Putin offen für Verhandlungen mit Trump: Gebietsabtretungen der Ukraine doch auf der Tagesordnung?
Während Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus näher rückt, mehren sich die Nachrichten über ein abgestimmtes Vorgehen zur Beendigung der Kämpfe in der Ukraine.
„Einigkeit“ zwischen der Ukraine und den USA sei „das Wichtigste“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj während eines Interviews mit dem US-Sender „Fox News“ am Dienstag. Trump könne den russischen Präsidenten Wladimir Putin beeinflussen, „weil er viel stärker ist als Putin“. Der russische Staatschef „kann willens sein und diesen Krieg beenden, aber es hängt auch viel mehr von den Vereinigten Staaten von Amerika ab. Putin ist schwächer als die Vereinigten Staaten von Amerika“.
Moskau besteht währenddessen darauf, seine Kriegsziele zu erreichen. Laut dem Kreml sei Präsident Wladimir Putin jedoch zu Verhandlungen bereit.
Gleichzeitig eskaliert die Situation an der Front. Unter welchen Bedingungen wäre ein Waffenstillstand möglich? Offiziell sind weder Russland noch die Ukraine bereit, ihre territorialen Ansprüche aufzugeben. Insiderberichten zufolge wird jedoch im Hintergrund über entsprechende Pläne nachgedacht.
Putin offen für Gespräche mit Trump
Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, hat der staatlichen russischen Nachrichtenagentur „TASS“ am Montagnachmittag von der Möglichkeit eines Gesprächs zwischen Putin und Trump berichtet.
Sowohl Trump als auch Putin haben schon früher ein Gespräch ins Auge gefasst. Putin gratulierte Trump während des Waldai-Forums in Sotschi am 7. November zu seinem Wahlsieg. „Ich nutze diese Gelegenheit, um ihm zu gratulieren“, sagte er. Auf die Frage, ob er bereit sei, Gespräche mit Trump zu führen, antwortete der russische Staatschef: „Bereit“. Auch Trump zeigte sich bereit für ein Gespräch und sagte am 8. November in einem Interview mit „NBC News“: „Ich denke, wir werden reden.“
Für den russischen Präsidenten sei aber ein Einfrieren des Krieges entlang der Front „keine Option“, wie Peskow am Mittwoch verlauten ließ.
Territoriale Verhandlungen aus Sicht von Russland
Der Direktor des Eurasien-Programms des US-amerikanischen Quincy-Instituts sprach diesen Sommer vertraulich und unter der Bedingung der Anonymität mit mehreren russischen Entscheidungsträgern, ehemaligen Diplomaten, Politikanalysten, russischen Wirtschaftsführern und Bürgern. Über die Ergebnisse seiner Interviews berichtete Anatol Lieven auf „Foreign Policy“.
Lieven hat bei seinen Treffen in Russland herausgefunden, dass nur eine kleine Minderheit der russischen politischen Elite überzeugt sei, dass Russland einen völlig vernichtenden Sieg über die Ukraine erringen sollte. Die meisten von ihnen dächten an ein Waffenstillstandsabkommen, das realistisch auf der Grundlage des militärischen Kräfteverhältnisses ausgearbeitet werden solle.
Sie seien überzeugt, dass die Waffenstillstandslinie in etwa entlang der aktuellen Frontlinie gezogen werden sollte. Schließlich sei genau dieses Gebiet von den Russen so stark verteidigt worden, dass die ukrainische Armee es wahrscheinlich nicht durchbrechen könne. „Es besteht große Zuversicht, dass das ukrainische Militär niemals in der Lage sein wird, die verlorenen Gebiete der Ukraine in nennenswertem Umfang zurückzuerobern“, schreibt Lieven.
Was Russland um keinen Preis aufgeben werde
Die in den Jahren 2022 durchgeführten russischen Annexionen werden nach Angaben der internen Quellen vom Kreml als endgültig angesehen. Laut den Insidern strebe die russische Führung an, dass die vier von Russland offiziell als russisches Staatsgebiet deklarierten Gebiete – die Oblaste Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson – zu Russland gehören. Moskau könne nur mit militärischen Mitteln zur Aufgabe dieser Gebiete gezwungen werden.
Die Mehrheit der Informanten meinte zudem, dass jedes Gebiet in anderen Provinzen wie Charkiw an die Ukraine zurückgegeben werden könne, wenn es im Gegenzug entmilitarisiert würde. Dies würde dazu beitragen, einen Waffenstillstand zu gewährleisten, und Putin könne behaupten, er habe die Sicherheit der angrenzenden russischen Provinzen gewährleistet, die in den vergangenen Monaten ukrainischen Bombardierungen ausgesetzt waren.
Einige optimistischere russische Gesprächspartner meinten, dass es möglich sein könne, „Gebiete in Charkiw gegen Gebiete in den vier Provinzen auszutauschen, von denen derzeit keines vollständig von Russland besetzt ist“, so Lieven.
