Putin zeigt ein „Friedenspapier“ vom Jahr 2022

Laut Russlands Präsident Putin hätte der Angriffskrieg in der Ukraine bereits im Frühling 2022 beendet werden können. Ob das Dokument echt ist, lässt sich bisher nicht bestätigen.
Titelbild
Der russische Staatschef Wladimir Putin, als er den besagten Friedensvertrag von 2022 auf einem Treffen mit afrikanischen Staatschefs vor die Kamera hält.Foto: Screenshot aus Video
Von 21. Juni 2023

Bei einer am Samstag stattgefundenen „Friedensmission“ einer afrikanischen Delegation in Sankt Petersburg hielt der russische Präsident Wladimir Putin ein Dokument vor die Kamera, welches er als Entwurf eines Sicherheitsabkommens mit der Ukraine bezeichnete.

Laut Putin sei das auch als „Friedenspapier“ bezeichnete Paper im März 2022 in Istanbul ausgearbeitet und vom Kiewer Chefunterhändler unterschrieben worden. Ob das Papier echt ist, ist unklar. Russlands Staatschef gab an, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Verhandlungen damals unterstützt habe. Dabei habe dieser geholfen, „sowohl vertrauensbildende Maßnahmen auszuarbeiten als auch den Text des Abkommens zu verfassen“, wie die russische Nachrichtenagentur „Tass“ den 70-jährigen Kreml-Chef zitiert.

In dem Papier sei dokumentiert, dass Russland sich freiwillig aus Kiew zurückziehe und nicht, wie bisher behauptet, dass es den Kampf um Kiew verloren habe. „Wir haben mit der ukrainischen Seite nicht besprochen, dass dieser Vertrag als geheim eingestuft werden würde, aber wir haben ihn auch nie vorgelegt oder kommentiert“, äußerst sich Putin über das bislang nicht enthüllte Dokument.

Laut Putin hielt sich Kiew nicht an die Bedingungen

In dem betreffenden Videoausschnitt aus Putins Rede, der in den sozialen Medien die Runde macht, behauptet der russische Präsident, dass es in dem Papier 18 Artikel gebe. Außerdem einen Nachtrag, der sich auf das Personal der Streitkräfte und sogar die Anzahl der militärischen Ausrüstungseinheiten beziehe.

„Nachdem wir wie besprochen die Truppen aus Kiew abgezogen hatten, warfen die Kiewer Behörden alles auf die Müllkippe der Geschichte“, so Putin. Die Gegenseite habe sich also nicht an die Bedingungen gehalten.

Putin zufolge trägt das Dokument den Titel „Vertrag über die ständige Neutralität und Sicherheitsgarantien für die Ukraine“. Aus dem Entwurf gehe hervor, dass die Ukraine „permanente Neutralität“ in ihrer Verfassung verankern müsse. Nicht nur Russland, sondern auch die USA, China, Großbritannien und Frankreich seien dabei als Garanten aufgezählt. Bislang hat sich noch keines der genannten Länder oder die Ukraine dazu geäußert.

Festlegungen über Kiews Streitkräfte

Wie die Zeitung „blick.ch“ aus dem Telegram-Kanal „Strana“ zitiert, habe Moskau in dem Zusatzentwurf, der von Putin ebenfalls gezeigt worden sei, die russischen und ukrainischen Vorschläge zur Größe des stehenden Heeres Kiews in Friedenszeiten sowie zu dessen Ausrüstung festgehalten.

In dem Vorschlag habe Russland die Zahl der Militärangehörigen auf 85.000 und die Zahl der Mitglieder der Nationalgarde auf 15.000 festgelegt. Kiew habe stattdessen bis zu einer Viertelmillion Soldaten gefordert.

