Putin: „Kein Beteiligter wird gerechter Strafe entgehen“ – mutmaßlicher Terrorist: Anonymer Mordauftrag über Telegram

Mittlerweile ist die Zahl der Toten nach dem terroristischen Anschlag in Russland auf deutlich über 140 gestiegen. Präsident Putin hat angekündigt, alle Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Unterdessen weist die Ukraine jegliche Verwicklung in den Terrorakt zurück.
Blumen liegen am Zaun der Russischen Botschaft in Berlin: Bei einem Anschlag auf das Veranstaltungszentrum Crocus City Hall ist die Zahl der Toten nach Angaben der Ermittler weiter gestiegen.
Blumen liegen am Zaun der Russischen Botschaft in Berlin: Bei einem Anschlag auf das Veranstaltungszentrum Crocus City Hall ist die Zahl der Toten nach Angaben der Ermittler weiter gestiegen.Foto: Ilja Roschkow/Russische Botschaft Berlin/dpa
Von 24. März 2024

Die Zahl der Opfer des Terroraktes vom Freitagabend, 22. März, ist mittlerweile offiziellen Angaben zufolge auf mindestens 143 angestiegen, darunter drei Kinder. Weitere 120 seien nach derzeitigem Stand mit Verletzungen oder Vergiftungserscheinungen in Krankenhäuser eingeliefert worden.

Unterdessen hat Russlands Präsident Wladimir Putin den „blutigen und barbarischen Angriff“ auf die Crocus City Hall verurteilt. Er kündigte an, es werde „kein Beteiligter seiner gerechten Strafe entgehen“. In einer Videoansprache rief er den Sonntag, 24. März, zum nationalen Trauertag für die Opfer des Massakers aus.

Putin kündigt „zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Saboteuren“ an

Bisherigen Erkenntnissen zufolge legten die Angreifer in dem mit 6.200 Besuchern voll besetzten Konzerthaus an verschiedenen Stellen Feuer. Anschließend begannen die Attentäter Zeitzeugen zufolge von mehreren Seiten mit Sturmgewehren in die Menge zu schießen. Panik sei entstanden, einigen Besuchern gelang die Flucht durch den Hintereingang hinter der Bühne. Andere seien jedoch gefangen gewesen ohne Aussicht auf Fluchtwege.

Präsident Putin dankte Ersthelfern, Einsatzkräften und allen einfachen Bürgern, die den Opfern des Anschlags beigestanden hatten. Es bildeten sich Medienberichten zufolge am Tag nach dem Terrorakt lange Schlangen von Menschen, die den Verletzten durch Blutspenden helfen wollten.

In Moskau und im Umfeld der Hauptstadt habe man „zusätzliche Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung und zur Bekämpfung von Saboteuren eingeführt“. Man werde nicht nur alle Täter, sondern auch all jene identifizieren und bestrafen, „die hinter den Terroristen stehen, die diese Gräueltat, diesen Angriff auf Russland, auf unser Volk vorbereitet haben“.

Argwohn über mögliche Mitwisserschaft der Ukraine bezüglich des Anschlags

Bislang sei es gelungen, elf Personen festzunehmen, die als Beteiligte gelten, darunter vier unmittelbar Ausführende. Diese seien auf einer Fernstraße gestellt worden, die in Richtung Kiew verläuft. Es wird gegenwärtig davon ausgegangen, dass die Verdächtigen im Fahrzeug, bei denen es sich um tadschikische Staatsangehörige handelte, sich in die Ukraine absetzen wollten.

Putin sprach davon, dass auf ukrainischer Seite eine Möglichkeit zum Grenzübertritt bestanden haben soll. Auf deren Seite sollen zudem Kontakte vorhanden gewesen sein. Auch staatliche russische Medien schließen eine ukrainische Beteiligung nicht aus. Sie verwiesen auf Fälle, in denen frühere Kämpfer aus dschihadistischen Organisationen den Rückzugsort Idlib verlassen und sich auf den Weg in andere Länder gemacht hätten.

Einige sollen Kontakt zu sogenannten Freiwilligenbataillonen in der Ukraine gesucht haben. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa, beschuldigte die Führung in Kiew der systematischen terroristischen Aktivitäten gegen Russen. Die Ukraine habe in den zurückliegenden Jahren „aktiv und systematisch terroristische Aktivitäten gegen russische Bürger unternommen“, erklärte sie gegenüber der Presse.

