Politisches Erdbeben in Rumänien: Verfassungsgericht stoppt Präsidentschaftswahlen – Kandidat spricht von „Putsch“
Zwei Tage vor der Stichwahl um das Amt des Präsidenten in Rumänien hat der dortige Verfassungsgerichtshof den gesamten bisherigen Wahlprozess annulliert. Die Entscheidung gründete das Gericht auf seine verfassungsmäßige Befugnis, die „Fairness und Rechtmäßigkeit des Wahlprozesses zu gewährleisten“. Die Entscheidung wurde am Freitag, 6.12., verkündet. Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen hatte am 24. November stattgefunden. Die Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag bleiben bislang unbeanstandet.
Sieg von Georgescu: Ein Resultat fremder Interventionen?
Im Zusammenhang mit dem Urteil sind am Samstag sogar drei Häuser in der zentralrumänischen Stadt Brasov durchsucht worden. Es gibt der Staatsanwaltschaft zufolge Ermittlungen wegen des Verdachts von „Wählerbestechung, Geldwäsche und Datenmanipulation“.
Anlass des Vorgehens ist offenbar das Ergebnis des ersten Durchgangs der Präsidentenwahlen. Aus diesem war der unabhängige rechte Kandidat Calin Georgescu mit 22,94 Prozent als Sieger hervorgegangen. Er wäre mit einem knappen Vorsprung auf die liberale Kandidatin Elena Lasconi in die Entscheidungsrunde gegangen. Diese landete mit 19,18 Prozent hauchdünn vor dem Sozialdemokraten Marcel Ciolacu.
Georgescu bezeichnete die Entscheidung des Verfassungsgerichts in einer ersten Reaktion als „Putsch“. Aber auch die Gegenkandidatin übte scharfe Kritik an der damit verbundenen Paternalisierung der rumänischen Wähler. Sie äußerte am Freitag:
„Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist illegal, amoralisch und zerstört die Essenz der Demokratie schlechthin, nämlich die Wahl.“
Präsidentenamt gab klassifiziertes Geheimdienstdokument frei
Demgegenüber meinte der frühere Chef der Nationalliberalen Partei, Crin Antonescu, es sei „genau richtig, [den Wahlprozess] noch einmal von Neuem zu beginnen“. Der Oberste Gerichtshof hatte bereits am Montag eine Neuauszählung der Stimmen angeordnet. Am Ergebnis änderte sich dadurch jedoch nichts Entscheidendes. Deshalb stufte er das amtliche Ergebnis zunächst als korrekt ein.
Am Mittwochabend gab das Präsidialamt unter dem noch regierenden Klaus Johannis ein Geheimdienstdokument frei, das eine angebliche Wahlbeeinflussung durch einen ausländischen Staat belegen soll. Gemeint war offenbar die Russische Föderation. Georgescu hatte im Wahlkampf Kritik an der Konfrontationspolitik der EU und der NATO gegenüber Russland geübt. Zudem hatte er angekündigt, die Hilfe für die Ukraine zu stoppen und stattdessen den Fokus auf „unsere eigenen Belange“ zu legen.
In dem Papier werden „Guerilla-Kampagnen“ auf der von der chinesischen KP kontrollierten Videoplattform TikTok als ausschlaggebend für den Aufstieg Georgescus benannt. Dort hätten „manipulierte“ Influencer aggressive Kampagnen gefahren. Diese hätten von etwa 800 Accounts mit wenigen Followern aus agiert, die bereits 2016 angelegt worden seien und seither kaum Aktivitäten gezeigt hätten.
Mysteriöse Accounts und erhebliche Drittmittel
Insgesamt sollen 25.000 Accounts, die Pro-Georgescu-Content verbreiteten, erst zwei Wochen vor der Wahl entstanden sein. Sie sollen auch in professioneller Weise die Algorithmen des chinesischen Videodienstes genutzt haben.
Neben der intensiven Kampagne auf TikTok, die sich vor allem an junge Menschen richtete, soll es auch mehr als 85.000 Cyberattacken, zudem Leaks und Sabotageakte im Vorfeld der Wahlen gegeben haben. Regierungsstellen des NATO-Mitgliedslandes führen all dies auf eine „hybride Kriegsführung“ Russlands zurück.
Langes Engagement für malthusianischen Eliteverein
Georgescu war erst zu Beginn der 2020er als nationalistischer Politiker in Erscheinung getreten. In den Jahren 2020 und 2021 hatte die „Allianz für die Einheit der Rumänen“ (AUR) ihn als möglichen Premierminister ins Spiel gebracht. Zuvor war Georgescu Universitätsprofessor und arbeitete für die rumänische Regierung und für die UNO im Bereich der „nachhaltigen Entwicklung“.
