Putin lässt sich Zeit – will er den Waffenstillstand wirklich?

Laut Selenskyj zögert der Kreml absichtlich einen Waffenstillstand und die Friedensgespräche hinaus. Ist der Kreml wirklich bereit für einen Frieden oder will er nur Zeit für weitere militärische Erfolge gewinnen? Putin sagt, es gebe noch viele offene Fragen zu klären. Der russische Präsident hat die ukrainischen Soldaten in Kursk zur Kapitulation aufgefordert.
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Der russische Präsident Wladimir Putin zum Waffenstillstandsabkommen: Viele offene Fragen.Foto: Alexander Nemenow/AFP via Getty Images
Von 14. März 2025

Am Donnerstag herrschte in Moskau reges diplomatisches Treiben. Wenige Tage, nachdem eine US-Delegation mit der Ukraine in Saudi-Arabien über eine mögliche 30-tägige Waffenruhe verhandelt hatte, traf sich der russische Präsident Wladimir Putin mit einem seiner engsten Verbündeten zu Gesprächen.

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko war in die russische Hauptstadt gereist. Doch auch Steve Witkoff, ein Sondergesandter von Trump, war am selben Tag vor Ort für Gespräche mit Putin.

Am Nachmittag während einer Pressekonferenz mit Lukaschenko stellte Putin die russische Position klar: Moskau schließe einen Waffenstillstand nicht aus, jedoch müssten die genauen Bedingungen ausgearbeitet werden. Eine Waffenruhe müsse „zu einem dauerhaften Frieden führen und die tieferliegenden Ursachen dieser Krise angehen“.

Dafür sollen Gespräche „mit unseren amerikanischen Kollegen und Partnern […] und vielleicht auch Präsident Trump“ stattfinden. Es gebe viele offene Fragen, die noch diskutiert werden müssten. Ein Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt würde besonders den Interessen der Ukraine dienen, so der russische Präsident.

Selenskyj: Putin spielt auf Zeit

In einer Videoansprache am Donnerstagabend reagierte Wolodymyr Selenskyj auf Putins Antwort. Er warf Putin vor, in Wirklichkeit keinen Waffenstillstand zu unterstützen. Der ukrainische Präsident bezeichnete Putins Worte als vorhersehbar und „manipulativ“.

Sein Vorwurf: Putin wolle lediglich vermeiden, Trump direkt mitzuteilen, dass er diesen Krieg fortsetzen wolle. Stattdessen stelle Moskau Bedingungen, „die entweder zum Scheitern [der Waffenruhe] führen oder den Prozess so lange wie möglich in die Länge ziehen“. Dies sei eine bekannte Taktik Putins.

Selenskyj forderte zusätzliche Sanktionen und dass Russland von den „friedenswilligen“ Nationen gezwungen werde, den Krieg zu beenden.

Die US-Regierung hat am Dienstag die Aussetzung der Militär- und Geheimdienstunterstützung für die Ukraine aufgehoben, nachdem Kiew zuvor einen Vorschlag für eine Feuerpause der USA akzeptiert hatte.

Wie begründet Putin seine Position?

Putin begründete seine Position mit der aktuellen militärischen Lage. Laut seiner Einschätzung befinde sich die russische Armee in einer strategisch vorteilhaften Position. Putin bezog sich dabei in erster Linie auf die russische Grenzregion Kursk. Diese sei jetzt vollständig unter russischer Kontrolle. Die ukrainischen Soldaten hätten dort kaum noch Möglichkeiten zum Rückzug. Für sie gebe es nur zwei Optionen: „sich ergeben oder sterben.“

Vor diesem Hintergrund sei ein Waffenstillstand für die Ukraine von Vorteil. Eine einmonatige Pause würde es der Ukraine ermöglichen, ihre Bestände an militärischer Ausrüstung aufzufüllen, bestehende Verteidigungsanlagen zu verstärken, neue Verteidigungsanlagen entlang der Kontaktlinie zu errichten und Truppenverlegungen durchzuführen.

„Von außen betrachtet mag es so aussehen, als hätte die ukrainische Führung auf Druck der USA eine Entscheidung getroffen“, sagte Putin während der Pressekonferenz mit Lukaschenko. In Wirklichkeit aber sei ein Waffenstillstand für die Ukrainer absolut geboten.

Für die russischen Truppen gebe es hingegen keinen dringenden Grund, die Waffen ruhen zu lassen. Seiner Aussage zufolge seien russische Truppen kurz davor, die Kontrolle über mehrere Gebiete zu erlangen.

Trump: Putin soll ukrainische Soldaten an der Front „verschonen“

US-Präsident Donald Trump hat den russischen Präsidenten nach eigenen Angaben dazu aufgerufen, ukrainische Soldaten an der Front „zu verschonen“. „Tausende ukrainische Soldaten sind derzeit vollkommen von der russischen Armee eingekesselt“, schrieb Trump am Freitag in seinem Onlinedienst Truth Social. Er habe Putin daher „nachdrücklich aufgefordert“, ihr Leben zu schonen.

