Gegen X-Sperrung: Proteste in Brasilien dauern an

In Brasilien eskalieren die Proteste gegen die Sperrung der Plattform X (ehemals Twitter). Anhänger des Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro fordern Meinungsfreiheit, die Amtsenthebung von Richter de Moraes und die Freilassung von Bolsonaro-Unterstützern. Zahlreiche Posts in den Sozialen Medien zeigen die Größe der Massenproteste in Brasilien, über die hierzulande kaum berichtet werden. Das südamerikanische Land ist nicht das einzige, in dem X derzeit gesperrt ist.
Der Präsident von Brasilien: Luiz Inácio Lula da Silva.
Der aktuelle Präsident von Brasilien: Luiz Inácio Lula da Silva.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 12. September 2024

In den vergangenen Tagen fanden in Brasilien massive Proteste statt, die von Anhängern des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro angeführt wurden. Diese Demonstrationen wurden vor allem durch die landesweite Sperrung der Plattform X (ehemals Twitter) ausgelöst, die vom Obersten Gerichtshof Brasiliens am 30. August 2024 angeordnet wurde.

Der verantwortliche Richter, Alexandre de Moraes, warf der Plattform vor, nicht genügend Maßnahmen gegen die Verbreitung von Hassreden und Desinformationen ergriffen zu haben. X, Eigentum von Elon Musk, weigerte sich, den Anweisungen des Gerichts unter Richter Moraes vollständig nachzukommen, was letztlich zur Sperrung der gesamten Plattform in Brasilien führte. Diese Weigerung von „X“ umfasste sowohl das Sperren bestimmter Konten als auch die Benennung eines gesetzlichen Vertreters in Brasilien.

Denn zuvor war Musk der Aufforderung des Richters de Moraes nicht nachgekommen, einen „X“-Rechtsvertreter in dem südamerikanischen Land zu benennen. X hatte sein Team Mitte August aus Brasilien abgezogen, nachdem de Moraes mit Verhaftung gedroht hatte. Das Büro in Brasilien wurde mit der Begründung geschlossen, dass eine Festnahme der damaligen Repräsentantin befürchtet werde. Musk sollte innerhalb von 24 Stunden ein Rechtsvertreter ernennen, oder die Plattform wird gesperrt – der „X“-Tech-Milliardär ließ die Frist verstreichen.

X-Sperrung in Brasilien: Angriff auf Meinungsfreiheit?

Moraes hatte dann vor einer Woche die Sperrung von X angeordnet. Musk und seine Unterstützer, darunter Bolsonaro, kritisierten die Entscheidung scharf und bezeichneten sie als Zensur und Angriff auf die Meinungsfreiheit.

X und Elon Musk sind längst Teil des Konflikts zwischen Anhängern und Gegnern von Ex-Präsident Bolsonaro geworden: Am 8. Januar 2023 hatten Anhänger des abgewählten Präsidenten Bolsonaro den brasilianischen Kongress gestürmt, um gegen die knappen Wahlergebnisse zu protestieren. Das Credo: Die Wahl, bei der Lula zuvor mit knapp 50,9 Prozent als Sieger hervorgegangen war, sei gestohlen worden. Im Anschluss wurden Tausende für ihr Mitwirken wegen Putschversuchs ins Gefängnis gesteckt, federführend auch hier Richter de Moraes. Unter den Verhafteten waren auch Inhaber von „X“-Accounts, deren Schließung de Moraes unlängst von Elon Musk forderte.

7. September: Massive Proteste in São Paolo

Die Proteste, die am brasilianischen Unabhängigkeitstag am 7. September in São Paulo ihren Höhepunkt fanden, richteten sich nicht nur gegen die Sperrung von X, sondern forderten auch die Amtsenthebung von Richter de Moraes und eine Amnestie dieser Gefangenen.

In einem Instagram-Post rief der ehemalige Präsident Jair Bolsonaro auf: „Es hat keinen Sinn, unsere Unabhängigkeit zu feiern, wenn wir der Freiheit beraubt werden.“ Bolsonaro forderte die Brasilianer auf, den offiziellen Paraden zum Unabhängigkeitstag fernzubleiben und sich ihm stattdessen in São Paulo anzuschließen.

Bolsonaro nannte den Richter von einer Bühne in São Paulo aus einen Diktator. Dazu forderte er eine Amnestie für die, wie er sie nannte, politischen Gefangenen vom 8. Januar.  Bolsonaro in São Paulo: „Die Wahrheit ist doch: Es geht ihnen gar nicht um die Kontrolle und Zensur von Desinformation, Hassreden und Fake News. Sie wollen die Wahrheit zensieren, sie wollen nicht, dass das Volk die Wahrheit kennt.“

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Jair Bolsonaro darf bis 2030 nicht mehr in ein öffentliches Amt gewählt werden. Brasiliens oberstes Wahlgericht hat den Ex-Präsidenten des Amtsmissbrauchs für schuldig befunden. Durch das Urteil wird Bolsonaro von den Kommunalwahlen 2024 und 2028 sowie von der Parlamentswahl 2026 ausgeschlossen.

