Polen stellt die Zukunft der EU auf die Probe
Polen hat zusammen mit Ungarn den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ersucht, eine Verordnung zu streichen. Sie ermöglicht der EU, Ländern, die als rechtsstaatswidrig gelten, Mittel aus dem EU-Haushalt zu entziehen.
Von der Entscheidung des Gerichtshofes hängt viel ab, denn daran wird die Fähigkeit der EU bemessen, ob sie künftig ihre Werte verteidigen und sich stärker in Europa integrieren kann. Es ist daher eine entscheidende Zeit für die Zukunft der EU.
Doch Polen stellt – mit Unterstützung Ungarns – immer wieder die rechtliche und politische Integrität der EU auf die Probe. „Das Problem ist nicht, dass Polen versucht, aus der EU auszutreten; das Problem ist, dass es beabsichtigt zu bleiben“, schreibt „Economist“ zu der aktuellen Lage.
Polen: Verordnung ist politisch
Die Verordnung, die im Dezember letzten Jahres verabschiedet wurde, sieht vor, gegen rechtsstaatliche Mängel vorzugehen, die die ordnungsgemäße Verwaltung des Haushalts oder die finanziellen Interessen der EU beeinträchtigen. Zum Beispiel, wenn die EU die nationalen Gerichte nicht als unabhängig ansieht.
Polen und Ungarn wehren sich jedoch dagegen und unterstellen der EU politische Motive. „Es handelt sich nicht um eine Verordnung, sondern um einen Mechanismus zur Verhängung von Sanktionen“, sagte Sylwia Żyrek, eine Anwältin der polnischen Regierung, gegenüber „Politico“.
Miklós Zoltán Fehér, ein hoher Beamter des ungarischen Justizministeriums, erklärte vor Gericht, die Verordnung sei ein „politisches Verfahren mit politischer Absicht“.
Doch die Anwälte der verschiedenen EU-Organe und auch zehn Mitgliedstaaten – darunter Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Dänemark und Irland – verteidigen sie weiterhin.
Die Verordnung trat formell im Januar 2021 in Kraft. Im Rahmen eines Kompromisses Ende letzten Jahres forderten die Staats- und Regierungschefs der EU die Europäische Kommission jedoch auf, sie vorerst nicht umzusetzen, solange keine Entscheidung des Gerichtshofs vorliegt.
Kein Geld ohne Unabhängigkeit der Justiz
Polen macht es der EU auch in anderen Aspekten nicht leicht. Kürzlich hat das Nachbarland Deutschlands entschieden, dass seine eigene Verfassung über dem EU-Vertrag steht.
Die Richter des polnischen Verfassungstribunals haben entschieden, dass einige Artikel des EU-Vertrags nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar sind.
Kurz gesagt, schreibt „Economist“, der oberste Gerichtshof der EU ist nicht mehr der oberste Gerichtshof, wenn es um Polen geht.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, äußerte in einer Erklärung „tiefe Besorgnis“ über das polnische Urteil. „Wir werden die Grundprinzipien der Rechtsordnung unserer Union aufrechterhalten“, versprach sie. 450 Millionen Europäer würden sich darauf verlassen.
Unmittelbar danach erhielt sie Rückendeckung vom deutschen Außenminister Heiko Maas: „Die Kommission hat unsere volle Unterstützung bei ihrer Aufgabe, das europäische Recht in der gesamten EU durchzusetzen.“
Sechs Fraktionen des niederländischen Parlaments haben zudem die Kommission aufgefordert, keine COVID-Wiederaufbau-Fonds an Polen auszuzahlen, „bis seine Regierung die Unabhängigkeit seiner Justiz wiederhergestellt hat“.
Allgemein herrschen zwei unterschiedliche Haltungen innerhalb der EU. Zum einen gehen der EuGH und die Europäische Kommission davon aus, dass innerhalb der EU ein absoluter Vorrang des EU-Rechts vor nationalem Recht besteht, sodass der EuGH immer das letzte Wort hat.
Die zweite Auffassung, die von vielen Verfassungsgerichten in den EU-Mitgliedstaaten vertreten wird, besagt, dass die Mitgliedstaaten nur ausgewählte und klar definierte Befugnisse an die europäischen Institutionen delegiert haben.
Was beanstanden die polnischen Richter?
Zu den Artikeln, die Polen beanstandet, gehört beispielsweise Artikel 1, der eine „neue Etappe auf dem Weg zu einer immer engeren Union der Völker Europas“ einleitet.
Die Richter stellten auch Artikel 2 infrage, der die wichtigsten Werte der Union, nämlich die Achtung der Menschenwürde, einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, enthält.
An Artikel 19 hatten sie ebenso etwas auszusetzen gehabt, insbesondere an der Verantwortung des EU-Gerichtshofs, „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge zu gewährleisten“.
Nach Ansicht der polnischen Richter erlaubten die Artikel 1 und 4 der Union, „über die Grenzen der von der Republik Polen in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten hinaus“ zu handeln.
Das Gericht entschied außerdem, dass die europäischen Gerichte durch Artikel 19 und 2 die polnische Verfassung unrechtmäßig außer Kraft setzen, indem sie unter anderem die Rechtmäßigkeit der Ernennung von Richtern überprüfen.
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