Politische Zukunft von Marine Le Pen in Gefahr: Anklage fordert Haftstrafe und Unwählbarkeit
Eine Haftstrafe von fünf Jahren, davon mindestens zwei ausgesetzt zur Bewährung, und ein ebenso langes politisches Funktionsverbot hat die Staatsanwaltschaft in Paris gegen Marine Le Pen gefordert. Dies erklärten die Anklagevertreter am Mittwoch, 13. November, in ihrem Plädoyer zur Anklage gegen die dreimalige Präsidentschaftskandidatin. Neben ihr sind noch 25 weitere Funktionäre des früheren Front National (FN), heute Rassemblement National (RN), der Veruntreuung angeklagt. Gegen die Partei selbst ist ein Strafgeld von 2 Millionen Euro beantragt.
Sollte es zu einer Verurteilung kommen, wäre damit eine mögliche vierte Kandidatur Le Pens für das Präsidentenamt gefährdet. Im Jahr 2027 werden in Frankreich die nächsten Präsidentschaftswahlen stattfinden. Amtsinhaber Emmanuel Macron darf dann nicht mehr kandidieren. Im Juli hatte seine Partei ihre Mehrheit in der Nationalversammlung verloren.
Le Pen soll System von Fake-Jobs organisiert haben
Ob es tatsächlich zu einer Haftstrafe kommen wird, ist ungewiss. Immerhin läuft das Verfahren gegen Le Pen und ihre Mitstreiter bereits seit 2015, als der damalige Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, Anzeige erstattet hatte. Der Ausspruch der Unwählbarkeit wäre für die Politikerin jedoch ein herber Rückschlag. Er könnte unter anderem einen vorzeitigen Generationswechsel in der Partei erzwingen.
Grundlage der Anklage ist der Vorwurf, Le Pen und ihre Mitangeklagten hätten Geldmittel des EU-Parlaments zweckentfremdet. Man habe in der Zeit von 2004 bis 2016 finanzielle Zuwendungen beantragt, die offiziell für die Bezahlung von parlamentarischen Mitarbeitern gedacht waren.
Tatsächlich habe man jedoch Fake-Jobs kreiert. Nominell seien die genannten Mitarbeiter für EU-Parlamentarier in Straßburg und Brüssel tätig gewesen. Real hätten sie stattdessen in Frankreich für die Partei selbst und deren Aufbau gearbeitet.
„Politisch motivierter Versuch, Franzosen ihre Wahl zu nehmen“
Ende 2023 wurde die Anklage erhoben. Das EU-Parlament tritt als Nebenkläger auf. Der behauptete Schaden wurde zuletzt mit 4,5 Millionen Euro angegeben. Eine Million hat die Partei „Euractiv“ zufolge bereits zurückbezahlt, um eine drohende Kürzung der Parteienfinanzierung abzuwenden. Wie „France24“ berichtet, fordert die Anklage ein sofortiges Inkrafttreten eines etwaigen Ausspruchs über die Unwählbarkeit.
Le Pen nannte die Forderung unterdessen „empörend“. Sie geht von einer politisch motivierten Anklage aus und dem „Versuch, die Partei zu ruinieren“. Der Staatsanwaltschaft machte sie heftige Vorwürfe:
„Ich denke, es geht der Anklagebehörde darum, das französische Volk seiner Möglichkeit zu berauben, nach eigener Präferenz zu wählen.“
Die Politikerin betont, sie sei sich „nicht bewusst, auch nur das geringste Fehlverhalten gesetzt oder in irgendeiner Weise gegen Gesetze verstoßen zu haben“. Le Pen betonte, ein großer Teil der Regeln, die mittlerweile für die Beschäftigung im EU-Parlament in Kraft seien, hätten „damals entweder nicht existiert oder wurden flexibel ausgelegt“.
Le Pen: „Wir waren vielleicht schludrig, aber das ist kein Verbrechen“
Die Position des „Parlamentarischen Mitarbeiters“ sei ein bloßer Status. Es gebe „keine exakte Jobbeschreibung“. Die Aufgaben könnten von jenen eines Sekretärs zu dem eines Redenschreibers, Rechtsberaters, Grafikdesigners bis hin zu denen eines Leibwächters reichen. Gegenüber dem Gericht erklärte Le Pen:
Das Gericht kann feststellen, dass wir schludrig und manchmal desorganisiert waren. Das ist aber kein Verbrechen.“
Die Sekretärin und phasenweise Schwägerin Le Pens, Catherine Griset, soll als Assistentin im EU-Parlament nur etwa anderthalb Arbeitstage dort verbracht haben. Dies gehe aus der Auswertung ihrer Zugangskarte hervor. Griset selbst erklärt, sie sei als Begleiterin Le Pens regelmäßig auch ohne Einstempeln ins Parlament gekommen.
Als weiteres belastendes Indiz gilt auch, dass der Abgeordnete Louis Aliot und dessen Assistent während der gesamten Vertragsdauer nur eine SMS und nicht einmal eine E-Mail ausgetauscht hätten.
Notizen und Bücher früherer Akteure als belastende Indizien
Der damalige Front National scheint dabei die Aufmerksamkeit auch von selbst auf sich gezogen zu haben. Den Anstoß für die Ermittlungen, die Schulz initiiert hatte, gab offenbar ein Organigramm, das der FN selbst veröffentlicht hatte. Dort waren einige Personen in Parteifunktionen gelistet, die mit ihrer Tätigkeit als parlamentarische Assistenten im EU-Parlament kaum vereinbar erschienen.
Der frühere Leibwächter Thierry Légier schrieb Memoiren, die Anekdoten enthielten, von denen jedoch keine einzige einen Bezug zum EU-Parlament erkennen ließ. Im Jahr 2014 hatte auch der damalige Schatzmeister Wallerand de Saint-Just in einem Schriftstück verdächtige Angaben gemacht. Darin hieß es, der FN habe sich lediglich von seinen finanziellen Engpässen erholen können, weil er „dank des EU-Parlaments erhebliche Einsparungen“ machte.
Ähnliches Verfahren gegen frühere Macron-Weggefährten endete mit Bewährungsstrafen
Der Vorsitzende Richter Bénédicte de Perthuis erklärte, dass sich das Gericht unabhängig von den politischen Fragen, die auf dem Spiel stehen könnten, an eine juristische Argumentation halten müsse. Letztlich komme es lediglich darauf an, ob „die parlamentarischen Assistenten für den EU-Abgeordneten, dem sie unterstellt waren, oder für die Nationalversammlung gearbeitet haben“.
Der Prozess soll bis zum 27. November dauern, anschließend soll zu einem späteren Datum das Urteil verkündet werden. Im Februar hat ein Gericht bereits Bewährungsstrafen gegen mehrere Mitglieder der ehemaligen Macron-Partei Modem wegen zweckfremder Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiter verhängt.
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