Türkei: Proteste gegen Gesetzesvorhaben – Legalisiert geplantes Sexualstrafgesetz Vergewaltigung?
In der Türkei wachsen die Proteste gegen ein Gesetzesvorhaben der Regierungspartei AKP, das Kritikern zufolge in bestimmten Fällen zu Straffreiheit bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen führen könnte.
Rund 1000 Menschen demonstrierten am Samstagabend in Istanbul gegen die Pläne, wie die Zeitung „Cumhuriyet“ berichtete. Die Demonstranten trugen Plakate mit Aufschriften wie „Vergewaltigung kann nicht legitimiert werden“. Dem Gesetzesvorhaben zufolge könnten Sexualstraftäter einer Strafe entgehen, wenn sie ihr minderjähriges Opfer heiraten.
Justizminister Bekir Bozdag betonte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, weder werde es eine Amnestie für Vergewaltiger geben noch würden deren Strafen gemindert. Der Gesetzesentwurf der islamisch-konservativen AKP hat einen Sturm der Entrüstung über Parteigrenzen hinweg ausgelöst. Eine Online-Petition dagegen sammelte mehr als 730 000 Unterschriften.
Nach übereinstimmenden Medienberichten sieht der Entwurf vor, dass die Vollstreckung der Strafe verschoben werden kann, wenn der Täter sein Opfer heiratet und der sexuelle Missbrauch vor dem 16. November dieses Jahres stattgefunden hat. Dabei dürfe es bei dem sexuellen Missbrauch nicht zu „Gewalt“ oder „Drohungen“ gekommen oder gegen den Willen des Kindes gehandelt worden sein.
Frauenrechtler kritisierten, der Entwurf sei in sich widersprüchlich und bedeute praktisch eine Amnestie für Straftäter. Normalerweise seien in der Türkei Eheschließungen unter 18 Jahren verboten. Das türkische Strafgesetzbuch sieht derzeit noch eine Strafe von mindestens drei Jahren Haft für den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen vor, die unter 15 Jahre alt sind oder die die Folgen ihres Handelns nicht verstehen können.
Ein Gericht hatte bereits vor einiger Zeit bemängelt, dass die Strafe auch verpflichtend ist, wenn zwei Minderjährige im gegenseitigen Einverständnis Sex miteinander haben. Es hatte daraufhin das Verfassungsgericht angerufen, das Gesetzgeber aufforderte, den entsprechenden Paragrafen 103 neu zu regeln. Bis zu der Neuregelung gilt der Paragraf 103 weiterhin.
Bozdag sagte, wegen der derzeitigen Gesetzeslage säßen rund 3000 Männer im Gefängnis. Ministerpräsident und AKP-Chef Binali Yildirim warf der Opposition vor, mit dem Streit „schmutzige Politik zu betreiben“. Am Dienstag soll über das Gesetz im Parlament abgestimmt werden. Yildirim hatte die AKP-Abgeordneten am Freitag dazu aufgerufen, mit der Opposition über das Gesetz zu beraten. (dpa)
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