Auch mehrere Duma-Abgeordnete und der Präsident der separatistischen „Volksrepublik Donezk“ (DVR), Denis Puschilin, beschuldigten die Ukraine, in die Planung involviert zu sein. US-Kommunikationschef John Kirby und ein Sprecher der ukrainischen Regierung wiesen diese Darstellung zurück.

Anteilnahme aus dem Westen und von den Taliban

Aus einer Vielzahl an Ländern kamen unterdessen Kondolenzadressen an die Betroffenen und auch führende westliche Politiker verurteilten den Terrorakt. US-Außenminister Antony Blinken sprach von einem „abscheulichen Verbrechen“ und bekundete seine „Solidarität mit dem russischen Volk, das den Verlust von Menschenleben durch dieses schreckliche Ereignis betrauert“.

Auch EU-Kommissionssprecher Peter Stano verurteilte „jegliche Angriffe auf Zivilisten“. Anteilnahme bekundeten auch Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock. Verurteilungen des Terrorismus und Kondolenzadressen kamen auch aus der NATO, Frankreich und Großbritannien.

Die in Afghanistan herrschenden Taliban verurteilten ebenfalls den Anschlag und forderten eine „koordinierte, klare und entschlossene Haltung“ der Länder der Region gegen den Terror. In einem Abkommen mit den USA hatten sich die Machthaber in Kabul verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass von Afghanistan keine Terrorgefahr mehr ausgehe.

Thinktank-Forscher: Anschlag hat sich über vergangene Jahre angedeutet

Der IS Khorasan (ISIS-K) hatte bereits in Afghanistan und im Iran durch brutale Terrorattacken für Aufsehen gesorgt. Die Organisation hatte sich auf Telegram zu dem Anschlag bekannt. Inwieweit das Schreiben authentisch ist, wird zurzeit noch untersucht.

Gegenüber der „New York Times“ erklärte der in New York ansässige Konterterrorismusexperte Colin Clarke vom Soufan Center, die Gruppe habe sich „bereits in den vergangenen beiden Jahren auf Russland fixiert“. Man nehme Russland nach wie vor die Interventionen in Afghanistan, Tschetschenien und Syrien übel. ISIS-K strebt ein Kalifat an, das sich über die Länder Afghanistan, Pakistan, Turkmenistan, Tadschikistan, Usbekistan und Iran erstreckt.

Die USA betonen derweil, Russland im Vorfeld vor der drohenden Terrorgefahr gewarnt zu haben. Im Kreml hatte man diese jedoch als nicht authentisch und als Versuch der Einschüchterung qualifiziert. Auch am Samstag erklärte Präsident Putin, die Hinweise seien in keiner Weise hinreichend konkret gewesen.

Anonymer Auftraggeber auf Telegram

Unterdessen haben die ersten verhafteten Tatverdächtigen vor Kameras Angaben zum Anschlag gemacht. Die vier Verdächtigen seien am 4. März über die Türkei nach Russland eingereist. Einer der Verdächtigen erklärte, über den Messengerdienst Telegram von einem anonymen Helfer eines Imams, dessen Predigten er verfolgt habe, 500.000 Rubel (etwa 5.000 Euro) für den Anschlag bekommen zu haben. Er habe im Vorfeld die Hälfte davon bekommen.

Ein weiterer Festgenommener gab an, in einem Hostel nahe Moskau gelebt zu haben. Ein Freund namens Abdullah habe den Fluchtwagen besorgt. Dieser habe angeblich als Taxifahrer arbeiten wollen. Auch der zweite Verdächtige habe Kontakt zu anonymen Auftraggebern über Telegram gehalten.

Der Messenger gilt wegen der ihm immanenten Tendenz zur Filterblasenbildung in großen Gruppen Gleichgesinnter als Schlüsselfaktor bei der Radikalisierung dafür anfälliger Personen. Dies könnte die Bereitschaft erklären, einen Auftrag dieser Art für eine derart bescheidene Geldsumme bei einem anonymen Gesprächspartner angenommen zu haben.



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