Raisis Vermächtnis: Über 500 tote Demonstranten, Terror gegen Israel und schwache Wirtschaft

Mit dem Tod von Präsident Raisi drohen dem Regime im Iran neue Machtkämpfe. Vizepräsident Mokhber hat nun die Aufgabe, binnen 50 Tagen Neuwahlen vorzubereiten. Aber auch die Debatte um die perspektivische Nachfolge des Obersten Führers Chamenei ist längst eröffnet.
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Der iranische Präsident Ebrahim Raisi wurde nur 63 Jahre alt.Foto: Office of the President of the Islamic Republic of Iran via Getty Images
Von 20. Mai 2024

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Am Montag, 20. Mai, um 8:00 Uhr Ortszeit (6:30 MEZ) haben iranische Staatsmedien offiziell den Tod des Staatspräsidenten Ebrahim Raisi bestätigt. Der Präsident sowie weitere acht Insassen eines Helikopters waren zuvor am Sonntag im Bergland nahe der aserbaidschanischen Grenze als vermisst gemeldet worden.

Unter den Insassen des Helikopters befanden sich auch Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian, der Gouverneur der Provinz Ost-Aserbaidschan, Malek Rahmati, sowie der Geistliche Hodschatoleslam Al Hashem aus Tabriz. Gemäß Artikel 131 der Verfassung hat Vizepräsident Mohammad Mokhber die Regierungsgeschäfte übernommen. Binnen 50 Tagen hat dieser nun zusammen mit dem Parlamentssprecher und dem Obersten Richter Neuwahlen vorzubereiten.

Raisi wollte Beziehungen zu Aserbaidschan verbessern

Einem Bericht von „Al-Monitor“ zufolge befindet sich die Absturzstelle etwa 32 Kilometer südlich der Grenze zu Aserbaidschan im Gebiet von Uzi. Zuvor hatte es ein Treffen zwischen der iranischen Delegation und einer Abordnung unter Leitung von Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew jenseits der Grenze gegeben.

Bei der Eröffnung des Qiz Qalasi Damms trafen sich die Präsidenten von Iran und Aserbaidschan, Ebrahim Raisi und Ilham Alijew am 19. Mai 2024. Foto: Office of the President of the Islamic Republic of Iran via Getty Images

Zweck des Treffens seien Bemühungen um eine Verminderung der Spannungen zwischen beiden Ländern gewesen. Auch ein Staudamm wurde eingeweiht. Die bilateralen Beziehungen sind aus unterschiedlichen Gründen angespannt. Diese reichen von Differenzen bezüglich des Status des Kaspischen Meeres bis hin zu Bedenken in Baku, Teheran könne versuchen, sein theokratisches System ins Nachbarland zu exportieren. Der Iran wiederum stört sich an den engen Beziehungen Aserbaidschans zu Israel und den USA.

Insgesamt waren drei Helikopter Teil des Konvois, der sich auf dem Heimweg nach Teheran machte. Die beiden anderen Maschinen gerieten in keine Turbulenzen. Im Absturzgebiet herrschten zum Zeitpunkt des Verschwindens des Präsidentenhelikopters Schnee und Nebel. Unter anderem die Türkei und Russland hatten Drohnen zur Verfügung gestellt, um die Suche zu unterstützen. Bereits zuvor war von einer „harten Landung“ von Raisis Hubschrauber die Rede gewesen.

Bereits mit 20 Jahren in die Justiz des Regimes involviert

Nach 15 Stunden war die Suche zu Ende. An der Absturzstelle war „kein Lebenszeichen“ mehr zu verzeichnen. Die Maschine war den Berichten zufolge „vollständig ausgebrannt“. Um 3:46 Uhr Ortszeit (2:16 MEZ) meldete die türkische Nachrichtenagentur „Anadolu“, dass eine türkische Drohne eine „Wärmequelle“ aufgespürt hatte. Diese konnte zeitnah als der Hubschrauber mit Raisi an Bord identifiziert werden.

