Polnischer EU-Abgeordneter Legutko: „Merkel hat Deutschland mit ihrer Politik als Führungsmacht disqualifiziert“
Am Montag hat auch Polens Regierung ihr endgültiges „Nein“ zum sogenannten UN-Migrationspakt erklärt, der am 11. und 12. Dezember im marokkanischen Marrakesch feierlich unterzeichnet werden soll. Damit hat nach den USA, Ungarn, Österreich, Tschechien, Bulgarien, Australien und Israel ein weiteres Land erklärt, den Pakt nicht unterzeichnen zu wollen. Weitere Länder könnten noch folgen.
Noch bevor die Regierung in Warschau ihre Entscheidung offiziell verkündet hatte, hat der bekannte polnische Philosoph, Autor und EU-Parlamentsabgeordnete Prof. Ryszard Legutko (ECR; PiS) in einem Interview mit dem Portal „Wpolityce.pl“ scharfe Kritik an der Politik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise geübt.
Angesprochen auf die Aussage des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, es schwäche die EU, würden auch nur eines oder zwei Mitgliedstaaten den UN-Pakt nicht unterzeichnen, erklärte Legutko, es sei mit noch deutlich mehr Rückzügen zu rechnen:
„Ja, es wird sogar noch mehr Rückzüge aus dem Pakt geben. Man bekommt dasselbe Argument immer und immer wieder zu hören, von wegen ‚wir müssen hier gemeinsam handeln und einander unterstützen‘. Aber das geschieht, nachdem man vollendete Tatsachen geschaffen hat, und das ist eine Heuchelei. Als es um die Einwanderungsthemen ging, die Öffnung der Grenzen, hat uns keiner vorher gefragt. Keiner hat damals von einer Schwächung der europäischen Einheit gesprochen, als eine unilaterale Entscheidung erfolgte, die Grenzen zu öffnen, oder als man allen ein dummes System erzwungener Umsiedlung aufdrücken wollte.“
„Merkel will nicht zugeben, einen katastrophalen Fehler gemacht zu haben“
Interviewer Piotr Czartoryski-Sziler weist darauf hin, dass Deutschland vehement die Behauptung abstreite, der Migrationspakt sei als ein Instrument gedacht, illegale Einwanderung nachträglich zu legalisieren. Legutko sieht darin eine Schutzbehauptung der deutschen Führung, um nicht einräumen zu müssen, einen folgenschweren Fehler begangen zu haben:
„Ich weiß nicht, warum sie das abstreiten. Es hat sich doch gezeigt, dass die Kanzlerin auf der einen Seite gesagt hat, ihre Entscheidung wäre richtig und unausweichlich gewesen, in ihrer letzten Rede [in der Vorwoche vor dem Europäischen Parlament] hingegen meinte: ‚Wenn wir Fehler gemacht haben, haben wir gelernt, daraus Schlüsse zu ziehen.‘ Das zeigt aber, dass es innerhalb der deutschen Politik eine Diskrepanz gibt: Zuzugeben, dass das alles ein katastrophaler Fehler war, würde Deutschland als Führungsmacht disqualifizieren, die in der Lage wäre, unabhängige Entscheidungen mit Wirkung für die Europäische Union zu treffen.“
Legutko warf Merkel vor, die Interessen der deutschen Regierung konsequent über jene der Gemeinschaft zu stellen. Dies sei ein Muster, das sich stetig wiederholt habe. Ein Beispiel dafür sei die Nord-Stream-2-Pipeline. Bei diesem Projekt, das Polen kritisch betrachtet, weil es eine nicht mehr steuerbare energiepolitische Abhängigkeit von russischem Erdgas schaffe, argumentiere Merkel, man brauche die Pipeline im eigenen Interesse unbedingt, weil man aus der Kohle aussteigen will. Gleichzeitig dränge man Polen darauf, den gleichen Schritt zu setzen. Das Argument laute dabei stets, dies sei Gemeinschaftspolitik.
Deutschland agiert bei Bedarf ohne die EU
„Man sagt uns immer wieder: ‚Aber das ist Gemeinschaftspolitik, da müsst ihr euch anpassen. So ist es nun mal, wenn man zusammen ist, jeder muss seine Zugeständnisse machen.‘ Aber keiner sagt das zu den großen Staaten. Sie müssen sich nicht anpassen; etwa daran, dass der polnische Energiesektor und die polnische Wirtschaft insgesamt von der Kohle abhängt und dies noch für einige Zeit tun wird. Und dass absurde Restriktionen Polen schaden.“
Wenn es hart auf hart käme, würde die deutsche Regierung auch handeln, ohne sich zuvor innerhalb der EU abzustimmen. Das zeige sich auch an eigenständigen Verhandlungen mit Putin oder Erdoğan. Sie würde sich auch nicht von den anderen europäischen Ländern zurückhalten lassen. Deutschland wisse um seine Größe und darum, dass es zwar keine Weltmacht sei, aber seine Rolle deutlich über die innerhalb der EU hinausgehe. Juncker sei kein ernsthafter Partner für Putin, Erdoğan, Trump oder die britische Premierministerin. Die deutsche Kanzlerin sei dies jedoch, und das sei allen in Berlin bewusst.
Die Vision von Europa, die Merkel verkörpere, habe nichts mit jener der Christdemokraten zu tun, die am Beginn der Europäischen Gemeinschaft gestanden hätten, meint Legutko weiter. Merkel sei eine reine Machtpolitikerin – und wenn Machterhalt voraussetze, der Linken ein weiteres Wachstum in den Institutionen zu ermöglichen, sei sie dazu bereit. Ihre Aussagen über eine europäische Armee sei ähnlich wie der Euro, der keine wirtschaftliche oder finanzielle Bedeutung hatte, reine politische Symbolpolitik.
CDU akzeptiert linkes Übergewicht in der EU
„In Merkels generellen Deklarationen war nichts Konkretes“, so Legutko. Stattdessen eine inhaltsleere Rede über Toleranz und Solidarität. Der polnische Abgeordnete meint dazu:
„Ich verstehen nicht, was Toleranz in internationalen Beziehungen bedeutet. Es gibt schreckliche, völlig unberechtigte Angriffe gegen Polen, unter anderem wegen angeblicher Vertragsverletzungen. Wir haben zahlreiche Exzesse des Europäischen Parlaments gesehen, das abseits jedes Vertrages einen Mechanismus zu schaffen beabsichtigt, um rebellische Länder zu jagen und zu belästigen. Das Wort ‚Toleranz‘ ist hier überhaupt nicht angebracht. Außerdem ist die EU stark linkslastig und die CDU akzeptiert das. Diese Kanzlerin ist eine sehr effiziente Politikerin, wenn es um die Mechanismen der Macht geht, aber sie ist keine Politikerin, die eine neue Qualität bringen würde aus der europäischen Tradition oder aus der Christdemokratie heraus, die den Prozess der europäischen Integration eigentlich initiiert hat.“
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