Polen entzieht EU-Ratspräsident Tusk die Unterstützung und nominiert anderen EU-Abgeordneten für den Posten
Die Regierung in Polen verweigert dem polnischen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk die Unterstützung für eine weitere Amtszeit.
Als Ersatzkandidaten nominierte Warschau den Europaabgeordneten Jacek Saryusz-Wolski für den Brüsseler Spitzenposten, wie Außenminister Witold Waszczykowski am Samstag der Nachrichtenagentur PAP sagte.
Tusk will sich nach bisheriger Planung beim EU-Gipfel kommende Woche für eine weitere zweieinhalbjährige Amtszeit zur Wahl stellen. In einer Erklärung warf Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) dem Ratspräsidenten vor, „gegenüber dem EU-Mitgliedsland Polen das Gebot der Neutralität verletzt zu haben“.
Tusk habe sich an der Spitze des Rats wiederholt gegen polnische Interessen gestellt und die Opposition in seinem Heimatland unterstützt.
EU-Kommission leitete Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit Polens ein
Die EU-Kommission hatte im Januar vergangenen Jahres eine Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet. Brüssel wirft Warschau vor, rechtswidrig die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht und Beschlüsse des Gerichts missachtet zu haben.
Nach mehreren erfolglosen Ermahnungen und Dialogversuchen droht Warschau nun die Einleitung einer weiteren Verfahrensstufe, die bis zum Stimmrechtsentzug in der EU führen kann. Die polnische Regierung zeigte sich davon bislang unbeeindruckt, die Einwände aus Brüssel weist sie als ungerechtfertigt zurück.
Nach bisheriger Planung soll der frühere polnische Ministerpräsident Tusk, der als Liberaler einem anderen politischen Lager entstammt als die gegenwärtige polnische Regierung, auf dem EU-Gipfel kommende Woche für eine weitere zweieinhalbjährige Amtszeit wiedergewählt werden.
Bislang wurden alle Ratspräsidenten der EU mit der ausdrücklichen Unterstützung ihrer Heimatregierung ins Amt gewählt. Zwingend erforderlich ist diese Unterstützung allerdings nicht: Für die Wahl reicht im EU-Rat eine qualifizierte Mehrheit, Polen könnte beim EU-Gipfel also überstimmt werden.
Jacek Saryusz-Wolski
Der Warschauer Wunschkandidat Jacek Saryusz-Wolski entstammt wie Tusk der polnischen Bürgerplattform; diese hat sich zuletzt aber von ihm distanziert. Der 68-jährige promovierte Wirtschaftswissenschaftler ist seit 2004 im Europaparlament und war bis 2007 auch einer seiner Vizepräsidenten.
Auf nationaler Ebene war er in den 1980er Jahren in der Gewerkschaft Solidarnosc aktiv und einer ihrer stellvertretenden Pressesprecher. Nach dem Fall des Kommunismus wurde Saryusz-Wolski 1991 der erste Regierungsbevollmächtigte für europäische Integration.
Ein Manko von Saryusz-Wolski dürfte sein, dass er niemals Regierungschef war. Das ist zwar nach dem EU-Vertrag keine Voraussetzung, wurde aber bei den vorangegangenen Ratspräsidenten immer vorausgesetzt. Zu den Aufgaben des Ratspräsidenten zählt, die 28 Staats- und Regierungschefs der EU bei Gipfeln auf Linie zu bringen. (afp)
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