Allerdings stellt er fest, dass sich die russische politische Elite bewusst darüber sei, dass diese annektierten Gebiete von der internationalen Gemeinschaft, einschließlich wichtiger Verbündeter wie China, Indien und Südafrika, nicht als russisches Territorium anerkannt werden. Der Definition des Völkerrechts zufolge werden sie wohl besetzte Gebiete bleiben.
Daher sei es zudem wahrscheinlich, dass der Inhalt eines zukünftigen Friedensabkommens einen Hinweis darauf enthalten werde, der besage, dass die Frage zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden sollte.
Kommen Gebietsabtretungen der Ukraine infrage?
Selenskyj lehnte bisher formaljuristische Gebietsabtretungen kategorisch ab. Er hat diese Woche jedoch erstmals etwas Raum für eine zeitweilige russische Kontrolle über ukrainische Gebiete gelassen. „Vielleicht muss die Ukraine jemanden in Moskau überleben, um ihre Ziele zu erreichen und das gesamte Staatsgebiet wiederherzustellen“, sagte er mit Blick auf den russischen Präsidenten.
Im Oktober berichtete die „Financial Times“ (FT) zudem, dass die Ukraine von ihren Kriegszielen zurücktreten könne. Der FT zufolge tendieren westliche Diplomaten und eine wachsende Zahl ukrainischer Diplomaten nun zu einem Abkommen, das der Ukraine umfangreiche Sicherheitsgarantien gebe, wenn Russland im Gegenzug zeitweilig von ihm besetzten Gebiete die Kontrolle behalten dürfte.
Das würde allerdings nicht bedeuten, dass Kiew und der Westen die russische Souveränität über diese Gebiete rechtlich anerkennen würden, heißt es. Es könne nämlich den Kreml „zu weiteren Aggressionen ermutigen“. Es würde auch nicht bedeuten, dass die Gebiete endgültig aufgegeben werden. Gleichzeitig würde die Ukraine eher versuchen, die Gebiete diplomatisch als militärisch zurückzuerobern.
Territorium für Russland als Gegenleistung für die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine?
Ein westlicher Diplomat sagte der FT, dass die Aufgabe der Gebiete im Gegenzug auf die NATO-Mitgliedschaft „die einzige praktikable Option“ bleiben könne. Er fügte hinzu, dass dies der Fall sei, auch wenn der Verlust von Territorium für die Ukrainer ein Tabuthema bleibe und zumindest öffentlich sie nicht darüber sprechen.
Eng verbunden mit den territorialen Zugeständnissen könnte also die Frage der Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO sein. Letzteres wird jedoch vom Kreml kategorisch ausgeschlossen. Einige westliche Diplomaten und Staats- und Regierungschefs glauben jedoch, dass hierzu eine Lösung gefunden werden könne. Und zwar eine Lösung, die für Moskau akzeptabel sein könne.
„Wenn es eine Demarkationslinie gibt, sogar eine administrative Demarkationslinie, können wir sie als vorläufige Grenze betrachten und die Ukraine mit dem Gebiet, das sie dann kontrolliert, in die NATO aufnehmen“, wird Petr Pavel, tschechischer Präsident und ehemaliger NATO-General, mit den Worten in einem früheren Interview mit „Novinky a Právo“ zitiert.
Andere Experten sprechen von einer NATO-Mitgliedschaft ohne NATO-Infrastruktur als eine mögliche Option. Die Ukraine müsse demnach eine militärisch vertretbare Grenze festlegen und auf die dauerhafte Stationierung von NATO-Truppen oder Atomwaffen auf ihrem Territorium verzichten (es sei denn, es droht ein Angriff).
Selenskyj: Der Krieg wird früher enden
Während des Wahlkampfs haben Donald Trump und sein Vize, Senator J.D. Vance, versprochen, den Ukraine-Konflikt rasch zu beenden. Sie sagten, dass die Vereinigten Staaten dem osteuropäischen Land zu viel Geld zur Verfügung gestellt hätten, und warnten vor dem Schreckgespenst eines Atomkriegs.
Der ukrainische Präsident erklärte am 15. November in einem Interview, dass der Krieg seines Landes mit Russland nach dem Sieg des designierten Präsidenten Donald Trump „früher enden“ werde. Auf die Frage, ob Trump darauf drängen werde, dass die Ukraine mit Russland verhandele, antwortete der Präsident, dass die Ukraine „ein unabhängiges Land“ sei und „die Herangehensweise, ‚Setz dich hin und höre zu‘, nicht funktioniert“.
Unter welchen Bedingungen die Parteien bereit sein werden, zu verhandeln, ist allerdings noch Gegenstand von Vermutungen. „Ein gerechter Frieden ist für uns von entscheidender Bedeutung. Wir sollen nicht das Gefühl haben, das Beste verloren zu haben, nur um uns Ungerechtigkeit aufzwingen zu lassen“, sagte Selenskyj gegenüber einem ukrainischen Nachrichtensender.
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