Putschversuch in Bolivien – General festgenommen, Führung der Streitkräfte ausgetauscht
In Bolivien haben Militäreinheiten nach Angaben von Präsident Luis Arce einen Putschversuch unternommen. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP in La Paz beobachteten, wie Soldaten und Panzer am Mittwoch auf der zentralen Plaza Murillo vor dem Präsidentenpalast auffuhren. Doch es gibt Ungereimtheiten.
Was war geschehen?
Mit einem Panzer wurde versucht, ein Metalltor des Präsidentenpalastes aufzubrechen. Der Anführer dieser Militäreinheiten, der inzwischen entlassene Oberbefehlshaber der bolivianischen Armee Juan José Zúñiga, erklärte, sein Ziel sei es, die Demokratie im Land „umzustrukturieren“.
„Wir werden das Vaterland zurückgewinnen“, sagte Zúñiga in Videos, die von Murillo Plaza verbreitet wurden. „Es wird ein neues Kabinett geben, sicherlich wird es geändert werden, aber unser Staat kann nicht so weitermachen. Wir wollen unsere Heimat zurückgewinnen. Genug davon, unsere Heimat zu verarmen“, sagte er.
Die Streitkräfte hätten die Absicht, die Demokratie zu einer echten Demokratie zu machen und nicht einer, „die seit 30, 40 Jahren von denselben wenigen Leuten geführt wird“, sagte er umgeben von Soldaten und mehreren Panzern vor dem Präsidentenpalast.
Kurz darauf beobachteten AFP-Reporter, wie sich die Soldaten und Panzer von dem Platz zurückzogen. Zúñiga wurde später am Mittwoch festgenommen. Berichte über Verletzte oder Tote gibt es nicht.
Lokale Medien berichteten, dass Zúñiga, als er von der Polizei weggeführt wurde, erklärte, dass er den Befehlen des Präsidenten gefolgt sei. Er sagte, dass der Präsident in einem Treffen ein paar Tage zuvor um Hilfe gebeten hatte, „um etwas vorzubereiten, um meine Popularität zu steigern“ und ihn angewiesen hatte, gepanzerte Fahrzeuge einzusetzen.
Gesamte Führung der Streitkräfte ausgetauscht
Die Generalstaatsanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen den Offizier und seine Mitverschwörer ein. Zúñiga werde Terrorismus und bewaffneter Aufstand gegen die Sicherheit und Souveränität des Staates vorgeworfen.
Staatschef Luis Arce und der abtrünnige General standen angeblich sich kurz zuvor auf den Fluren Regierungspalastes Quemado Auge in Auge gegenüber. „Ziehen sie alle Soldaten zurück. Das ist ein Befehl“, rief der Präsident. „Werden Sie mir nicht gehorchen?“
Kurz nach dem Schlagabtausch enthob er den Heereschef seines Amtes und tauschte die gesamte Führungsriege der Streitkräfte aus. Die neuen Chefs der Teilstreitkräfte ordneten daraufhin den Rückzug der Truppen aus der Innenstadt des Regierungssitzes La Paz an.
Machtkampf um früheren Präsidenten Morales
Offenbar steht der versuchte Staatsstreich im Zusammenhang mit einer erneuten Präsidentschaftskandidatur des früheren Staatschefs Evo Morales (2006-2019). Der linke Staatschef war 2019 unter dem Druck des Militärs zurückgetreten, nachdem ihm von der Opposition und internationalen Wahlbeobachtern Betrug bei der Präsidentenwahl vorgeworfen worden war.
Nach einer Reihe von Gerichtsentscheidungen darf der erste indigene Präsident des Landes nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren. Er will bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr trotzdem antreten. Derzeit kämpfen Morales und der amtierende Staatschef Arce um die Führungsrolle in ihrer Partei MAS.
General Zúñiga hatte zuvor angekündigt, er werde Evo Morales festnehmen, falls dieser wie angekündigt darauf bestehe, bei der Präsidentschaftswahl 2025 zu kandidieren. Der von 2006 bis 2019 amtierende und im Zuge von Massendemonstrationen zurückgetretene Morales war Ende Dezember 2023 von der Wahl ausgeschlossen worden.
