Pistorius: „Zivilschutz und Katastrophenhilfe zu lange nicht ausreichend beachtet“

Der neue Verteidigungsminister Pistorius will der jungen Generation keine allgemeine Dienstpflicht aufbürden. Andererseits wünscht er sich aber mehr „Wertschätzung für Feuerwehr und Rotes Kreuz, Polizei und Bundeswehr“.
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Die allgemeine Dienstpflicht könnte laut Verteidigungsminister Pistorius helfen, die Menschen und die staatlichen Organisationen wieder ein Stück näher zusammenzubringen.Foto: WOJTEK RADWANSKI/AFP via Getty Images
Epoch Times15. Februar 2023

Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht gute Argumente für eine allgemeine Dienstpflicht in Deutschland zur Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr und Rettungsdiensten. Für eine politische Meinungsbildung in dieser Frage müsse aber die Stimme der jüngeren Menschen gehört werden, sagte der SPD-Politiker der dpa in Berlin. „Ich habe mich ausdrücklich nicht für die Reaktivierung der Wehrpflicht ausgesprochen“, betonte er. Vielmehr halte er die Diskussion um eine allgemeine Dienstpflicht „für wertvoll“.

Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ hatte er Ende Januar aber trotzdem betont: „Wenn Sie mich als Zivilisten fragen, als Staatsbürger, als Politiker, würde ich sagen: Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen“.

Die Wehrpflicht war am 24. März 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam. „An die Stelle der allgemeinen Wehrpflicht tritt ein neuer freiwilliger Wehrdienst, der jungen Frauen und Männern die Gelegenheit gibt, für [einen] Zeitraum zwischen 12 bis zu 23 Monaten freiwilligen Dienst in den Streitkräften zu leisten“, so Guttenberg damals.

Pistorius wünscht sich mehr Wertschätzung für Bundeswehr

Was genau versteht man aber unter dem Begriff einer allgemeinen Dienstpflicht? Dies würde bedeuten, dass Bürger für eine gewisse Zeit einen Dienst für die Allgemeinheit leisten. Dabei könnte die Bundeswehr dann eine Option neben anderen Tätigkeiten etwa im sozialen Bereich sein.

Wie Pistorius weiter ausführte, sei er als 62-Jähriger zurückhaltend, „einer Generation, die sowieso schon eine schwierige Zukunft vor sich hat, jetzt mal eben so eine allgemeine Dienstpflicht aufzubürden“, sagte Pistorius. „Was aus meiner Sicht dafür spräche? In den vergangenen Monaten ist der Eindruck entstanden, dass manche nicht die nötige Wertschätzung für Feuerwehr und Rotes Kreuz, Polizei und Bundeswehr aufbringen.“

Und weiter: „Die allgemeine Dienstpflicht könnte helfen, die Menschen und die staatlichen Organisationen wieder ein Stück näher zusammenzubringen“, so Pistorius. „Sie könnte vor Augen führen, wie wichtig diese Einrichtungen für das Funktionieren unserer Gesellschaft sind.“

Verteidigung, Zivilschutz und Katastrophenhilfe gehören zusammen

Pistorius äußerte sich überzeugt, dass Verteidigungsbereitschaft einerseits und Zivilschutz und Katastrophenhilfe andererseits immer zusammen gehören. „Deutschland hat den Bereich Zivilschutz und Katastrophenhilfe zu lange nicht in ausreichendem Maß beachtet. Es fehlte lange an Geld für die Katastrophenhilfe, für Fahrzeuge und Ausrüstung. Alle hofften, dass man es nie braucht“, sagte er. Ähnlich wie bei der Verteidigung gelte: „Die Kosten sind hoch, ohne dass man den langfristigen Nutzen unmittelbar wahrnimmt.“

Pistorius, der zuvor Landesinnenminister in Niedersachsen war, hatte in der vergangenen Woche die ukrainische Stadt Kiew besucht und sich dort über die militärische Lage und auch die Abwehr von russischen Angriffen auf die zivile Infrastruktur des Landes informiert.

„Wir müssen volle Verteidigungsfähigkeit einerseits und Unterstützung eines angegriffenen Landes wie der Ukraine anderseits gewährleisten. Das ist jetzt die große Herausforderung. Und da darf man sich nichts vormachen, das lässt sich nicht über Nacht regeln“, sagte er. „Klar ist, dass die Bundeswehr besser ausgestattet werden muss. Das bedeutet nicht nur die Einsicht, dass das Sondervermögen nicht ausreichen wird, sondern auch, dass der Verteidigungshaushalt erhöht werden muss. Denn die laufenden Kosten steigen auch mit der Zeitenwende, mit jedem Waffensystem, das angeschafft wird, durch die Unterhaltungskosten.“

„Es geht nicht um Kriegswirtschaft“

Pistorius ist aber nicht dafür, für das Hochfahren der eigenen Rüstungsindustrie mit Begriffen wie dem Konzept einer Kriegswirtschaft zu arbeiten. „Es geht nicht um Kriegswirtschaft, also nicht um eine Wirtschaft, die vom Staat auf die Führung eines Krieges vorbereitet oder ausgerichtet wird. Vielmehr geht es um Verteidigungsfähigkeit“, sagte er.

„Die Industrie hat ein Interesse daran, Verlässlichkeit und Planungssicherheit zu bekommen – sowohl was die Abnahme durch die Bundeswehr betrifft als auch auf die Möglichkeit zu exportieren. Klar ist auch: Wir haben ein Interesse daran, dass wir prioritär behandelt werden, wenn wir etwas bestellen. Wir brauchen Planungssicherheit. Ich arbeite derzeit mit aller Kraft daran, die Beschaffung im engen Austausch mit der Rüstungsindustrie zu beschleunigen.“ (dpa/il)



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