Proteste in Rumänien: Tausende fordern Wiederaufnahme der Präsidentenwahl
Eine fünfstellige Anzahl an Bürgern hat sich am Samstag, 11.1., in Bukarest versammelt, um gegen die Annullierung der Präsidentschaftswahlen in Rumänien zu protestieren. Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die rechte Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR). Die Angaben bezüglich der Teilnehmerzahl schwankten zwischen 10.000 und mehr als 100.000 Personen.
Letztgenannte Zahl nannte der Vorsitzende der Partei, George Simion. Er erklärte, die „Stimme von über 100.000 Rumänen muss gehört werden“. Neben der Fortsetzung der Abstimmung mit dem zweiten Wahlgang forderten die Demonstranten auch den Rücktritt des scheidenden Präsidenten Klaus Johannis. Die Proteste verliefen weitgehend friedlich. Gegen Ende der Kundgebung wurde Berichten zufolge jedoch ein Wagen des TV-Senders B1 beschädigt. Auch Journalisten sollen verprügelt worden sein.
Video: Teilnehmer der von der AUR organisierten Kundgebung skandieren im Bukarester Stadtteil Cotroceni am 11.1.2025. Quelle: Epoch Times Romänia
AUR kündigt weitere Proteste in ganz Rumänien an
Der stellvertretende Vorsitzende der AUR, Marius Lulea, kündigte am Montag auf einer Pressekonferenz noch weitere Proteste an. Die Partei werde von nun an wöchentlich mit unterschiedlichen Formen des Protests auf die „Missbräuche“ der derzeitigen Regierung reagieren. Neben zentralen Großkundgebungen könnten dazu auch Demonstrationen und Flashmobs in den Provinzen gehören.
Die AUR werde für die Aktionen „nur die notwendige Struktur und die notwendigen Genehmigungen“ zur Verfügung stellen. Lulea erklärte, man sei zuversichtlich, dass man in der Lage sein werde, „die derzeitige Regierung durch eine AUR-Regierung zu ersetzen“.
Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen hatte am 24. November stattgefunden. Dabei war der unabhängige rechte Kandidat Călin Georgescu mit 22,94 Prozent als Sieger hervorgegangen. Er wäre mit einem knappen Vorsprung auf die liberale Kandidatin Elena Lasconi in die Entscheidungsrunde gegangen. Diese landete mit 19,18 Prozent hauchdünn vor dem Sozialdemokraten Marcel Ciolacu.
Die Parlamentswahlen vom 1. Dezember bleiben bislang unbeanstandet. „Ergebnis ist ein Parlament voll mittelgroßer und kleiner Parteien, die sich nur sehr schwer in eine halbwegs stabile Regierungskoalition binden lassen werden“, schreibt Katja Christina Plate, die Leiterin der Konrad Adenauer Stiftung in Bukarest.
Nach den Parlamentswahlen hatte Johannis den Vorsitzenden der sozialdemokratischen PSD, Marcel Ciolacu, mit der Bildung einer „pro-europäischen“ Regierungskoalition beauftragt. Ciolacu hatte eine Woche zuvor nur den dritten Platz in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen belegt und damit die Stichwahl verfehlt.
Wahlsieg von Georgescu durch obskure TikTok-Accounts ermöglicht?
Am 6. Dezember, zwei Tage vor der Stichwahl und als bereits 33.000 Stimmen aus der Diaspora abgegeben wurden, hatte das Verfassungsgericht in Bukarest die Präsidentenwahl annulliert. Die Richter stützten ihre Entscheidung auf ihre verfassungsmäßige Befugnis, die „Fairness und Rechtmäßigkeit des Wahlprozesses zu gewährleisten“.
Als Begründung wurde auf ein am 4.12. veröffentlichtes Geheimdienstdokument verwiesen. Diesem zufolge hatte es im Vorfeld der ersten Runde mutmaßlich von der Russischen Föderation initiierte Kampagnen auf der chinesischen Videoplattform TikTok gegeben. Dafür seien hohe Geldsummen aus undurchsichtigen Quellen geflossen. „Manipulierte Influencer“ haben demnach über mehrere hundert Kanäle massive Werbung für den unabhängigen rechten Kandidaten Călin Georgescu betrieben. Die meisten davon seien schon Jahre zuvor angelegt worden und wären inaktiv gewesen.
Georgescu, ein Hochschullehrer und früherer „Club of Rome”-Funktionär lag nach dem ersten Wahlgang mit 22,94 Prozent der Stimmen voran. Er hatte sich im Wahlkampf gegen weitere Waffenhilfen an die Ukraine ausgesprochen. In der Stichwahl hätte er gegen die Zweitplatzierte, die Liberale Elena Lasconi, antreten müssen. Diese lag mit 19,18 Prozent nicht weit hinter Georgescu. Der Sozialdemokrat der PSD, Marcel Ciolacu (19,15 Prozent) und der Vorsitzender der AUR, George Simion (13,86) verfehlten die zweite Runde, ebenso wie Nicolae Ciucă von der Johannis-Partei PNL, der nur 8,79 Prozent erhielt.