Darüber hinaus habe Russland der Ukraine in dem Entwurf 342 Panzer, 1.029 Panzerfahrzeuge, 96 Mehrfachraketenwerfer, 50 Kampfflugzeuge und 52 „Hilfsflugzeuge“ zugestanden. Kiew habe aber auf 800 Panzern, 2.400 gepanzerten Fahrzeugen, 600 Mehrfachraketenwerfer, 74 Kampfflugzeuge und 86 „Hilfsflugzeuge“ beharrt.

Sicherheitsexperte: „Es gab keine unterzeichnete ‚Endfassung‘“

Nach Bekanntwerden des unbekannten Papiers hat es einige Reaktionen in den sozialen Medien gegeben. So zum Beispiel von Nico Lange, einem deutschen Politikberater und Publizisten. Seit Juli 2022 arbeitet er für die Zeitenwende-Initiative bei der Münchner Sicherheitskonferenz.

In einem Twitter-Beitrag schreibt Lange unter anderem: „Über den Entwurf dieser Vereinbarung und unterschiedliche Änderungen/Ergänzungen wurde zwischen Russland und Ukraine damals immer wieder gesprochen. Es gab jedoch nie eine von beiden Seiten unterzeichnete ‚Endfassung‘.“

Auf der Titelseite des Dokumentes in besagtem Video war das Entwurfsdatum vom 15. April zu erkennen. Somit wäre der Entwurf, den Putin gezeigt hat, nach dem Massaker von Butscha entstanden, welche der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als Kriegsverbrechen verurteilt hatte. Danach habe die Ukraine laut Lange die Verhandlungen beendet.

Israels Ex-Premierminister bestätigt: USA, Frankreich und Deutschland blockierten Friedensverhandlungen

Wie Nico Lange weiter angibt, seien in dem Entwurf zwar viele Ideen angegeben, zum Beispiel über Sicherheitsgarantien (USA, Frankreich, China usw.). Diese seien mit den betreffenden Staaten aber gar nicht besprochen worden. „Es waren also bestenfalls Ideen in einem Entwurf“, so Lange.

Weiter habe der israelische Premierminister Bennett „mittlerweile mehrfach öffentlich klargestellt, dass es offen war, ob es jemals zu einer Vereinbarung auf der Grundlage dieser Textentwürfe gekommen wäre“.

In einem Interview des US-amerikanischen Nachrichtensenders The Hill“ mit dem ehemaligen Premierminister Israels, Naftali Bennett, räumt dieser ein, dass die USA, Frankreich und Deutschland Friedensverhandlungen blockiert hätten.

Er habe dies zwar für falsch gehalten, sich aber nur in der Position eines Vermittlers gesehen, der nicht tun könne, was ihm selbst gefalle. Bennett war bis 30. Juni 2022 im Amt des Premierministers.

Umwandlung in „Krieg mit dem kollektiven Westen“

Bisher hat Putin den Krieg als eine „militärische Spezialoperation“ bezeichnet, die als Sicherheitsmaßnahme für den Donbass galt. Wie der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, jedoch kürzlich in einem Interview mit dem russischen Fernsehsender RT mitteilte, habe sich das nun geändert.

„Jetzt läuft es bereits praktisch als Krieg zwischen der Russischen Föderation und dem kollektiven Westen“, zitiert die „Tass“ den 55-jährigen Pressesprecher. Außerdem sei die Ukraine erfolgreich entmilitarisiert worden.

„Die Ukraine hat keine Souveränität. Die Ukraine hat weder den Willen noch den Wunsch noch die Fähigkeit, eine souveräne Position zu vertreten. Der Ukraine wird von Washington diktiert, was sie tun soll“, so der Kreml-Sprecher weiter. Danach fügte er hinzu, dass dies „eine völlig offensichtliche und verständliche Tatsache“ sei.

Darüber hinaus sagte Peskow, dass die Intervention der NATO den Konflikt in der Ukraine verkompliziere. „Aber das hat keinen Einfluss auf den Gesamtausgang der Ereignisse: Wir werden die militärische Sonderoperation fortsetzen und unsere Ziele erreichen“, ergänzt der Kreml-Sprecher.



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