Die aktuellen Demonstrationen werden vielfach als Test für Bolsonaros Fähigkeit betrachtet, seine Anhänger zu mobilisieren. Wie viele er jetzt in São Paulo aktivieren konnte, ist bislang unklar. In den sozialen Medien veröffentlichen Bilder und Filme des Massenprotests können Anhaltspunkte dafür geben.

Berichterstattung in Deutschland: Ohne Bilder, unklare Teilnehmerzahl

In deutschen Medien ist von „Tausenden“ Teilnehmern zu lesen, teilweise wird auf eine Größenordnung ganz verzichtet. Vielfach auf Twitter und in anderen Sozialen Medien geteilte Bilder und Livestreams zeigen ein Menschenmeer in Brasiliens Nationalfarben Gelb und Grün.

„Die Avenida Paulista – ein Monstrum von einer Straße – war voll in alle Himmelrichtungen, bis in alle Seitenstraßen. Das Thema Meinungsfreiheit ist viel größer als der ,Bolsonarismus‘ – es geht ALLE Brasilianer etwas an.“ Schreibt die freie Journalistin Aya Velázquez in einem X-Post, in dem auch ein Schwenk über die Massen gezeigt wird. Zur Präsenz der Mega-Demo hierzulande kritisiert Velázquez: „Übrigens: Die Berichterstattung deutscher Medien zur gestrigen Großdemo in São Paulo war natürlich wie immer ein Witz. Erwartbares Framing als ,Bolsonaro-Demo‘, ohne die Bilder der Massen zu zeigen, die dort demonstriert haben.“

Auch andere X-User, wie El Haghino kritisiert die Aufarbeitung in den deutschen Medien, teilt Bilder der Massenproteste mit den Worten: „Na, auch nichts von den Protesten in Brasilien für ,Free Speech‘ in der Tagesschau gesehen?“

Quelle: https://x.com/El_Haginho/status/1832508697706144141

Lula in Brasilia: Mit Militär, Moraes und ohne Publikum?

Auch Brasiliens linker Präsident Lula da Silva hat Position bezogen. Am Unabhängigkeitstag trat er in der Hauptstadt Brasilia Schulter an Schulter mit Richter de Moraes auf. „Wir tolerieren keine Person, egal wie reich, die unsere Legislative angreift. Unsere Unabhängigkeit steht nicht zum Verkauf“, sagte er. Bilder der Militärparade, die er veranstaltete, gehen durchs Netz und zeigen eine Militärparade mit Marschmusik auf nahezu menschenleeren Strassen:

Twitter-User @BTom1974 teilt den kurzen Streifen und kommentiert dazu:
#Brasilien Präsident Lula lässt zum Unabhängigkeitstag eine Parade veranstalten. Und was passiert? Keiner geht hin! Die Menschen wollen keine Zensur und Fake-Freiheit. Sie wollen echte Freiheit!“

Quelle: https://x.com/BTom1974/status/1832759377960239556

Dritte Amtszeit von „Lula“ da Silva

Im November 2022 hatte Luiz Inácio „Lula“ da Silva die Wahlen gegen Jair Bolsonaro knapp gewonnen. Anschließend begann er seine dritte Amtszeit. Das Comeback des linksgerichteten Präsidenten, der als notorisch korrupt gilt, gehe für Brasilianer nicht mit rechten Dingen zu, so seinerzeit Rechtswissenschaftler Augusto Zimmermann, Professor und Direktor der juristischen Fakultät des Sheridan Institute of Higher Education in Perth (Australien), gegenüber Epoch Times.

Die massiven Proteste im Januar 2023 von Hunderttausenden in den Straßen São Paulos seien zudem von der Presse und den sozialen Medien mit Absicht übersehen und massiv zensiert worden. Denn die Demonstranten befürchteten, dass der „brasilianische Präsident Lula da Silva ein autoritäres Regime errichten könnte, das auf einem radikalen Sozialismus und der Unterdrückung individueller Rechte beruht“.

Lula wurde wegen Korruption und Geldwäsche zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt und saß letztlich nur eineinhalb Jahre im Gefängnis ein. Bei den Prozessen ging es um die Verwicklungen des Präsidenten im Korruptionsskandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobras. Lula war vorgeworfen worden, von dem in den Petrobras-Skandal verwickelten Baukonzern OAS begünstigt worden zu sein, unter anderem durch die Schenkung einer Luxuswohnung in der Küstenstadt Guarujá.

Ein Richter des Obersten Gerichtshofs kippte Jahr 2021 alle diese Verurteilungen – indem er erklärte, dass der ehemalige Präsident nicht in der Stadt Curitiba, sondern in Brasilia hätte vor Gericht gestellt werden sollen. Lula wird frei, inklusive Wiederherstellung seiner politischen Rechte. Er konnte wieder bei den Wahlen antreten und ist aktuell der Präsident von Brasilien.

In internationaler Gesellschaft: „X“ nicht nur in Brasilien abgeschaltet

Brasilien unter Präsident Lula ist nicht das einzige Land, in dem Elon Musks „X“ derzeit gesperrt ist, so das Datenportal Statista. Der Mikroblogging-Dienst ist derzeit auch in Eritrea, China, Nordkorea, Iran, Myanmar, Pakistan, Turkmenistan und Russland abgeschaltet. In 30 weiteren Ländern war die Plattform seit 2015 mindestens einmal gesperrt.



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