Erstplatzierter Kandidat: „Künftig lässt sich jedes freie Land in eine Diktatur umwandeln“
Georgescu, der vor allem unter Auslandsrumänen überdurchschnittlich hohe Ergebnisse erzielte, nahm am Aufmarsch der AUR nicht teil. Er äußerte auf X jedoch seine Genugtuung über die hohe Beteiligung an der Demonstration.
Die Rumänen erlaubten es „einer politischen Justiz und korrupten Politikern nicht, einen inneren Präzedenzfall oder – noch gefährlicher – einen internationalen zu schaffen“. Dies könnte sonst „früher oder später die gesamte freie Welt in eine Diktatur umwandeln“. Georgescu äußerte, die zweite Runde sei gecancelt worden, weil „kein Kandidat des korrupten und Soros-hörigen Systems mehr eine Chance auf einen Wahlsieg hatte“.
Der indirekt angesprochene US-Milliardär und Philanthrop George Soros hatte unmittelbar nach dem Ende der Ceaucescu-Herrschaft in Rumänien Fuß gefasst. Er half beim Aufbau von NGOs über sein „Open Society“-Netzwerk und finanzierte Einrichtungen zur politischen Bildung. Teilweise arbeitete er dabei mit der staatlichen US-Auslandshilfsorganisation USAID zusammen. Seit Ende der 2000er hat er jedoch sein Engagement zurückgefahren.
Hat die PSD ihre institutionelle Macht in Rumänien ausgespielt?
Die PSD spielte nach dem Zusammenbruch des Kommunismus eine bedeutende Rolle in Rumänien. Gegründet wurde sie unter anderem von früheren Funktionären der „Nationalen Rettungsfront“, die 1989 aus den Reihen der Kommunistischen Partei heraus den früheren Machthaber abgesetzt hatte. Einer davon war der langjährige Präsident Ion Iliescu. Dies könnte der Partei auch geholfen haben, nach dem Ende der Diktatur innerhalb der Institutionen Einfluss zu gewinnen.
Georgescu warnte, dass das, was der Verfassungsgerichtshof in Rumänien getan hat, künftig auch jeder Verfassungsgerichtshof eines anderen Landes machen könne, das sich „noch für frei hält“. Die einzige Chance der „Korrupten“ sei, die Bürger um Verzeihung zu bitten, verbunden mit der Wiederaufnahme des zweiten Durchgangs der Präsidentenwahlen.
Die vorgesehene Gegenkandidatin Georgescus, Elena Lasconi, erklärte zwar, ihre Partei USR werde keine Proteste organisieren, um „die Spannungen in der rumänischen Gesellschaft nicht zu verschärfen“. Sie kritisierte aber, dass es immer noch keine Antworten auf offene Fragen rund um die Annullierung gebe. Zudem sei nicht absehbar, wie in Bezug auf die Verschiebung der Wahlen weiter verfahren werde. Gegenüber „Digi24“ äußerte sie mit Blick auf die Staatsführung:
Ich kann mir das wirklich nicht erklären. Entweder verstehen sie es nicht, oder es ist ein viel besserer Plan, als wir im Moment denken. Auf diese Weise gewinnt jedenfalls niemand, außer den Isolationisten.“
Ehemaliger Ministerpräsident warnt vor Dämonisierung des Protests
Kritik kommt auch vom früheren Ministerpräsidenten Victor Ponta. Der nach internen Querelen aus der PSD ausgeschlossene Politiker, der mittlerweile eine eigene Partei gegründet hat, forderte Gesprächsbereitschaft mit den Demonstranten. Es sei wichtig, auf die Stimmen der Bürger im Land zu hören, „egal, ob es sich um einen, hundert, tausend handelt“.
Mit Blick auf die Demonstranten, die in Medien und regierungsnahen Kreisen teilweise massiven Anfeindungen ausgesetzt sind, äußerte Ponta:
„Diejenigen, die heute gegen Johannis demonstrieren, sind dieselben, die 2014 gegen mich protestiert haben. Dann waren sie die Guten und jetzt sind sie es nicht mehr?“
Die politisch Verantwortlichen müssten die Unzufriedenheit der Bürger ernst nehmen und sich um diese kümmern. Premierminister Marcel Ciolacu forderte die Rumänen unterdessen auf, die Entscheidung des Verfassungsgerichts zu respektieren.
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