Protest gegen Rentenreform in Frankreich spitzt sich zu: Über eine Million Demonstranten
In Frankreich haben sich die Streiks und Proteste gegen die Rentenreform zugespitzt. Gegner der Reform blockierten am Donnerstag einzelne Bahnhöfe, Straßen und auch einen Teil des Pariser Flughafens Charles-de-Gaulle, wie Medien berichteten.
Die Stimmung bei Protesten in Nantes und Rennes war demnach aufgeheizt. Im südfranzösischen Bordeaux wurde ein Feuer am Eingangsbereich des Rathauses entfacht. Beschädigt wurde das Portal eines Säulengangs, das zum Vorhof des Rathauses führe, sagte eine Sprecherin der zuständigen Präfektur der „Deutschen Presse-Agentur“. Ein Mann sei festgenommen worden. Auch in Paris setzte die Polizei bereits am Nachmittag Tränengas ein. Innenminister Gérald Darmanin schrieb am Abend von mehr als 120 verletzten Einsatzkräften und mehr als 80 Festnahmen.
12.000 Polizisten im Einsatz
Die Proteste richten sich gegen die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre und das Vorgehen der Mitte-Regierung unter Präsident Emmanuel Macron. 12.000 Polizisten und Gendarmen waren im Einsatz. Die Behörden sprachen von landesweit knapp 1,09 Millionen Demonstranten. Laut der Gewerkschaft CGT beteiligten sich 3,5 Millionen Menschen. Für Dienstag haben die Gewerkschaften zu neuen landesweiten Streiks und Protesten aufgerufen. Der britische König Charles III. soll dann zu Besuch in Frankreich sein.
Die Streik- und Protesttage waren wochenlang überwiegend friedlich verlaufen. In den vergangenen Tagen kam es bei spontanen Demonstrationen immer öfter zu Gewalt. „Wir wollen nicht-gewaltvolle Aktionen, die Güter und Menschen respektieren“, forderte Laurent Berger von der Gewerkschaft CFDT.
Die Regierung will mit der Reform eine drohende Lücke in der Rentenkasse schließen. Vor einer Woche verschärfte sich der Streit, weil sie den Text ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung drückte. Am Montagabend scheiterten zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung. Die Reform ist damit verabschiedet. Sie liegt zur Prüfung beim Verfassungsrat. Wann dieser entscheidet, ist noch unklar. Macron will, dass die Reform bis zum Jahresende in Kraft tritt.
„Denken Sie, es macht mir Spaß?“
Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag – dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1.200 Euro hochsetzen.
Macron hatte die umstrittene Reform noch am Vortag in einem Fernsehinterview verteidigt. Die Reform sei sehr schwierig. „Wir verlangen von den Menschen eine Anstrengung. Das ist nie beliebt.“ Er fragte: „Denken Sie, es macht mir Spaß, diese Reform zu machen?“ und antwortete: „Nein“. Aber: „Zwischen den Umfragen und der Kurzfristigkeit und dem allgemeinen Interesse des Landes entscheide ich mich für das allgemeine Interesse des Landes.“
Für seinen Auftritt erntete Macron harsche Kritik von der Opposition und den Gewerkschaften. Der Streit um die Reform hat die Regierung und Macron geschwächt. Eines der Misstrauensvoten überlebte die Regierung nur knapp. Ihr Durchgreifen wurde als Zeichen der Schwäche gewertet.
Deutsche Linke-Politiker reisen nach Paris
Durch die Streiks fielen am Donnerstag erneut Züge und Flüge aus. Gymnasien und Universitäten waren teils versperrt. Wegen der fortlaufenden Blockade von Öldepots fehlte laut Sender „BFMTV“ an 15 Prozent der Tankstellen in Frankreich mindestens ein Kraftstoff.
Unterstützung für den Protest kam auch aus Deutschland. Die Linke-Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler beteiligten sich an der Demonstration in Paris. „Jede Anhebung des Rentenalters geht zu Lasten derer, die schwer arbeiten“, sagte Schirdewan. „Das ist in Frankreich genauso wie in Deutschland.“ Wissler sagte: „Der soziale Kahlschlag macht eben nicht vor der Grenze halt, deshalb ist Widerstand nötig.“ Dies gelte im Parlament und auf der Straße. (dpa)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion