Rasanter Machtwechsel in Kanada: Der neue Premier und seine Agenda

Der ehemalige Zentralbanker Mark Carney hat das Rennen um die Führung der Liberalen Partei Kanadas gewonnen und ist seit seiner Vereidigung am Freitag, 14. März, Premierminister. Er folgt auf Justin Trudeau, der im Januar zurückgetreten war. Zuletzt hatte die Kritik an ihm stark zugenommen, berichtete Epoch Times. Viele Menschen werfen Trudeau unter anderem vor, dass er zahlreiche Versprechen nicht erfüllt habe, dass die Lebenshaltungskosten zu stark gestiegen seien und dass es im Land zu wenig Wohnraum gebe.
Souveräner Sieg im ersten Wahlgang
Der Druck auf den alten Premier nahm immer mehr zu. Seine Umfragewerte sackten ab, Rücktrittsforderungen wurden lauter – selbst aus den eigenen Reihen. Die Neue Demokratische Partei, mit der die Liberalen zuvor zusammengearbeitet hatten, entzog Trudeau bereits das Vertrauen und drohte mit einem Misstrauensvotum. Zuletzt trat auch noch Trudeaus Stellvertreterin und Finanzministerin Chrystia Freeland zurück.
Carney setzte sich in einem wenig spannenden Wahlkampf gegen zwei ehemalige Kabinettsmitglieder und einen ehemaligen Abgeordneten der Liberalen durch. Sie hatten sich in ihrer Kritik auf US-Präsident Donald Trump und den Vorsitzenden der Konservativen, Pierre Poilievre, konzentriert. Der 60-Jährige erhielt die meiste Unterstützung aus dem liberalen Kabinett und dem Fraktionsvorstand. Bereits im ersten Wahlgang setzte er sich mit 85,9 Prozent klar durch. Seine größte Konkurrentin, Chrystia Freeland, kam auf ein Ergebnis von 8 Prozent.
Carney hatte sich stets als politischer „Außenseiter“ positioniert, bevor er jetzt um den Posten des Parteichefs antrat. Der Ökonom ist auch der einzige Premierminister, der zwei weitere Staatsbürgerschaften besitzt, nämlich die von England und Irland. Ende Februar hatte Carney allerdings angekündigt, seine anderen Staatsbürgerschaften aufzugeben.
Karrierestart in der Privatwirtschaft
Carney wurde am 16. März 1965 als Sohn von Lehrern in Fort Smith (Northwest Territories) geboren und wuchs in Edmonton auf. Er hat einen Bachelorabschluss in Wirtschaftswissenschaften von Harvard (1988) und einen Masterabschluss (1993) sowie einen Doktortitel im selben Bereich von Oxford (1995).
Er begann seine Karriere in der Privatwirtschaft, bevor er in den öffentlichen Dienst eintrat. Von 2007 bis 2013 war er Präsident der Bank of Canada (BoC). Nach seinem Ausscheiden im Jahr 2013 war er bis 2020 Präsident der Bank of England. Danach war Carney in einer Reihe von Aufsichtsräten und Führungspositionen in der Privatwirtschaft tätig und engagierte sich stark für Netto-Null-Emissionsinitiativen.
So bekleidete er leitende Positionen oder gehörte Vorständen bei den Finanzunternehmen Brookfield Asset Management, Stripe und PIMCO an. Des Weiteren ist er bei internationalen Organisationen und Wohltätigkeitsorganisationen wie Bloomberg Philanthropies, dem Weltwirtschaftsforum und der United Nations Climate Action and Finance dabei.
All diese Engagements hat er eigenen Angaben zufolge im Vorfeld seiner Bewerbung um die Nachfolge Trudeaus beendet. Die Konservativen kritisierten, dass er Teil von Brookfield Asset Management war, als das Unternehmen seinen Hauptsitz von Kanada in die Vereinigten Staaten verlegte. Carney entgegnete darauf zunächst, dass er zum Zeitpunkt des Umzugs, der Ende 2004 stattfand, „nicht mehr im Vorstand war“. Ein Brief aus jener Zeit zeigte jedoch, dass er über den Umzug sprach, als er noch Vorsitzender des Unternehmens war. Daraufhin räumte der 60-Jährige ein, dass seine Antwort „präziser“ hätte sein sollen.