Raisi war im Jahr 2021 mit 62 Prozent der abgegebenen Stimmen zum Präsidenten gewählt worden. Die Wahlbeteiligung betrug nur 48,8 Prozent, knapp 13 Prozent gaben ungültige Stimmen ab. Im Jahr 2017 waren noch etwa 70 Prozent zur Wahl gegangen. Damals verlor Raisi mit 38 Prozent gegen den Amtsinhaber Hassan Rohani, der auf 57 Prozent kam. Im Iran müssen sich Kandidaten, um zugelassen zu werden, erst einem Hearing durch den sogenannten Wächterrat unterziehen.

Vor seinem Amtsantritt war Raisi unter anderem als Oberster Richter tätig. Bereits im Alter von 20 Jahren hatte seine Karriere in der Justiz als Staatsanwalt begonnen. Dieses Amt trat er 1981 an – zwei Jahre nach der sogenannten Islamischen Revolution unter Ayatollah Ruhollah Chomeini. Er galt in dieser Funktion als einer der Hauptprotagonisten einer Säuberungsaktion, die Chomeini persönlich angeordnet hatte.

Dabei sollen 1988 mehrere tausend Regimegegner hingerichtet worden sein – vorwiegend ehemalige Mitstreiter beim Sturz des Schah, die jedoch die Umwandlung des Landes in eine Theokratie nicht billigten. Bereits seit damals steht Raisi auf einer Sanktionsliste der USA.

Raisi verlagerte außenpolitischen Schwerpunkt auf Terror gegen Israel

Im Jahr 2009 war Raisi verantwortlich für die Untersuchung von Vorwürfen der Vergewaltigung von Teilnehmerinnen an Demonstrationen gegen den damals wiedergewählten Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Es kam am Ende lediglich zu Anklagen der mutmaßlichen Opfer.

Neben seiner weiteren Karriere in der Justiz war der am Sonntag verstorbene Politiker unter anderem auch Aufsichtsratschef des staatlichen Rundfunks des Iran (IRIB). Nach seinem Amtsantritt als Präsident hat er den außenpolitischen Kurs des Mullah-Regimes gegenüber seinem Vorgänger Rohani noch einmal deutlich verschärft.

Hatte für Rohani noch die Festigung des iranischen Einflusses in Syrien, im Irak und im Jemen Vorrang, ging Raisi speziell zu Israel auf Konfrontationskurs. Unter seiner Führung intensivierte der Iran die Unterstützung für terroristische Organisationen wie die Hamas in Gaza, die Hisbollah im Libanon und die Huthis im Jemen. Statt wie zuvor Saudi-Arabien sollten diese jedoch fortan Israel und die internationale Handelsschifffahrt ins Visier nehmen.

Als erster iranischer Machthaber hatte Raisi im April mit etwa 300 Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen den jüdischen Staat direkt angegriffen. Um sich die Rückendeckung Russlands zu erhalten, lieferte das Mullah-Regime dem Kreml Drohnen für den Krieg in der Ukraine. Raisi bemühte sich außerdem um intensivere Beziehungen zum Regime der Kommunistischen Partei China.

Proteste nach Tod von Mahsa Amini wurden zur innenpolitischen Herausforderung

Innenpolitisch sah sich Raisi mit einer Welle von Demonstrationen konfrontiert. Den Anstoß dazu gab der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im Polizeigewahrsam. Diese war zuvor von der Sittenpolizei wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Kopftuchpflicht festgenommen worden.

Der Fall hatte monatelange landesweite Proteste zur Folge, die mehr als 500 Todesopfer forderten. Mehr als 22.000 Menschen wurden im Zusammenhang mit den Protesten inhaftiert. In konservativen Kreisen machte sich Raisi ebenfalls Feinde, weil es ihm nicht gelang, Inflation und Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen.

Inoffiziell befindet sich im Iran bereits eine Debatte über die perspektivische Nachfolge des mittlerweile 85-jährigen geistlichen Führers Ali Chamenei im Gange. Der 63-jährige Raisi galt bereits als dessen Wunschkandidat für die Präsidentschaft. Nun könnten neue Machtkämpfe innerhalb des iranischen Regimes aufflammen.

Irans oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei. Foto: Atta Kenare/AFP via Getty Images



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