Morales schrieb im Onlinedienst X, ehemals Twitter, es braue sich ein Staatsstreich zusammen. Er rief zu einer „nationalen Mobilisierung zur Verteidigung der Demokratie“ auf.
Bolivien ist nach Jahren politischer Instabilität tief polarisiert. Die Regierungspartei MAS ist durch einen internen Konflikt zwischen Anhängern von Arce und seinem ehemaligen Mentor Morales gespalten.
Morales, der erste indigene Präsident Boliviens, war beliebt, ehe er versuchte, die Verfassung zu umgehen und eine vierte Amtszeit anzustreben. Er gewann zwar die Wahl, musste aber inmitten tödlicher Proteste wegen Wahlbetrugsvorwürfen zurücktreten und floh aus dem Land.
Präsident rief das Volk auf, sich zu wehren
Präsident Luis Arce rief nach dem Aufmarsch zahlreicher Militäreinheiten vor dem Präsidentenpalast das Volk dazu auf, sich gegen einen „Staatsstreich“ zur Wehr zu setzen. „Das bolivianische Volk ist heute aufgerufen, sich gegen den Staatsstreich zu wehren und für die Demokratie zu mobilisieren“, sagte Arce am Mittwoch in einer im Fernsehen ausgestrahlten Botschaft aus dem Präsidentenpalast.
Er fügte an: „Wir können nicht zulassen, dass Putschversuche erneut bolivianische Menschenleben kosten.“ Und: „Niemand kann uns die Demokratie wegnehmen, die wir errungen haben“. Arce vereidigte zudem eine neue Militärführung.
Das „Wall Street Journal“ zitiert Eduardo Gamarra, einen Bolivianer, der die Lage in Lateinamerika an der Florida International University verfolgt.
Gamarra ordnet das Geschehen so ein, dass dieses Präsident Luis Arce vor den Präsidentschaftswahlen 2025 in eine vorteilhaftere Position bringen könnte. Da die Regierung die Gerichte kontrolliere, könne dies genutzt werden, um Gegner zu beschuldigen, an einem Staatsstreich teilgenommen zu haben.
Internationale Reaktionen
Die Vereinten Nationen zeigten sich besorgt über die Ereignisse in Bolivien. „Wir rufen die bolivianische Gesellschaft, einschließlich der Streitkräften, dazu auf, sich verantwortungsvoll zu verhalten und die demokratischen Werte hochzuhalten“, hieß es in einer Mitteilung der UN.
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kritisierte den Putschversuch in Bolivien scharf. „Ich verurteile entschieden die Versuche, die demokratisch gewählte Regierung Boliviens zu stürzen“, schrieb von der Leyen am späten Mittwochabend auf der Plattform X. Die Europäische Union stehe an der Seite der Demokratien.
Mehrere lateinamerikanische Präsidenten wiesen den Vorstoß des Militärs ebenfalls zurück. „Wir verurteilen jede Form des Staatsstreichs in Bolivien und bekräftigen unser Engagement für das Volk und die Demokratie in unserem Bruderland“, sagte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.
Chiles Präsident Gabriel Boric schrieb auf der Nachrichtenplattform X: „Wir können keinen Verstoß gegen die rechtmäßige verfassungsmäßige Ordnung in Bolivien oder anderswo tolerieren.“
Die Administration von US-Präsident Joe Biden erklärte, die Ereignisse in Bolivien genau zu beobachten und rufe zur Ruhe auf, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats. Zahlreiche Länder in Lateinamerika verurteilten die Truppenbewegungen in Bolivien. Staatenlenker aus Chile, Ecuador, Peru, Mexiko, Kolumbien und Venezuela riefen dazu auf, die Demokratie zu respektieren.
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva schrieb auf X, er sei ein Freund der Demokratie und wolle, dass es sie in ganz Lateinamerika gebe. „Wir verurteilen jede Form des Staatsstreichs in Bolivien“, fuhr er fort. Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez rief dazu auf, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit zu respektieren. (afp/dpa/red)
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