Polit-Phänomen Berlusconi ist tot

Kein Politiker hat Italien so wie Silvio Berlusconi seit Anfang der 1990er-Jahre geprägt. Er sorgte stets für kuriose Momente – und besudelte zugleich seine Karriere mit allerlei Skandalen.
Silvio Berlusconi, ehemaliger Ministerpräsident von Italien, ist tot.
Silvio Berlusconi, ehemaliger Ministerpräsident von Italien, ist tot.Foto: Gregorio Borgia/AP/dpa
Epoch Times12. Juni 2023

Am Montag ist Berlusconi im Alter von 86 Jahren in einem Krankenhaus in Mailand gestorben. Er wurde im Ausland stets belächelt und verspottet, war aber in der Heimat nicht unterzukriegen. „Berlusconismus“ – sein politisches Auftreten hatte einen eigenen Namen. Mit einer Mischung aus Opportunismus, Dreistigkeit, Machismus, aber auch einem Gespür für Stimmungen im Land und dem großen Einfluss seiner TV-Sender kam der studierte Rechtswissenschaftler und Selfmade-Milliardär nach oben.

Berlusconi war viermal Regierungschef, insgesamt kam er dabei auf mehr als neun Jahre im Palazzo Chigi – so lange war kein anderer in der italienischen Republik seit 1946 Ministerpräsident. Mit etlichen Skandalen und Justizverfahren besudelte er aber selbst sein politisches Erbe. Vor allem die sogenannte Bunga-Bunga-Affäre rund um Partys mit teils minderjährigen Frauen in seiner Privatvilla wird auch in der Erinnerung der Italiener und im Ausland immer mit dem „Cavaliere“ (Ritter) genannten Politiker verbunden bleiben.

Auch unterwegs als Entertainer

Berlusconi wurde am 29. September 1936 in Mailand als Sohn eines Bankangestellten und einer Hausfrau geboren. Er studierte Jura und verdingte sich als Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen. Sein Aufstieg begann in den 60er-Jahren in der Baubranche. In den 70er- und 80er-Jahren entdeckte er dann den Fernsehmarkt für sich. Er gründete eigene TV-Sender, die er später zum Einstieg in die Politik nutzte.

Dass er in jener Zeit auch den AC Mailand kaufte und diesen bis an die Spitze des europäischen Fußballs hievte, bestärkte 1994 viele in der Ansicht, dass Berlusconi ein Gewinner und Retter Italiens sei.

Der damals 57-Jährige siegte nur zehn Wochen nach der Gründung der Partei Forza Italia 1994 bei den Parlamentswahlen und formte seine erste Mitte-rechts-Regierung. Kurz zuvor war das traditionelle Parteienbild in dem Mittelmeerland implodiert, als Ermittlungen Korruption und Amtsmissbrauch im großen Stil auf höchster politischer Ebene zu Tage brachten. Große Parteien wie die Democrazia Cristiana verschwanden, Berlusconi nutzte die Gunst der Stunde. Seine Regierung hielt zwar nur wenige Monate, aber Berlusconi kam auf den Geschmack.

Der ehemalige Ministerpräsident und EU-Kommissar Mario Monti nannte Berlusconi einmal den „Vater aller Populisten“.

Von 2001 bis 2006 und von 2008 bis 2011 stand Berlusconi drei weiteren Regierungen vor, ehe nach dem Rekord von insgesamt 3.340 Tagen seine Zeit im Palazzo Chigi vorbei war. Kurz davor war bereits bekannt geworden, dass der verheiratete Mann junge Frauen zu privaten Feiern in seine Villa einlud – der Begriff „Bunga Bunga“ war geboren. Die Welt lachte über den 1,64-Meter-Mann – und war entsetzt. Es folgten jahrelange Verfahren vor diversen Gerichten. Vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs und der Förderung von Prostitution Minderjähriger wurde Berlusconi ebenso freigesprochen wie zuletzt in einem Prozess wegen Zeugenbestechung.

Bis an den Rand des Staatsbankrotts

Noch wuchtiger als alle Sexskandale war die Finanzkrise, wegen der Italien just unter Ministerpräsident Berlusconi an den Rand des Staatsbankrotts schlitterte. Auf Druck internationaler Partner – und auch von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel – musste er Ende 2011 zurücktreten. Eine weitere Demütigung folgte 2013, als er wegen Steuerbetrugs verurteilt wurde. Er wurde aus dem Parlament und in den Jahren danach grundsätzlich von politischen Ämtern ausgeschlossen.

Erst zur Europawahl 2019 durfte er wieder antreten und schaffte den Einzug in das EU-Parlament. Dort blieb er bis Oktober 2022, als er in den italienischen Senat – die kleinere der zwei Parlamentskammern – gewählt wurde. Den Traum, Staatspräsident zu werden, hatte er Anfang 2022 begraben müssen. Was wäre das für eine Pointe gewesen: Silvio Berlusconi als oberster Repräsentant Italiens in der Welt, der das Parlament auflösen, Regierungschefs beauftragen oder ablehnen darf!

Das höchste Amt im Staat hätte zum Selbstverständnis dieses Mannes gepasst, der Dreistigkeit zur Tugend erhob und das Frauenbild in Italien mit seinen TV-Shows voll halb nackter Tänzerinnen und sexistischer Bemerkungen nachhaltig zerstörte, wie Kritiker sagten. „Es gibt niemanden auf der Welt, der so tun kann, als könne er mit mir mithalten“, sagte Berlusconi einmal über sich selbst. (dpa/mf)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion