Reformer gegen Hardliner: Stichwahl um Präsidentschaft im Iran hat begonnen

Mit der Öffnung der Wahllokale hat im Iran die Stichwahl um die Präsidentschaft begonnen. Zur Wahl stehen der Reform-Kandidat Massud Peseschkian und Hardliner Said Dschalili. Die beiden treten um die Nachfolge des verunglückten Amtsinhabers Ebrahim Raisi an.
Im Iran ist nicht der Präsident, sondern Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei das Staatsoberhaupt.
Im Iran ist nicht der Präsident, sondern Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei das Staatsoberhaupt. Er hat in allen strategischen Dingen das letzte Wort.Foto: Vahid Salemi/AP/dpa
Epoch Times5. Juli 2024

Im Iran hat die Stichwahl um die Präsidentschaft begonnen. Im staatlichen Fernsehen war zu sehen, wie das geistliche Oberhaupt der islamischen Republik, Ayatollah Ali Chamenei, am Freitagmorgen zur Öffnung der Wahllokale seine Stimme abgab.

Zur Wahl stehen der Reform-Kandidat Massud Peseschkian und Hardliner Said Dschalili. Die beiden treten um die Nachfolge des im Mai verunglückten Amtsinhabers Ebrahim Raisi an.

Peseschkian kam vor einer Woche auf rund 10,4 Millionen (rund 42,5 Prozent), Dschalili auf 9,4 Millionen Stimmen (38,7 Prozent).

Für den konservativen Drittplatzierten, Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf, stimmten etwa 3,4 Millionen Landesbewohner. Er sprach dann Dschalili seine Unterstützung aus. Damit geht das konservative Lager mit einem leichten Vorteil in die Runde. Reformkandidat Peseschkian müsste für einen Sieg vor allem Nichtwähler umstimmen.

Insgesamt 61 Millionen Bürger sind zur Wahl aufgerufen, in der ersten Runde hatte die Wahlbeteiligung bei lediglich 40 Prozent gelegen – dem niedrigsten Wert seit der islamischen Revolution im Jahr 1979. Chamenei hatte daher zur regen Teilnahme an der zweiten Runde aufgerufen. Bei Präsidentenwahlen liegt die Beteiligung traditioneller höher.

Der Präsident hat im Iran als Regierungsoberhaupt nur eingeschränkte Macht. Staatsoberhaupt ist der 85 Jahre alte Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat.

Reformkandidat gegen Hardliner

Der Reformkandidat Peseschkian ist 69 Jahre alt und stammt aus dem Nordwesten Irans. Im Wahlkampf warb der bisher eher unscheinbare Politiker für neues Vertrauen zwischen Regierung und Volk, das nach gescheiterten Reformversuchen, politischer Repression und einer Wirtschaftskrise von der Politik maßlos enttäuscht ist. Wie viele Politiker des Reformlagers forderte er eine Verbesserung der Beziehungen zum Westen.

Im Wahlkampf kritisierte Peseschkian etwa die Internetzensur sowie das repressive Vorgehen der Sittenwächter gegen Frauen, die in der Öffentlichkeit gegen die Kopftuchpflicht verstoßen.

Gleichzeitig bekundete der frühere Gesundheitsminister seine Loyalität gegenüber Religionsführer Chamenei. In den TV-Debatten bezeichnete er sich selbst als wertkonservativen Politiker, der Reformen für notwendig hält. Kritiker halten ihm vor, dass er diese angesichts einer Mehrheit von Hardlinern im Parlament gar nicht erst umsetzen könnte.

Dschalili auf der anderen Seite gehörte früh zum engsten Machtzirkel und arbeitete im Büro des Religionsführers Ajatollah Ali Chamenei. Unter dem umstrittenen früheren Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad war Dschalili Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen.

Der Hardliner genießt breite Unterstützung von radikalen und loyalen Systemanhängern. Er gilt als eiserner Verfechter der Ideologie der Islamischen Revolution im Iran.

Kein Glauben an Veränderungen

Den Glauben an große innenpolitische Veränderungen haben die meisten Landesbewohner, vor allem junge Menschen, verloren. Einige Aktivisten sowie die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi riefen zum Boykott der Wahl auf.

Im Wahlkampf debattierten die Kandidaten vor allem über Wege, die enorme Wirtschaftskrise im Land zu bewältigen. Der Iran ist wegen seines umstrittenen Atomprogramms mit internationalen Sanktionen belegt und vom weltweiten Finanzsystem weitgehend abgeschnitten. Das Land benötigt Investitionen in Milliardenhöhe.

Irans politisches System vereint seit der Revolution von 1979 republikanische und auch theokratische Züge. Freie Wahlen gibt es jedoch nicht: Das Kontrollgremium des Wächterrats prüft Kandidaten stets auf ihre Eignung. Eine grundsätzliche Kritik am System wird nicht geduldet, wie die Niederschlagung von Protesten in den vergangenen Jahren zeigte. (afp/red)



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