Über 24 Jahre lang stand Georgescu mit dem „Club of Rome“ in Verbindung. Von 1999 bis 2013 war er unter anderem Generalsekretär der rumänischen Assoziation des elitären Vereins. Dieser war in den 1970er Jahren durch alarmistische Prognosen über eine angeblich drohende „Bevölkerungsexplosion“ oder eine Erschöpfung von Ressourcen wie Öl, Gas, Gold und Silber innerhalb von zwei Jahrzehnten bekannt geworden. Die Katastrophenprognosen bewahrheiteten sich nicht.
Georgescu selbst erklärte, die Vereinigung im März 2021 verlassen zu haben, um „ein freier Mann zu werden“. Auf seinem Lebenslauf minimiert er die Hinweise auf sein Engagement. Sein Wahlprogramm war stark religiös und souveränistisch geprägt. Er kritisierte neben der Kriegspolitik auch die Gender-Ideologie, die Corona-Maßnahmen und die Bedeutung der LGBTQ*-Lobby. Georgescu kündigte an, die rumänische Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen.
TikTok-Generation stimmte für den Rechtskandidaten – noch stärker aber die Diaspora
Georgescu hatte in Rumänien selbst vor allem bei Wählern unter 45 Jahren und darunter vor allem bei jüngeren Wählern überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt. Dies lässt den Schluss zu, dass die intensiven Kampagnen auf TikTok einen gewissen Effekt auf das Wahlverhalten hatten.
Zudem war auffallend, dass in Umfragen bis wenige Wochen vor der Wahl Georgescu selten über der Wahrnehmungsschwelle lag. Anschließend verbesserten sich die Werte jedoch dynamisch – wenn auch vor allem auf Kosten des zuvor höher gehandelten George Simion von der „Allianz für die Einheit der Rumänen“ (AUR).
Sein bestes Ergebnis mit mehr als 43 Prozent der Stimmen erzielte Georgescu jedoch bei Auslandsrumänen. Bei diesen dürfte TikTok keine signifikant größere Rolle bezüglich des Entscheidungsprozesses gespielt haben als andere Nachrichtenquellen.
Der Sieg von Georgescu in der Stichwahl erschien als wenig wahrscheinlich
Vieles deutete darauf hin, dass Lasconi die Stichwahl für sich entschieden hätte. Die Parteien der Linken und der Mitte hatten im Anschluss an das Ergebnis des ersten Durchgangs erklärt, eine „Pro-EU-Front“ zugunsten der liberalen Kandidatin zu bilden. Auch die Partei der ungarischen Minderheit sprach sich für Lasconi aus. Vertreter der Roma-Community erklärten ebenfalls, die liberale Kandidatin zu unterstützen – obwohl Georgescu im Vergleich zu anderen Vertretern der rumänischen Rechten nicht durch Antiziganismus auffiel.
Es erschien als wahrscheinlich, dass dies ausgereicht hätte, um den Rückstand von knapp vier Prozent aufzuholen. In Österreich hatte der Establishment-Kandidat Alexander van der Bellen 2016 einen 14-Punkte-Rückstand auf Norbert Hofer von der FPÖ aufgeholt.
Georgescu hätte allerdings noch über eine gewisse Wählerreserve verfügt. Simion belegte mit 13,86 Prozent in der ersten Runde den dritten Platz. Auf ein Prozent oder weniger kamen noch der Nationalkonservative Cristian Terheș und die wegen diskriminierender Aussagen über Roma entlassene Fernsehmoderatorin Alexandra Păcuraru.
Nationalisten mit einem Drittel der Stimmen im Parlament vertreten
Dass Georgescu auf die Stimmen nationalistischer Wähler hätte zählen können, wäre zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher gewesen. Seine Vergangenheit beim Club of Rome rief in Teilen der Rechten Argwohn hervor. Diana Șoșoacă, die Parteichefin von „SOS Rumänien“, stellte auch seine Integrität infrage, indem sie auf eine Luxuswohnung in Wien hinwies, die Georgescu besitzen soll.
Allerdings sprachen die größeren nationalistischen Parteien, einige kleinere agrarische und religiöse Kräfte und sogar einige marxistisch-leninistische Kleinparteien für die Stichwahl Wahlempfehlungen zugunsten von Georgescu aus. Bei den Parlamentswahlen kamen die nationalistischen Parteien zusammen auf etwa ein Drittel der Stimmen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion