Rat der EU billigt „Mini-Reform“ zur Entlastung der Bauern – Deutschland enthält sich

Bürokratieabbau und Entlastungen für die Bauern in der EU soll die Reform der sogenannten GLÖZ-Standards bringen, die der EU-Rat am Montag in Brüssel beschlossen hat. Verbandsvertretern gehen die Erleichterungen nicht weit genug, Öko-Lobbyverbände sehen sich ausgebootet.
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Landwirte protestieren vor dem Europäischen Parlament in Brüssel am 26. Februar 2024.Foto: John Thys/AFP via Getty Images
Von 14. Mai 2024

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Am Montag, 13. Mai, haben die Vertreter der Mitgliedstaaten im Rat der EU den Weg für eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) freigemacht. Diese soll den Bauern Erleichterungen mit Blick auf Umweltvorschriften verschaffen. Dafür wurden sechs von neun sogenannten GLÖZ-Standards verändert. Die EU-Kommission hatte das Paket am 15. März als Reaktion auf die Bauernproteste angestoßen. Deutschland enthielt sich im Rat der Stimme.

Bauern dürfen bisherige Brachflächen umweltfreundlich bewirtschaften

Wie „Euractiv“ berichtet, umfasst das Agrarreformpaket eine Verordnung und einen delegierten Rechtsakt, den allerdings bereits das EU-Parlament angenommen hat. Bei den GLÖZ („Gute landwirtschaftliche und ökologische Zustände“) handelt es sich um Standards, deren Einhaltung Voraussetzung für den Erhalt von Agrarsubventionen ist.

Einer der zentralen Punkte der Reform ist das Ende der zwingenden unproduktiven Nutzung von vier Prozent der eigenen Flächen. Die bisherigen Brachflächen können künftig in drei möglichen Varianten bewirtschaftet werden, ohne dem Anspruch auf Subventionen zu schaden. Voraussetzung ist lediglich, dass keine Pflanzenschutzmittel dabei zum Einsatz kommen.

Wollen die Mitgliedstaaten mehr Brachflächen erreichen, steht es ihnen frei, eigene Anreizprogramme zu schaffen. Den Landwirten dürfe lediglich kein Einkommensverlust erwachsen. Außerdem sollen kleine Höfe von weniger als zehn Hektar von Kontrollen und Strafen ausgenommen werden. Sie bewirtschaften nur 9,6 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen der EU – erhalten aber 65 Prozent der Subventionen.

Uneinigkeit über Fruchtfolgeregelung auf nationaler Ebene

Wie „Agrar heute“ schreibt, gibt es auch noch Lockerungen mit Blick auf den Erosionsschutz, auf Mindestbodenbedeckung, Fruchtwechsel und das Pflügen bei Neueinsaat in umweltsensiblem Grünland. Im letztgenannten Fall setzt das Tätigwerden eine Schädigung von Grünlandnarben durch Raubtiere oder invasive Arten voraus.

Zusätzliche Ausnahmen von den GLÖZ-Vorschriften dürfen Mitgliedstaaten auch im Fall von Schäden an landwirtschaftlichen Flächen durch Naturkatastrophen beschließen. Die einzelnen Mitgliedstaaten stehen nun in der Verantwortung, die neuen Rahmenbestimmungen auf die Praxis auszurichten und umzusetzen.

In Deutschland ist dabei für 22. Mai eine Sondersitzung der Länder-Agrarminister geplant. Umstritten ist vor allem die Art und Weise, wie die Fruchtfolgeregelung flexibilisiert werden soll. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will eine vielfältige Fruchtfolge beibehalten, die Landesbauernverbände wollen dies nicht zwingend verankern.

Einige Vergünstigungen gelten für die Bauern auch rückwirkend

Die Bestimmungen des Pakets sollen zumindest bis zum Ende des laufenden GAP-Rahmens im Jahr 2027 gelten. Einige der Vergünstigungen können die Bauern sogar schon rückwirkend zum Jahresbeginn in Anspruch nehmen.

Protagonisten der Reform wie Belgiens Landwirtschaftsminister David Clarinval nennen die Umgestaltung ein „konkretes Ergebnis unserer Bemühungen um Bürokratieabbau“. Positiv haben die EU-Landwirtschaftsverbände COPA und COGECA auf das Paket reagiert.

Für Unmut sorgen die Regelungen hingegen in Öko-Lobbyverbänden. Etwa 140 NGOs haben am Montag in einem Schreiben die Vorgehensweise der EU-Kommission als „opportunistisches Zurückrudern“ von den Green-Deal-Zielen bezeichnet. Außerdem seien demokratische Grundsätze missachtet worden.

Umweltverbände sehen sich zu Sündenböcken gestempelt

Auffällig ist jedenfalls die für EU-Verhältnisse ziemlich knappe Zeitspanne zwischen dem Vorschlag der EU-Kommission und der formellen Annahme durch den Rat. Es deutet vieles darauf hin, dass man vor dem Hintergrund der Bauernproteste und möglicher hoher Stimmenanteile für die extreme Rechte das Paket noch vor den EU-Wahlen auf den Weg bringen wollte.

Marilda Dhaskali von BirdLife Europe spricht von einem „überstürzten und schlecht durchdachten Kapitel in der Reform der Agrarpolitik“. Sie sieht den Umweltschutz als „geeigneten Sündenbock für die wahren Herausforderungen der Landwirte“. In dem Schreiben der NGOs wird auch kritisiert, dass Themen wie unfaire Handelspraktiken und Billigimporte aus Nicht-EU-Staaten nicht berücksichtigt worden seien.

Nicht nur Umweltverbände hatten zudem die Erleichterungen bei der Brachflächenregelung kritisiert. Diese soll unter anderem dem Landschaftsschutz, dem Artenschutz oder der Gewässerschonung dienen. Auch Jagdverbände warnen vor einem „fortschreitenden Verlust an Biodiversität“.

DBV-Chef Rukwied spricht von einem „ersten Schritt“

Bauernvertreter wiederum sprechen von einer bloßen Mini-Reform. Deutsche Länderminister sehen auch zu wenig Ergebnisse beim Bürokratieabbau. Dabei sei auch in Deutschland selbst noch wenig passiert. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir habe bislang mehr als 200 Vereinfachungsvorschläge unbeachtet gelassen.

Es gebe auf nationaler Ebene zudem auch noch keine Aussicht auf eine Aufstockung des Budgets für nach wie vor bestehende Öko-Regelungen. Weder entsprechende Vorgaben für Milchviehbetriebe mit Weidehaltung noch angedeutete Vorschriften für Stallumbauten seien durch adäquate Finanzierungsvorschläge abgedeckt.

Bauernverbandschef Joachim Rukwied sieht ebenfalls nur eine „dringend erforderliche erste Erleichterung“. Er forderte von der Bundesregierung, die Vorgaben 1:1 umzusetzen. Nach der Neubesetzung der EU-Kommission müsse es zudem weitere Schritte zur Entlastung der Landwirte geben.



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