Trump schrieb weiter, es drohe „ein fürchterliches Massaker, wie es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehen worden“ sei.

Mit dem russischen Staatschef Putin seien am Donnerstag „sehr gute und produktive Gespräche“ geführt worden, erklärte er zudem. Später sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, dass Trump am Donnerstag nicht persönlich mit Putin gesprochen habe.

Trump schrieb auf Truth Social weiter, es bestehe eine „hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieser fürchterliche und blutige Krieg endlich aufhört“.

Putin hat die ukrainischen Soldaten in Kursk am Freitag zur Kapitulation aufgefordert. Er sagte in einer Fernsehansprache, Moskau stehe der Forderung von Trump, die ukrainischen Soldaten am Leben zu lassen, „wohlwollend“ gegenüber. „Wenn sie ihre Waffen niederlegen und sich ergeben, wird ihnen das Leben und eine würdige Behandlung entsprechend dem Völkerrecht und den Gesetzen der Russischen Föderation garantiert“, fügte der Kreml-Chef hinzu.

Ukrainische Armee sieht „keine Gefahr”

Die ukrainische Armee erklärte in Reaktion auf Trumps Äußerungen in Onlinediensten, ihre Soldaten liefen derzeit „keine Gefahr, eingekesselt zu werden“. Der Generalstab bezog sich in seinen Äußerungen auf die Lage in Kursk.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Lage am Freitag als „sehr schwierig“.

Ukrainische Soldaten hatten in Kursk mit einer überraschenden Gegenoffensive im vergangenen August mehrere Hundert Quadratkilometer unter ihre Kontrolle gebracht. Russland gelang es nach eigenen Angaben nach über einem halben Jahr, große Teile zurückzuerobern.

Am Mittwoch hatte der ukrainische Armeechef Oleksandr Syrskyj einen Teilrückzug seiner Truppen in Kursk angedeutet. Er erklärte, die ukrainischen Truppen würden sich „in günstigere Positionen“ begeben. Diese Formulierung wird typischerweise verwendet, um einen Rückzug zu verkünden.

Rubio: „Vorsichtig optimistisch“ über Waffenruhe

Nach dem Treffen zwischen Putin und dem US-Sondergesandten Steve Witkoff hat US-Außenminister Marco Rubio sich „vorsichtig optimistisch“ über eine mögliche Waffenruhe in der Ukraine gezeigt. „Es bleibt noch viel zu tun, aber es gibt Grund, vorsichtig optimistisch zu sein“, sagte Rubio am Freitag nach dem Treffen der Außenminister der G7-Staaten im kanadischen Charlevoix.

Es werde nicht einfach sein, den Krieg zu beenden, aber „wir sind zumindest einige Schritte vorangekommen“, sagte Rubio. Außerdem mahnte er Russland und die Ukraine, dass der Krieg nicht durch militärische Mittel zu gewinnen sei. „Der einzige Weg, diesen Krieg zu beenden, ist durch einen Verhandlungsprozess“, sagte der Außenminister.

Die Verhandlungen würden von beiden Konfliktparteien „Zugeständnisse“ verlangen. Zudem deutete Rubio baldige Gespräche zwischen Russland und der Ukraine an. Die beiden Länder „könnten ziemlich bald zusammenkommen“.

In einer Abschlusserklärung hatten die Außenminister der G7-Staaten zuvor ihre „unerschütterliche Unterstützung“ für die „territoriale Integrität“ der Ukraine zugesichert und Russland mit neuen Sanktionen gedroht, falls es eine Waffenruhe für die Ukraine nicht unterstützen sollte. Zudem fordern die G7-Staaten demnach „glaubwürdige Sicherheitsmaßnahmen“, um die Ukraine vor jeglicher neuen „Aggression“ zu schützen.

Putin: Viele offene Fragen

Für Putin gebe es noch viele Fragen, die er nun mit Trump diskutieren wolle, bevor es zu einem Abkommen kommen kann. Er zählte diese am Donnerstag auf: Sollen die eingekesselten ukrainischen Soldaten freigelassen werden? Wird die ukrainische Führung ihren Streitkräften befehlen, ihre Waffen niederzulegen und sich zu ergeben? Das alles sei nicht klar, sagte Putin und setzte seine Frageliste fort.

Was genau soll entlang der gesamten Frontlinie von fast 2.000 Kilometern passieren? Wer wird hier den Befehl geben, die Kampfhandlungen einzustellen? Und was ist der Preis für diese Befehle? Wie kann sichergestellt werden, dass ein Waffenstillstand über 2.000 Kilometer hinweg tatsächlich eingehalten wird?

Ein entscheidender Punkt dabei sei noch, wer überwachen könne, was die Parteien in den 30 Tagen tun? Dies alles sollte noch geklärt werden, damit die Ukraine den Waffenstillstand nicht lediglich für ihre Aufrüstung nutze, so Putin weiter.

Bereits seit September 2014 haben Kiew und Moskau mehrfach Waffenstillstände vereinbart – doch alle scheiterten. Beide Seiten warfen sich gegenseitige Verstöße vor.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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