Polens etablierte Parteien in Bedrängnis: Rechte Konfederacja erobert die Jugend
Ein aufsteigender Stern in der politischen Szene Polens ist die rechtsgerichtete Partei Konfederacja, zu Deutsch: Konföderation der Freiheit und Unabhängigkeit. Mit Umfragewerten von derzeit um die 15 Prozent kann Konfederacja damit rechnen, bei der polnischen Parlamentswahl im Herbst drittstärkste Kraft zu werden. Sie könnte womöglich mitentscheiden, wer danach regiert.
In kurzen Videos teilt Sławomir Mentzen, Co-Vorsitzender der Partei Konfederacja, gegen das Establishment aus, gegen Steuern und gegen die EU. „Mein Plan für die Zukunft: Bier, Steuern, Sozialabgaben, Inflation und Linke auf null setzen“, verkündet der 36-Jährige auf TikTok. Mentzen, Steuerberater aus der nördlichen Stadt Torun, geht gegen die großen Parteien PiS und PO hart ins Gericht. Polen werde es besser gehen, wenn man sie abschaffe, sagt er.
Die nationalkonservative Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS, Recht und Gerechtigkeit) dominiert Polen seit acht Jahren. Umfragewerte um die 34 Prozent lassen erwarten, dass sie erneut stärkste Partei wird, aber nicht allein regieren kann.
Kritiker befürchten „autoritäres System einer rechtspopulistischen Regierung“
Die oppositionelle Platforma Obywatelska (PO, Bürgerplattform) war bis 2015 am Ruder. Ihr politisches Lager steht bei etwa 31 Prozent. Doch selbst wenn alle anderen Oppositionsparteien noch dazustoßen sollten, sieht es nicht nach einer gemeinsamen Mehrheit aus.
Die PiS hat die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt und liegt im Dauerstreit mit der EU. Manche Beobachter halten diese Wahl, deren Datum noch nicht feststeht, für eine Wegscheide. Entschieden werde, „ob das seit zwei Legislaturperioden von der rechtspopulistischen Regierung aufgebaute autoritäre System zur Vollendung kommt“, schreibt etwa der Soziologe Janusz A. Majcherek in den deutschen „Polen-Analysen“. „Sollte es dazu kommen, könnten dies die letzten Wahlen sein, welche die demokratische Opposition gewinnen könnte.“
Bislang ist der Wahlkampf in Polen eine Auseinandersetzung älterer Männer: PiS-Chef Jarosław Kaczyński (74) gegen PO-Chef Donald Tusk (66), den früheren EU-Ratspräsidenten. Der 36-jährige Sławomir Mentzen witzelt darüber, ob die beiden in ein Sanatorium oder ein Irrenhaus in Rente geschickt werden sollten. Auch der zweite Vorsitzende der Konfederacja, Krzysztof Bosak, zählt erst 41 Jahre.
Mentzen kommt bei jungen Leuten gut an
Auf TikTok verfolgen 781.000 Menschen, was Mentzen sagt, auf Facebook 479.000, auf Instagram 337.000. Vor allem bei jungen männlichen Wählern kommt er gut an. Bei denen, die rechts wählen wollen, liegt Konfederacja vor der PiS. Langzeitpolitiker Tusk hat 1,6 Millionen Follower auf Twitter, bei den jüngeren Netzwerken Instagram und TikTok hat er weniger als Mentzen. Der PiS folgen auf Facebook 395.000 Menschen, auf Instagram sind es nur 34.000.
Mentzen denkt nationalistisch, ist gegen die EU, gesellschaftlich konservativ und strikt gegen Abtreibung. Zudem positioniert er sich gegen einen Sozialstaat – jeder soll für sich selber sorgen.
„Für die Konfederacja stimmen Leute, die ihr Leben in eigene Hände nehmen möchten“, sagt er. Ohne lästige Abgaben solle sich jeder arbeitende Pole ein Haus mit Rasen, einen Grill, zwei Autos und Urlaub leisten können.
PiS und Konfederacja schließen Zusammengehen aus
Die Partei Konfederacja wurde Ende 2018 gegründet. Die national-katholische Volksbewegung RN ist ebenfalls Teil der Partei. Vorsitzender der Partei ist der 56-jährige Grzegorz Braun. Dieser ist Regisseur, Drehbuchautor, Publizist und Monarchist und wird oftmals wegen Kontakte zur AfD kritisiert. Seit 2019 stellt die Partei Konfederacja Abgeordnete im Parlament in Warschau.
„Liberalismus hoch zwei, übergossen mit patriotisch-konservativer Soße, soll das Rezept für alle Übel der Gegenwart sein“, kommentierte der Politologe Kamil Sikora das Programm. Junge Leute seien von Konfederacja fasziniert, weil ihnen der Staat sonst wenig zu bieten habe, schrieb er in der Zeitung „Rzeczpospolita“.
Einem möglichen Zusammengehen erteilen sowohl PiS-Chef Kaczyński als auch Mentzen bislang eine Absage. Die rechten Parteien unterscheiden sich dabei in sozialen Fragen, so hat die PiS mit Sozialleistungen wie höherem Kindergeld Zustimmung gewonnen. „Wir gehen nicht in diese Wahl, um einen Deal mit der PiS zu machen“, sagte Mentzen.
Trotzdem wird nicht ausgeschlossen, dass die Konfederacja die PiS nach der Wahl an der Macht halten könnte. „Sie kann mit der PiS regieren“, sagte der Soziologe Jarosław Flis von der Universität Krakau. Bei den möglichen Szenarien geht es nicht unbedingt um eine feste Koalition, auch die Duldung einer Minderheitsregierung scheint denkbar. PiS-Vertreter, die um ihre Wiederwahl fürchten, wechseln derzeit zur Konfederacja. Falls sie nach der Wahl zurückkehrten, könnten sie auf diese Weise für eine Mehrheit sorgen. (dpa/il)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion