffenen massiv eingeschüchtert worden sein. Die „Operation Luxor“ hatte bis heute keine Verurteilungen zur Folge. Das Oberlandesgericht Graz urteilte später, das Vorgehen habe „hauptsächlich auf Spekulationen und vagen Vermutungen“ beruht.

Im Jahr 2021 hat der Geheimdienst in Österreich eine Reform an Haupt und Gliedern erfahren. An die Stelle des BVT, das 2002 die frühere Staatspolizei ersetzt hatte, trat die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). Leiter wurde der langjährige niederösterreichische LKA-Chef Omar Haijawi-Pirchner.

Taylor-Swift-Konzert als erste große Bewährungsprobe

Eine große Bewährungsprobe hatte der Dienst im vergangenen Sommer, als es gelang, einen geplanten Anschlag auf eines von drei Konzerten der US-Sängerin Taylor Swift zu vereiteln. Einem „Standard“-Bericht zufolge hatten ausländische Dienste das Heeresnachrichtenamt (HNaA) vor der DSN über ihre Erkenntnisse dazu informiert.

Der österreichische Nachrichtendienst war deshalb gezwungen, unter hohem Zeitdruck den Hinweisen nachzugehen. Am Ende gelang es jedoch, einen 19-jährigen IS-Anhänger aus einer Kleinstadt in Niederösterreich und einen 17-jährigen mutmaßlichen Mitwisser zu enttarnen.

Ob die Mahnungen aus Deutschland die Regierungsbildung in Österreich beeinflussen werden, ist ungewiss. Am Mittwoch wird die noch amtierende Bundesregierung bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg um ihre Entlassung ersuchen. Dieser könnte anschließend einen der Spitzenkandidaten der im Nationalrat vertretenen Parteien mit der Regierung beauftragen.

Gespräche in der Hofburg

Wer das sein wird, steht noch nicht fest. Bundeskanzler Karl Nehammer hat sich dafür ausgesprochen, Herbert Kickl als dem Chef der stimmenstärksten Partei einen Sondierungsauftrag zu erteilen.

Es ist auch möglich, dass Van der Bellen erklärt, mit der Erteilung des Auftrags zur Regierungsbildung zuzuwarten, bis die Parteien erste Gespräche geführt haben. Kickl wird allerdings als erster Parteichef zu einem Einzelgespräch mit dem Präsidenten geladen.

ÖVP will Koalition mit FPÖ nur ohne Kickl

Die ÖVP hat nach dem Ergebnis der Nationalratswahl vom Sonntag zwei Optionen, um in einer Zweierkoalition zu regieren. Gemeinsam mit der FPÖ hätten die Konservativen eine recht solide Mehrheit von 110 der 183 Mandate. Allerdings hätte die Partei auch die Möglichkeit, eine Koalition mit der SPÖ zu bilden, wie sie bereits von 1986 bis 2000 und von 2006 bis 2017 bestanden hatte.

Am Donnerstag sind die letzten Wahlkarten aus dem Ausland ausgezählt. Je nachdem, ob das am Montag zur FPÖ gewanderte Mandat noch zur ÖVP zurückkehrt, hinge eine türkis-rote Mehrheit an einer oder zwei Stimmen. Es wäre auch denkbar, eine dritte Partei mit in die Regierung zu nehmen – was die Verhandlungen allerdings zusätzlich verkomplizieren würde und für Österreich Neuland wäre.

Bei den Koalitionsverhandlungen – mit wem diese auch immer geführt werden – wird die ÖVP darauf drängen, die Rechtsgrundlagen für eine Messenger-Überwachung zu schaffen. In den übrigen Parteien gibt es diesbezüglich Skepsis. Die ÖVP schließt auch eine Koalition unter Führung von Herbert Kickl aus.

Die Unwägbarkeiten rund um das BVT und die Geheimdienstbeziehungen zu ausländischen Partnern könnten mögliche Koalitionsgespräche ebenfalls beeinflussen. Die ÖVP würde in einem möglichen Bündnis mit der FPÖ mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf bestehen, das Innenministerium zu behalten.



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