Carney ist ein massiver Befürworter der Klimaschutzpolitik und der Abkehr von Kohlenwasserstoffen. Er war Mitleiter der Glasgow Financial Alliance for Net Zero, die sich während der COP26-Klimakonferenz im schottischen Glasgow (2021) gründete. Die Gruppe, die sich aus führenden globalen Finanzinstituten zusammensetzt, die versuchen, Kapital für die Dekarbonisierung der Wirtschaft zu mobilisieren, wuchs bis zur Wahl Trumps im vergangenen November weiter an.
Ziel Netto-Null-Emissionen
Eine Untergruppe, die von Carney ins Leben gerufene Net Zero Banking Alliance, hat sich mittlerweile aufgelöst. Grund war der Rückzug der größten US-Banken. Anfang 2025 folgten große kanadische Geldinstitute.
Carney äußerte sich zu diesem Thema, als er am 14. Januar in der satirischen Nachrichtensendung „Daily Show“ des amerikanischen Komikers und Regisseurs Jon Stewart seinen Wahlkampfauftakt startete. „Sobald die großen Banken merkten, dass Donald Trump wieder im Amt sein würde, sind sie alle abgesprungen“, sagte Stewart. „Sie haben alle ihre Zusagen gebrochen, die sie gemacht haben, und Sie bleiben in gewisser Weise mit der CO₂-Steuer in der Tasche zurück. Wird das Ihre Kandidatur erschweren?“, fragte er Carney. Dieser beabsichtigt, an seinem Ziel der Netto-Null-Emissionen festzuhalten. Gleichzeitig kündigte er aber auch an, als Premierminister die unpopuläre Kohlendioxidsteuer abschaffen zu wollen. Stattdessen soll es ein Anreizprogramm geben. „Aber wir müssen es so machen, dass die Kanadier heute nicht den Preis dafür zahlen müssen“, sagte er zu Stewart; den wolle er Großunternehmen aufbürden.
Carney hatte Trudeau bereits kurz nach Ausbruch der Pandemie im Jahr 2020 informell zu den wirtschaftlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 beraten. Im September 2024 wurde er offizieller Berater der Liberalen Partei.
Einige Monate später tauchten Berichte auf, dass die Liberalen planten, die damalige Finanzministerin Chrystia Freeland durch Carney zu ersetzen. Diese trat – wie eingangs erwähnt – Mitte Dezember zurück. Zuvor hatte sie Trudeau über ihre vorgesehene Abberufung informiert. Das hatte dann die Rücktrittsforderungen gegen ihn aus den eigenen Reihen ausgelöst.
Staatsschulden senken, Mittelschicht entlasten
Nur drei Tage nach Freelands Rücktritt war Carney kein Aspirant mehr auf den Posten des Finanzministers. So sagte der ranghohe Kabinettsminister Dominic LeBlanc, dass Carney keine Option mehr sei. „Diese Diskussion ist abgeschlossen.“
Carney will sich nun auf die Senkung der Staatsausgaben konzentrieren. Schulden werde die Regierung nur noch aufnehmen, wenn dies zum Wirtschaftswachstum beitrage. Zudem kündigte er Steuersenkungen für die Mittelschicht und den Abbau interner Handelsschranken an. Für den Bereich Wohnungsbau will der frisch gebackene Premierminister Geld für neue Technologien bereitstellen. Damit verbunden seien Bürokratieabbau, schnellere Fertigstellungszeiten und der Einsatz von privatem Risikokapital für den Bau neuer Wohnungen.
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit soll die Klimapolitik sein. Auch stehe er zur Inklusivität. „Während Amerika einen Krieg gegen das Wachsein führt, werden die Kanadier weiterhin Wert auf Inklusivität legen“, sagte er auf der Wahlkampftour. Während seiner Kampagne kündigte er zudem an, dass seine Antwort auf die US-Zölle „Dollar für Dollar“-Vergeltungszölle auf die für die Vereinigten Staaten schädlichsten Produkte beinhalten werde. Stark machen wolle er sich auch für die Förderung von Investitionen und die Unterstützung von Arbeitnehmern in Kanada. Zudem müsse Kanada seine Handelsbeziehungen diversifizieren.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Who is Mark Carney, Canada’s next Prime Minister“. (deutsche Bearbeitung os)
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